Das Formel-1-Jahr 2019 scheint für Ferrari realistisch gesehen vorbei. Zwölf Rennen sieglos, satte 150 Punkte Rückstand auf Mercedes in der Konstrukteurs-WM. Satte 94 Punkte Rückstand hat Sebastian Vettel auf Lewis Hamilton in der Fahrer-WM. Hamilton kann also vier Rennen auslassen, und wäre bei vier Vettel-Siegen mit einem Punkt Vorsprung noch immer vor ihm in der WM.

Der SF90, Ferraris Auto für die Saison 2019, ist dem Mercedes W10 einfach nicht gewachsen. Manche stellen sich nun die Frage: Warum überhaupt noch daran entwickeln? Wäre es nicht sinnvoll, gleich die Ressourcen für 2020 zu bündeln? Doch Ferrari will das nicht - und verkündet weitere Entwicklungsstufen.

Ferrari will von 2019 lernen - Handtuch werfen bringt nichts

"Sollen wir uns auf das Auto für das nächste Jahr konzentrieren? Ich glaube nicht, zumindest nicht nur", meint Teamchef Mattia Binotto vor der Sommerpause in Ungarn. Einem Rennen, in dem Ferrari von der Konkurrenz bei Mercedes und Red Bull eine Minute kassierte.

Aber Binotto erinnert: "Wir haben nächstes Jahr die gleichen Regeln. Was auch immer wir in diesem Jahr machen können, wird auch dem nächsten Auto helfen. Es stehen noch viele Rennen an, wir haben noch nicht gewonnen, also haben wir auf jeden Fall ein Ziel. Wir sollten alles geben, um das Beste aus dieser Saison zu machen."

Sebastian Vettel unterstützt seinen Teamchef: "So wie die Regeln sind und sein werden, bringt es jetzt nichts, das Handtuch zu werfen und zu sagen 'wir konzentrieren uns aufs nächste Jahr'. Wir haben jetzt die Möglichkeit, mit dem Auto zu arbeiten und alles festzulegen. Das wird dann richtungsweisend für das nächste Jahr."

"Wenn eine große Regeländerung anstehe, wäre es vielleicht etwas anderes", sagt Vettel. "Aber so macht es auf jeden Fall Sinn, weiter voll zu attackieren. So werden wir denke ich am meisten lernen und am ehesten schlauer, was die Zukunft dann angeht."

Ferrari hat Grundproblem ausgemacht: Abtriebssuche beginnt

Mit diesem Ansatz wird es für Ferrari also nach der Sommerpause in die nächste Update-Runde gehen. Eine Runde, die tatsächlich richtungsweisend wird - denn die erste Upgrade-Runde hat man ja teilweise selbst verbockt, und auch im Vorjahr gab es zu Saisonende Probleme.

Ferrari will nach den Fehlschlägen inzwischen den Sündenbock ausgemacht haben. Die Daten, mit denen sie ihren Windkanal fütterten, sollen nicht ganz der Realität entsprochen haben. Falsche Analyse-Ergebnisse waren die Folge, und daraus entstanden in der Aerodynamik-Abteilung die Fehlentwürfe.

Ein kompletter Fehlschlag ist der SF90 allerdings nicht. Schließlich war das Auto auf Strecken wie Bahrain, Kanada oder Österreich siegfähig. "Uns fehlt insgesamt Abtrieb", erklärt Binotto. "Aber natürlich gibt es Strecken, auf denen du nicht den maximalen Abtrieb benötigst." Je weniger Abtrieb es braucht, desto besser geht der SF90 - denn den Abtrieb, den er hat, erzeugt er effizient. Es fehlt nur in der Masse. Und genau hier scheiterte Ferrari mit den Upgrades und konnte nicht nachlegen.

Charles Leclerc in Hockenheim, Foto: LAT Images
Charles Leclerc in Hockenheim, Foto: LAT Images

Die letzten Rennen von 2019 sollen nun dazu dienen, die Probleme eindeutig zu identifizieren und auszumerzen. Schließlich schweben auch über dem Grundkonzept des SF90 noch Fragezeichen - ob damit überhaupt ausreichend Abtrieb erzeugt werden kann. "In der zweiten Saisonhälfte werden wir versuchen, alles an Abtrieb auf das Auto zu bringen", gibt Binotto als Fahrplan aus. Genau das sollte auch dabei helfen, sich nicht für 2020 erneut zu verrennen.

"Und für nächstes Jahr brauchen wir noch mehr", erinnert Binotto "Wir wissen, dass unsere Gegner ebenfalls an mehr Abtrieb arbeiten, also können wir die aktuelle Lücke gar nicht als Ziel ausgeben. Es braucht mehr als das."