Der Ungarn GP 2019 (Rennen morgen zur üblichen Formel-1-Startzeit um 15:10 Uhr live auf RTL und Sky sowie im ORF, SRF und Live-Stream F1 TV) wird etwas Spezielles. Zumindest für Max Verstappen. Zum ersten Mal in seiner Formel-1-Karriere geht der Niederländer von Pole Position aus ins Rennen.

Red Bull kommt langsam in Fahrt. Nach zwei Siegen aus den letzten drei Rennen ist der RB15 nun schon im Qualifying das schnellste Auto - wird das Rennen dann nur noch zur Kür? Und was ist für Ferrari mit den Startplätzen vier und fünf für Charles Leclerc und Sebastian Vettel noch drinn?

Red Bull erstmal im Qualifying vorne, Ferrari macht sich Mut

Der Hungaroring ist speziell. Nicht überall hätte es wohl zur Verstappen-Pole gereicht. Weil es in Budapest kaum Geraden gibt, rettete er noch 0,018 Sekunden Vorsprung über die Linie. Umgerechnet 1,06 Meter fehlten Valtteri Bottas am Ende. Lewis Hamilton erwischte keine perfekte Qualifikation und muss sich mit Startplatz drei zufriedengeben.

Für Ferrari hingegen war es das erwartet schwierige Qualifying. "Wir wussten, dass wir hier aufgrund unseres Abtrieb-Niveaus nicht die Favoriten sind", gesteht Teamchef Mattia Binotto. Der Italiener sieht aber positive Anzeichen: "Wir konnten Fortschritte sehen. Der Abstand ist geringer, als wir erwartet hatten. Das ist ermutigend."

Überhitzung: Ferrari machen die Kurven zu schaffen

Trotzdem: Vettel und Leclerc fehlten eine halbe Sekunde auf Pole. Das große Problem ist der letzte Sektor. Im ersten Sektor fuhren beide Ferrari-Piloten die schnellsten Zeiten. Im letzten Sektor verlieren sie dafür drei bis vier Zehntelsekunden.

Auf der einen Seite ist der erste Sektor noch gewissermaßen der Power-Sektor auf dem Hungaroring. Die restlichen Sektoren gibt es keine Geraden mehr. Im zweiten Sektor hält sich der Rückstand noch in Grenzen. In den schnellen Kurven verliert der SF90 noch nicht übermäßig. Weil Abtrieb fehlt, überhitzen aber die Reifen. "Selbst auf eine schnelle Runde", wie Vettel gesteht.

Sektor 1Sektor 2Sektor 3
Vettel26,918Bottas26,411Verstappen21,021
Leclerc27,036Verstappen26,456Hamilton21,053
Bottas27,079Hamilton26,488Bottas21,100
Verstappen27,095Leclerc26,553Gasly21,169
Hamilton27,228Vettel26,793Vettel21,360
Sainz27,279Gasly26,809Leclerc21,454
Norris27,284Magnussen26,813Sainz21,560
Gasly27,330Grosjean26,861Norris21,565
Raikkonen27,361Norris26,905Raikkonen21,571
Hulkenberg27,422Sainz27,013Grosjean21,660
Grosjean27,457Kvyat27,085Hulkenberg21,663
Magnussen27,525Raikkonen27,107Magnussen21,756
Giovinazzi27,526Russell27,147Albon21,796
Albon27,554Albon27,191Kvyat21,843
Kvyat27,626Giovinazzi27,276Giovinazzi21,849
Stroll27,666Hulkenberg27,333Perez21,957
Perez27,674Ricciardo27,404Ricciardo21,962
Ricciardo27,807Perez27,478Russell22,057
Russell27,827Stroll27,723Stroll22,100
Kubica28,026Kubica27,896Kubica22,390

Im letzten Sektor zahlt Ferrari dann den vollen Preis dafür. In langsamen Kurven ist der Zeitverlust ohnehin am größten, dazu kommen die überhitzen Reifen. Vettel experimentierte im 3. Freien Training und versuchte es zwischenzeitlich mit mehr Abtrieb auf der Vorderachse, um die Vorderreifen zu schonen. Allerdings wurde ihm dann das Heck zu instabil. "Es ist ein ganz anderes Auto", gab er als Feedback an die Box zurück. Also musste er wieder zurückbauen.

Vettel hofft auf Hitze: Mehr Stopps, mehr Chancen

Die Hoffnungen für das Rennen sind deshalb nicht besonders groß. "Es wird ein schwieriges Rennen", ist sich Charles Leclerc sicher. Vettel gibt sich zumindest etwas optimistischer: "Es wird sicher beim Reifenmanagement schwierig, aber wenn es heiß wird, könnte uns das helfen, weil wir dann unsere Konkurrenten unter Druck setzen können. Wenn es nicht heiß wird, dann wird es ein Einstopp-Rennen und wir haben weniger Chancen."

26 Grad sagen die Meteorologen für den Rennsonntag vorher. Temperaturen, die Mercedes normalerweise noch nicht übermäßig in Bedrängnis bringen. Ferrari geht auf jeden Fall mit den schlechtesten Chancen der drei Top-Teams ins Rennen. Im Normalfall haben Vettel und Leclerc beim Kampf um das Podium wenig zu melden.

Warum Mercedes für Verstappen gefährlich ist

Doch wie sieht der Kampf zwischen Max Verstappen und den beiden Mercedes-Piloten aus? Wenn Red Bull schon im Qualifying schneller ist, dann sollte das Rennen eigentlich eine Spazierfahrt werden, so könnte man meinen. Auf eine Runde fehlt den Bullen noch immer etwas Motorleistung. Im Rennen ist der Nachteil geringer. Dazu herrscht auf dem Hungaroring quasi Überholverbot. Beim Reifenverschleiß gibt es meist keine großen Unterschiede.

Und trotzdem muss Max Verstappen zittern. In Österreich verlor der Niederländer den Sieg fast am Start, als er zahlreiche Positionen verlor. Auch in Hockenheim wurde er am Start durchgereicht. Hamilton gibt sich schon angriffslustig: "Der Weg bis zur ersten Kurve ist sehr lang, das wird sicher sehr interessant."

Langer Startsprint, Mercedes mit Teamplay-Vorteil

Obwohl die Start- und Zielgerade verhältnismäßig kurz ist, ist der Sprint zur ersten Kurve verhältnismäßig lang. Die Startaufstellung beginnt weit vorne auf der Geraden. 387,84 Meter sind es laut Mercedes von Pole Position zum ersten Bremspunkt.

Red Bull Motorsportberater Dr. Helmut Marko gibt sich gelassen. "In Hockenheim und Österreich war das Mapping schuld. Aber da ist in der Zwischenzeit einiges passiert", verspricht er. "Ich glaube nicht, dass sich unsere Gegner darauf verlassen können. Und wenn man vorne fährt, ist das Leben ein ganz anderes. Man tut sich viel leichter, kann die Reifen und den Motor schonen und sich alles viel besser einteilen."

Toto Wolff sieht großen Vorteil

Trotzdem muss Verstappen noch einen weiteren Faktor fürchten. Auf Teamkollege Pierre Gasly kann er sich erneut nicht verlassen. Der Franzose war satte neun Zehntelsekunden langsamer und qualifizierte sich nur für Startplatz sechs. Mercedes hat mit Bottas auf zwei und Hamilton auf drei gleich zwei heiße Eisen im Feuer.

"Das ist ein großer Vorteil", glaubt Mercedes Motorsportchef Toto Wolff und erklärt: "Man kann nämlich zwei unterschiedliche Strategien fahren." Heißt: Ein Pilot kann genau das machen, was Verstappen macht und seine Strategie abdecken. Der andere Pilot kann genau das Gegenteil machen.

Ein Problem gibt es dabei für Mercedes. "Für einen unserer Fahrer könnte es ein strategischer Nachteil sein. Nicht absichtlich, aber es besteht die Chance, dass ihm dann die Reifen am Ende eingehen oder wie ihn zu spät zum Stopp holen", befürchtet Wolff. Dabei könnte aber Ferrari helfen: Wenn die Italiener im Rennen so weit weg sind wie im Qualifying, fällt Mercedes nicht besonders tief.

Erschwert wird Mercedes die Entscheidung aber von den Bedingungen. Weil es im 2. Training regnete und das 3. Training verkürzt wurde, gibt es kaum Longrun-Daten. Das betrifft aber alle und könnte noch etwas Varianz in das Rennen (Startzeit 15:10 Uhr live auf RTL und Sky sowie im ORF, SRF und Live-Stream F1 TV) bringen.

Fazit: Max Verstappen ist Topfavorit. Überlebt er den Start, hat er nur noch das Mercedes-Strategie-Sandwich zu fürchten. Aber auch dafür muss Mercedes die Pace oder Safety-Car-Glück haben. Bei der Pace spricht viel für Red Bull. Ferrari ist quasi abgeschrieben. Nur wenn die Temperaturen entgegen der Prognosen extrem hoch sein sollten, könnte Mercedes für Sebastian Vettel und Charles Leclerc in Reichweite liegen.