Du warst in den letzten Jahren immer sehr kritisch, wenn wir über Max gesprochen haben...
Jacques Villeneuve: Ja, aber letztes Jahr nicht so viel. Er hat sich geändert, er ist gewachsen. Seit Monaco [2018] ist er nicht mehr derselbe Fahrer. Du kritisierst, was es zu kritisieren gibt. Und dieses Jahr ist er sehr gut gefahren. Sein Glück war, dass er Red Bull und Helmut Marko hatte, die ihn beschützt und ihm die Zeit gegeben haben, erwachsen zu werden. Große Teams machen das normalerweise nicht. Sie geben dir ein halbes Jahr und wenn du nicht klarkommst, bist du raus.

Du wirst eigentlich nicht in einem großen Team erwachsen. Doch sie haben es ihm gestattet, und das hat ihn sehr stark gemacht. Jetzt ist er sehr reif. Er weiß, wie man schnell fährt und wann man aggressiv sein muss. Und er weiß, wann es gilt Punkte zu holen wenn du nicht ganz vorne kämpfen kannst. Also weiß er auch, wann es nicht angebracht ist, aggressiv zu sein. Das zeigt viel Reife und er fährt im Moment wie ein Weltmeister.

Es wird derzeit viel darüber gesprochen, wer jetzt der beste Fahrer in der Formel 1 ist...
Jacques Villeneuve: Ach, fang jetzt nicht mit dieser Scheiße an! Das ist der dümmste Kommentar, den jemand von sich geben kann. Wer ist der Beste, wer ist der Beste? Das hängt so sehr von der Situation ab. Wenn du dir Lewis anschaust, war er in jedem Auto und jedem Team gut. Das ist normalerweise etwas sehr Positives. Bei Max wissen wir nicht, wie er in einem anderen Team wäre, ob er ohne diese Umgebung immer noch schnell wäre. Und er hat auch noch keine Weltmeisterschaft gewonnen. Also, lass uns den Ball mal flachhalten. Das Potential ist da, aber du kannst diese Dinge nicht vergleichen.

Dann lass es uns anders machen. Wenn du Teamchef eines Top-Teams wärst, wen würdest du holen? Du hast die Wahl.
Jacques Villeneuve: Ah, ich weiß wirklich nicht. Das würde davon abhängen, welches Budget mir zur Verfügung steht. [lacht] Und es hängt davon ab, was es für ein Team ist. Ist es eins, welches das Potential hat ein Top-Team zu werden und einen Fahrer braucht, der es nach oben bringt, oder ob es ein Team ist, das schon dort ist und nur zwei Top-Fahrer braucht, die Rennen gewinnen. Das hängt wirklich von der Situation ab. Und du brauchst natürlich auch zwei Fahrer, die gut zusammenarbeiten. Denn du kannst die zwei besten Fahrer der Welt zusammenstecken, aber wenn sie sich nicht verstehen, wird das Team scheitern.

Glaubst du, dass Max jetzt seinen Zenit erreicht hat, oder kommt da noch mehr?
Jacques Villeneuve: Er ist wahrscheinlich fast da. Jetzt geht es nur noch darum, das zu perfektionieren, was er hat. Ich denke, er hat seinen Platz gefunden.

Es wird deshalb auch viel über seinen Teamkollegen gesprochen. Pierre Gasly war im Qualifying neun Zehntel hinter ihm...
Jacques Villeneuve: Aber das ist schon die ganze Saison der Fall. Es überrascht mich, wie verständnisvoll Red Bull mit ihm ist. Sie waren sonst nie so. Normalerweise hätten sie ihm sechs Monate gegeben und ihn dann ausgetauscht. Aber das zeigt, dass sie glücklich mit Max sind. So wie Mercedes mit Lewis. Sie wollen nicht aus der Balance bringen, wie das Team im Moment mit Max arbeitet. Und das bedeutet, dass sie niemanden haben, mit dem sie ihn [Gasly] ersetzen könnten.

Glaubst du, dass Max in dieser Form noch ein Wörtchen um den WM-Titel mitreden kann?
Jacques Villeneuve: Das Problem ist, dass Honda in der zweiten Saisonhälfte Strafen kassieren wird. Sie haben einen Motor, der nur drei oder vier Rennen hält. Nur deshalb haben sie diese Power. Sie versuchen gar nicht, sieben Rennen zu schaffen. Mercedes und Ferrari könnten das, und haben 30 PS mehr.