Passion vor Portemonnaie. Auf gut Deutsch: Leidenschaft vor Geldbeutel. So lässt sich Sebastian Vettels Meinung zur Zukunft der Formel 1 in Deutschland auf einen knackigen Slogan eindampfen. Nach seinem Husarenritt vom zwanzigsten Startplatz auf Platz zwei im F1-Rennen in Hockenheim am Sonntag feuerte der Ferrari-Star ein flammendes Plädoyer für die Zukunft seines Sports - aktuell kein Vertrag für 2020 - in seiner Heimat ab.

"Ich hoffe, dass wir dieses Rennen nicht verlieren. Nicht nur wegen Nico [Hülkenberg] und mir, sondern auch wegen der deutschen Zuschauermenge, die wir heute und gestern da draußen sehr leidenschaftlich erlebt haben", sagt Vettel. "Jede Menge Leute waren da. Es war heute trotz des Wetters ausverkauft. Ich denke, dass wir ein großartiges Rennen hatten und es echt Schade wäre, es zu verlieren."

Vettel wirbt für Formel-1-Verbleib in Hockenheim

Auch Vettel ist zumindest grob informiert, dass es aktuelle nicht allzu rosig aussieht. Immerhin sind optimistische Töne - etwa von DMSB-Präsident Hans-Joachim Stuck bei Motorsport-Magazin.com: ("Die Chancen für ein Rennen 2020 stehen nicht schlecht" - rar gesät.

"Ich bin nicht ganz sicher, was in Zukunft passieren wir, ob es noch eine Chance gibt, es zu halten", sagt Vettel. "Aber ganz gewiss: Wenn es um Leidenschaft und Mühe geht, welche die Leute in dieses Rennen stecken, dann ist es ziemlich weit vorne dabei", wirbt der Hesse für den Deutschland GP, speziell auch den Betreiber des seiner Heimat Heppenheim nahen Hockenheim.

Hockenheim braucht Support: Risiko zu groß

Gerade in Hockenheim treffen es Leidenschaft und Mühe auf den Kopf. Kein Mäzen, kein windiger Promoter managt am Hockenheimring selbst größte Events wie es die Formel 1 eben ist. Sondern etwas, was auch den Wirtschaftsstandort Deutschland auszeichnet - ein mittelständisches Unternehmen. Das bringt Sympathie, aber auch weniger Risikobereitschaft. Einen Verlust will man in Hockenheim in keinem Fall mit der F1 erwirtschaften. Man will die Königsklasse, aber nicht mit riesigem Risiko.

Genau deshalb kann man nicht die bis zu 15 Millionen Euro geforderten Antrittsgebühren zahlen, benötigt hier ein Entgegenkommen der Formel 1. Oder aber anderweitige Hilfe. Für 2018 kam sie von Mercedes, das eine Drei-Millionen-Lücke überbrückte. Zur Regel soll das jedoch nicht werden. "Vor allem unterhalten wir ein Rennteam", winkt Teamchef Toto Wolff ab.

Mercedes: Lösung wie 2018 wird nicht die Regel

"Wir sind aber in keiner Position das [den spontanen Deal für 2018, Anm. d. Red.] weiterzuführen. Denn ich denke auch, dass wir nicht in das Geschäft von Liberty und der F1 hineinfunken sollen. Es liegt an ihnen, zu entscheiden, welche Strecken drin sind und welche nicht", erklärt Wolff. Ja, für Daimler als deutsches Unternehmen sei der Deutschland GP wichtig. "Wir können da aber nicht reinfunken. Wir können sie aber ermutigen, dass sie sich den Deutschland GP ansehen. Aber Chase [Carey, F1-Boss, Anm. d. Red.] muss entscheiden."

Neben der Wirtschaft ein zweiter - zumindest potentieller - Unterstützer ist der Start. In Frankreich etwa wird der Grand Prix mit einer zweistelligen Millionensumme subventioniert. Doch in Deutschland sieht es gänzlich anders aus. Für Hockenheimring-Geschäftsführer Georg Seiler völlig unverständlich.

Hockenheim-Chef versteht Autoland Deutschland nicht

"In Baden Württemberg wurde das Automobil erfunden, es gibt zwei große Hersteller in der Region und wir bekommen weder Geld von der Region, noch von Land oder Bund. Im Gegenteil, wir werden manchmal mitzusätzlichen Steuern bestraft. Das ist nicht nachvollziehbar", sagt Seiler im Interview mit Motorsport-Magazin.com.

Mick Schumacher begeistert Fans mit Hockenheim-Showrun: Ein zweiter Schumi-Hpye könnte dem Deutschland GP auch helfen, Foto: Ferrari
Mick Schumacher begeistert Fans mit Hockenheim-Showrun: Ein zweiter Schumi-Hpye könnte dem Deutschland GP auch helfen, Foto: Ferrari

Auch Vettel wünscht sich Support von ganz oben. "Die Leute sollten nach gesundem Menschenverstand entscheiden und nicht danach, wie weit sich das Portemonnaie öffnet. Ich denke, dass wir Grands Prix haben, die wir nicht verlieren dürfen, wie auch das Rennen in Silverstone in Großbritannien", sagt der Ferrari-Star.

Vettel will keine Millionen-Rennen vor leeren Tribünen

"Ich denke, auch Deutschland und Spanien haben einen lange Renngeschichte, also wäre schade, sie zu verlieren - und stattdessen an einen Ort zu gehen, wo sie Millionen für das Rennen bezahlen, aber dann niemand auf den Tribünen sitzt. Das ist auch für uns als Fahrer langweilig, hier haben wir mehr Spaß."

Ohne eigene Handlungsoption, aber ähnlich verwundert wie Seiler, äußert sich Jean Todt. Der FIA-Präsident bei einem kleinen Meeting in Hockenheim, bei dem auch Motorsport-Magazin.com dabei war: "Weil es eine kommerzielle Frage ist, bin ich da nicht direkt involviert. Aber ja. Ich sehe es sehr deutlich so, dass Deutschland das Land mit dem vielleicht besten Verständnis für den Automobilbau der ganzen Welt ist. Sie sollten einen Formel-1-Grand Prix haben."

FIA-Präsident Jean Todt: Deutschland sollte Formel 1 haben

Todt weiter: "Das kostet eben etwas. Wenn die Leute nicht in der Lage sind, zu bezahlen, was bezahlt werden muss, dann verstehe ich das nicht." Betreiber wie Hockenheim allein hätten heutzutage einen kniffligen Job. "Denn ein paar Rennen sind durch Zuschauer finanziert, aber auch einige, weil die Regierung unterstützt und es gute Werbung für das Land ist."