Nach zwei Jahren des Kampfes um die Formel-1-WM gegen Mercedes und gegen Lewis Hamilton hat Ferraris Star-Pilot Sebastian Vettel 2019 bisher nur wenig abgeliefert. Stattdessen kämpfte der Deutsche 2019 bis jetzt allzu oft mit dem Auto, mit dem Setup des Ferrari SF90. Und er kämpfte mit seinem jungen Teamkollegen Charles Leclerc. Und er machte unter dem immer hohen Druck dort weiter, wo er 2018 aufgehört hatte: Mit häufigen Fahrfehlern.

Als er nach dem Ungarn-GP in der Pressekonferenz gebeten wird, sich auf einer Skala von eins bis zehn selbst zu bewerten, entscheidet er sich nach kurzer Überlegung für fünf. Ein starker Kontrast zu den beiden Fahrern, die neben ihm sitzen: Beim Sieger und WM-Führenden Lewis Hamilton wird es "so 8.8, 8,9", Verstappen lässt sich von Hamilton schließlich in die gleiche Richtung treiben.

Sebastian Vettels 2019: Mittelmäßig

Vettel ist 2019 weit weg von Hamilton und Verstappen, die bis jetzt in dieser Saison fahrerisch den Ton in der Formel 1 angeben. "Ich bin nicht glücklich mit der ersten Hälfte", ist Vettel deutlich. "Ich glaube, ich hatte hier und da Probleme, das Auto zu verstehen."

Obwohl Vettel bei Ferrari der alteingesessene Fahrer ist, hat er mit dem neuen SF90 die größeren Probleme. Der fehlende Abtrieb und die sich daraus ergebenden instabilen Handling-Charakteristiken bei der Kurveneinfahrt machen Probleme. Neuankömmling Charles Leclerc tut sich leichter, die Fahrzeug-Balance zu finden. Auf eine schnelle Runde war das zuletzt immer auffälliger.

Leclerc kann auch zwei Poles vorweisen, Vettel nur eine, in Kanada. Obwohl Leclerc da selbst zugab, noch nicht ganz in den Q1-Q2-Q3-Qualifyingrhythmus eines Top-Teams gefunden zu haben. Besonders in den letzten Rennen kam Leclerc in Fahrt, Vettel dafür mit dem Ferrari nicht zurecht. In Silverstone schlug ihn Leclerc um Zehntel, in Ungarn mit schlug er ihn trotz kaputtem Heck. Der Auftritt des starken jungen Teamkollegen beginnt an 2014 zu erinnern, als ein junger Daniel Ricciardo Vettel bei Red Bull den Schneid abkaufte.

Vettel mit Renn-Vorteil gegenüber Leclerc

Für Vettel bleibt 2019 nur das Rennen als Rettung. Da kann er glänzen, da ist er besser als Leclerc. "Er hat viel Erfahrung und weiß, wie er mit den Reifen umgehen muss", erklärt Ferrari-Teamchef Mattia Binotto. "Das ist glaube ich seine Stärke, und in dieser Hinsicht ist er auch gut."

Aber Binotto kommt nicht umhin, zu erwähnen: "Natürlich, wenn er Fehler wie in Silverstone macht, ist das nicht das Beste." Denn Vettel blieb 2019 zumindest in der ersten Saisonhälfte fehleranfällig. Wie er es seit Hockenheim 2018 ist. Ein Dreher im Kampf ums Podest in Bahrain, der Ausritt in Kanada, und schließlich der Höhepunkt in Silverstone: Im Zweikampf mit Max Verstappen verschätzte sich Vettel völlig und fuhr dem Red Bull ins Heck.

Vettel vs. Verstappen in Silverstone, Foto: LAT Images
Vettel vs. Verstappen in Silverstone, Foto: LAT Images

Eine Wende ist dringend notwendig. Vielleicht begann die ausgerechnet in Hockenheim, zwölf Monate nach dem großen Ausfall. 2019 behielt Vettel bei Mischbedingungen immer den Überblick und fuhr kontrolliert vom letzten Platz bis vor auf das Podium. Auch in Ungarn schaffte er es zur Siegerehrung, mit einem späten Überholmanöver gegen Leclerc.

Vettel hofft auf die Ferrari-Wende

"Ich weiß nicht, ich hoffe es", meint Vettel dazu. "Ich hoffe, dass wir in ein paar Monaten zurückschauen und sagen: 'Da fing es an.'" Aber der Weg ist noch weit, Ferrari 2019 noch sieglos, das Auto noch immer nicht auf dem Niveau von Mercedes.

Vettel auf dem Podium in Hockenheim, Foto: LAT Images
Vettel auf dem Podium in Hockenheim, Foto: LAT Images

Mit dem Auto geht es aber langsam aufwärts, versicherte Vettel zuletzt immer wieder. Vielleicht geht damit das große Vettel-Comeback einher. Ewig Zeit bleibt ihm dafür nicht - denn Charles Leclercs Erfahrungsschatz steigt von Wochenende zu Wochenende, der junge Monegasse wird zunehmend zu einem kompletten Formel-1-Fahrer.

Und damit könnte sich die Hackordnung bei Ferrari schnell ändern. 2019 eröffneten sie mit dem Versprechen, Vettel in entsprechenden Renn-Situationen Nummer-eins-Status zu gewähren. Nach den ersten zwölf Rennen stellt sich dann aber doch die Frage, wie lange sie das noch rechtfertigen können.