Sebastian Vettel holte sich mit seinem zweiten Platz im Formel-1-Rennen auf dem Hockenheimring ein großes Stück Selbstvertrauen zurück. Nach dem Qualifying-Debakel vom letzten Startplatz in den Grand Prix gegangen, sorgte der Lokalmatador mit seiner Fahrt aufs Podest für Jubelstürme im Motodrom und eine kleine Wiedergutmachung des Debakels 2018. Die Offensive kam spät, aber mit voller Wucht.

Vom 20. Startplatz aus stand Vettel ohnehin schon vor der schwerstmöglichen Aufgabe, als der Regen am Sonntagvormittag ihm eine weitere Herausforderung stellte. Die war ihm allerdings nicht ganz unwillkommen: "Ich hatte mich sehr auf das Rennen bei diesen Bedingungen gefreut. Da kann alles passieren. Aber das Rennen stellte sich dann doch als viel verrückter heraus, als ich vorher gedacht hatte."

Glücklicherweise war er anders als vor zwölf Monaten nicht teil des Wahnsinns. Vielleicht brauchte Vettel auch deshalb eine ganze Weile, bis es für ihn nach vorne ging. Denn zunächst verlief das Rennen des Ferrari-Piloten eher schleppend, um es vorsichtig auszudrücken. Nach der ersten Runde lag er auf Platz 14, einen Umlauf später legte er mit seinem ersten Strategie-Call das erste Puzzelteil im Chaos richtig.

Vettels Aufholjagd gerät ins Stocken: Kein Weg vorbei an Räikkönen

"Es mussten viele Entscheidungen getroffen werden, es gab viel Kommunikation zwischen Auto und Kommandostand", so Vettel, der die durch Sergio Perez' Unfall ausgelöste Safety-Car-Phase als erster Pilot für den Wechsel von Regenreifen auf Intermediates nutzte. Auf dem Compound für Mischbedingungen ging es für ihn dann aber nicht wirklich vorwärts.

Für den Restart war Vettel Zwölfter und hatte zu diesem Zeitpunkt bereits den Gegner vor sich, der ihm viel länger als ihm lieb war vor der Nase herumfahren würde: Kimi Räikkönen. Der Iceman und Vettel bahnten sich im Formationsflug den Weg durchs Feld, bis sie in Runde acht auf den Positionen sechs und sieben ankamen.

Doch während Charles Leclerc an der Spitze die Jagd auf Max Verstappen und das Mercedes-Duo eröffnete, versauerte Vettel hinter seinem ehemaligen Ferrari-Teamkollegen. In Runde acht noch 1,6 Sekunden zurück, zog ihm der Finne im Alfa Romeo sukzessive davon. Bis zu sechseinhalb Sekunden enteilte er Vettel.

"Ich denke nicht, dass es ein Problem gab. Aber am Anfang habe ich auf den Intermediates einfach nicht den Dreh rausbekommen", so Vettel über seine Anlaufschwierigkeiten. In Runde 23 wechselte er als zweiter Pilot nach Kevin Magnussen von Intermediates auf Slicks. Ein Strategie-Schachzug, der diesmal nicht aufging.

Vettel geht erst nach Fehler von Räikkönen vorbei

"Wir sind ruhig geblieben und haben versucht, das Beste zu tun. Meistens lagen wir richtig, manchmal falsch. Aber wir sind sauber geblieben", erklärt Vettel, der schlussendlich erst im Zuge der von Leclercs Unfall ausgelösten Safety-Car-Phase wieder in Schlagdistanz zu Räikkönen kam. Nur hatte sich die Wetterlage wieder verschlechtert, sodass er den Soft-Reifen wenig später gegen Intermediates zurücktauschte.

Nach dem Restart in Runde 34 ging das Katz-und-Maus-Spiel mit Räikkönen weiter. Diesmal allerdings blieb Vettel dran. Der Positionstausch erfolgte erst durch Räikkönens Ausritt in Runde 39. Doch auch der war nur vorübergehend. Eine Runde später löste Nico Hülkenberg mit seinem Fahrfehler in Kurve 15 die nächste Gelbphase aus.

Wechsel auf Slicks erlöst Vettel

Vettel nutzte die Neutralisierung für einen Reifenwechsel, bleib aber auf Intermediates. Dadurch viel er vom sechsten auf den zehnten Platz zurück. Die Wende kam in Runde 47. Die Streckenoberfläche war weit genug abgetrocknet, um ein zweites Mal den Versuch auf Slicks zu wagen. Vettel zog erneut Soft auf.

"Es war unglaublich, sehr schwer einzuschätzen was die Bedingungen angeht. Ob es trocken ist oder nicht, weil Reifen ja auch abgebaut haben. Ich bin dann irgendwann auf Slicks gewechselt. Der beste Indikator waren die Zuschauer - ob sie die Regenschirme aufgespannt hatten oder nicht", erklärte er.

Der Plan ging auf. "Am Ende kam ich auf dem Trockenreifen bei Mischbedingungen richtig in Schwung. Ich stellte fest, dass ich eine ganze Ecke schneller war und freute mich, dass ich andere überholen konnte. Es war ziemlich klar. Ich war ein bisschen schneller und hatte das richtige Timing", so Vettel, der innerhalb weniger Runden Gasly, Magnussen und Albon kassierte und so von der neunten auf die sechste Position vorrückte.

Vettel fährt Verstappen-Pace

"Ich sah einige Piloten, die in der ersten Kurve sehr vorsichtig waren, und dort gab ich alles. Das klappte gut, denn so kam ich in DRS-Reichweite", erklärt er seine Taktik in dieser entscheidenden Phase des Rennens. Seine Rundenzeiten waren auf dem Soft-Reifen über weite Strecken auf dem Niveau des in Führung liegenden Verstappen.

Seine Jagd auf Carlos Sainz wurde durch den Unfall von Valtteri Bottas in Runde 56 zunächst gestoppt. Doch seinen Vorwärtsdrang konnte diese letzte Safety-Car-Phase nicht aufhalten. Als das Rennen für die finalen fünf Runden noch einmal freigegeben wurde, nutzte Vettel die Gunst der Stunde und verwandelte den zu Beginn mühsamen Sonntag in eine Erfolgsgeschichte.

Finale Furioso führt Vettel aufs Podium

"Ich hatte auf der Geraden gute Manöver", sagt er. Sainz überholte er gleich in der ersten Runde nach dem Restart, Stroll war zwei Umläufe später dran, Kvyat gleich darauf. Erst da kamen auch die Vettel-Anhänger auf den Tribünen für den Ferrari-Piloten deutlich spürbar auf Touren.

"Es war großartig, die Zuschauer zu sehen. Besonders am Ende. Jedes Mal, wenn ich ein Auto überholt habe, haben sie sich richtig gefreut. Das habe ich echt genossen", so Vettel. Für den Sieg reichte es nicht mehr, doch ist davon auszugehen, dass Verstappen wohl zu jeder Zeit die richtige Antwort gehabt hätte.

Gegen Rennende drehten beide Piloten auf der Jagd nach der schnellsten Rennrunde noch einmal richtig auf. Verstappen entschied dieses Fernduell für sich. Der Rennsieger war anderthalb Zehntel schneller und sicherte sich den Punkt für die Fastest Lap. "Max hat gewonnen, also ist es kein Sieg", so Vettel.

Mit dem Ausgang des eigenen Rennens zeigte er sich nach dem schwierigen Beginn aber mehr als versöhnlich: "Ich denke, mit dem Rennen und dem Comeback, das wir hatten, können wir glücklich sein. Es war ein sehr hartes Rennen, es war einfach die Konzentration zu verlieren oder das Momentum, aber wir haben es die ganze Zeit über behalten."