Ferrari, das Sorgenkind der Formel 1. Als vermeintlich klare Favoriten in die Saison 2019 gestartet stellte sich die starke Wintertest-Form als monumentaler Trugschluss heraus. Nach zehn Rennen steht noch immer keine Siegestrophäe in Maranello, in der WM sind Sebastian Vettel und Charles Leclerc meilenweit vom dominanten Mercedes-Team entfernt.

Ferraris 2019er-Bolide SF90 gleicht vor dem Deutschland-GP einer Großbaustelle. Seit mehreren Rennen bauen die Techniker unter Teamchef Mattia Binotto Upgrades auf und wieder ab. Manche funktionieren, manche nicht. Plan oder Chaos? In Silverstone versichert Binotto, dass Ferrari Antworten habe. Wie das Wochenende aber zeigt: Vorne angekommen sind sie noch nicht.

Ferrari 2019: Formel-1-Großbaustelle im Rennen

Ferraris Drama ist 2019 vielschichtig. Zuerst einmal hat das Auto vom Saisonstart weg einfach nicht genügend Grip, besonders im Vergleich mit der Konkurrenz von Mercedes und Red Bull. Zwar erzeugen sie ihren Abtrieb aerodynamisch effizient, aber nicht genug davon. Der SF90 ist daher schnell, solange es geradeaus geht, doch manche Kurventypen mag er gar nicht.

Der Ferrari will als Folge nicht in die Kurven einlenken, er untersteuert zu stark. Das tut den Vorderreifen weh. Die Versuche, das mit dem Setup auszugleichen, gestalten sich für die Fahrer schwierig. Besonders aufseiten Vettels, der 2019 wieder und wieder über den fehlenden Grip und fehlende Balance klagt. Im Qualifying profitiert man von einem starken Motor, doch der fehlende Grip kostet im Rennen.

"Unsere Quali-Pace scheint ziemlich stark, aber unsere Renn-Pace braucht Arbeit", erkennt Charles Leclerc. "Red Bull scheint besser darin zu sein, die Reifen länger am Leben zu halten." Ferrari radierte in Silverstone die Vorderreifen im Renn-Trimm aus, und Leclerc musste tief in die Trickkiste greifen, um einen starken Red Bull mit Max Verstappen hinter sich zu halten. Es braucht passende Strecken. Mit Geraden, einfachen Kurven, nur dann ist der SF90 in seiner gegenwärtigen Konfiguration siegfähig.

Ferrari sucht Konstanz - nicht alle neuen Teile funktionieren

Um überall schnell zu sein, braucht Ferrari schlichtweg ein besseres Auto. "Barcelona war wohl der Tiefpunkt, danach haben wir mehrere Änderungen und Modifikationen ans Auto gebracht", erklärt Mattia Binotto Motorsport-Magazin.com. Anstatt zu helfen hinterließen diese Upgrades aber Fragezeichen.

Der Ferrari-Frontflügel in der Frankreich-Spezifikation, Foto: LAT Images
Der Ferrari-Frontflügel in der Frankreich-Spezifikation, Foto: LAT Images

In Frankreich kam ein großes Paket, unter anderem mit neuem Unterboden und Flügel. Der Unterboden wurde nach dem Training wieder abgebaut. In Österreich kam er wieder, und war nach dem Training wieder weg. Fazit: Fehlschlag. Die Flügel blieben dran, sie funktionierten. Weiteres Fazit daher: Auch bei den Upgrades ist Ferrari inkonstant.

Ferraris Problem: Windkanal-Daten nicht gleich Strecke

Just der Unterboden-Fehlschlag soll diesem Auf und Ab jetzt ein Ende bereiten. "In Österreich haben wir getestet, um zu verstehen, was mit dem Unterboden nicht stimmt", erklärt Binotto. "Und wir haben von diesem Test selbst wichtige und signifikante Antworten bekommen. Jetzt wissen wir, warum er nicht funktioniert hat."

Zuletzt hielten sich Gerüchte, wonach Ferrari von ihrem Windtunnel falsche Daten - sogenannte Fehlkorrelationen, falsche Zusammenhänge - bekommen hätte. "Ich kann nur sagen, dass es unter bestimmten Bedingungen etwas gegeben haben könnte ... da ist es falsch, von Fehlkorrelationen zu sprechen", spielt Binotto das Problem in Silverstone herunter. Trotzdem räumt er ein: "Aber wir haben auf der Strecke nicht vorgefunden, was wir vom Windtunnel erwartet haben."

Genauer kann es Binotto natürlich nicht öffentlich ausführen. Daher bleibt es bei: "Die Rahmenbedingungen müssen wir anpassen, damit es unter allen Bedingungen aussagekräftiger ist." Das alles scheint zu bedeuten: Irgendetwas stimmt bei den Windkanal-Tests nicht, vielleicht waren die Test-Vorgaben schlecht. Aber zumindest konnte man das rückblickend nachvollziehen, und kann die Vorgaben für die Zukunft korrekt einstellen.

Ferrari verspricht Upgrades: Mühsamer Weg an die Spitze

Die Ferrari-Konkurrenz sucht jedoch keine Fehler mehr. Red Bull hat mit ihren letzten Upgrades ins Schwarze getroffen, ist das genaue Gegenteil von Ferrari. "Ich glaube, unser Paket und ihr Paket sind sehr eng beieinander", gibt Binotto zu.

In Silverstone und Österreich schien der RB15 stärker, obwohl das Power-Strecken sind - und Honda nach wie vor ein Leistungsdefizit hat. So groß war der Verlust von Ferrari abseits der Geraden. "Rückblickend ist es enttäuschend", so Binotto nach Silverstone. "Wir haben ein besseres Ergebnis erwartet, aber die Pace war nicht gut genug."

Red Bull erhöht in den letzten Rennen den Druck, Foto: LAT Images
Red Bull erhöht in den letzten Rennen den Druck, Foto: LAT Images

Doch mit Antworten bewaffnet wähnt sich Ferrari wieder auf dem Weg nach vorne. Im Qualifying kämpften sie zuletzt zweimal um die Pole, in Österreich und auch in Großbritannien. "Es ist ja nicht so, dass wir das Auto nach Spanien nicht angegriffen haben, und erst später Upgrades kommen", sagt Binotto. "Das Auto hat sich bereits verbessert, wurde bereits entwickelt." Ab jetzt sollen auch die Fehlschläge bei den Upgrades Geschichte sein.

"Es ist eine laufende Entwicklung", will Binotto gegenüber Motorsport-Magazin.com beruhigen. "Der Unterboden ist eine Komponente, aber nicht die einzige. Ich glaube, es war wichtig zu verstehen, warum er nicht funktioniert hat, um uns von dort weg weiter zu verbessern, weiter zu entwickeln."

Wenn die Antworten stimmen, sollte Ferrari zumindest bald wieder zurück auf die Siegerstraße finden. Den Weg zur WM dürften sie sich aber bereits hinreichend verbaut haben.