In den Diskussionen um Max Verstappens Manöver gegen Charles Leclerc gingen die heimlichen Helden des Formel-1-Rennens in Österreich fast unter. Lando Norris und Carlos Sainz sorgten auf dem Weg zu einem weiteren Top-Ergebnis für McLaren für mächtig Spektakel. Der Rookie duellierte sich auf dem Weg zu Platz sechs frech mit Lewis Hamilton, sein Teamkollege legte vom letzten Startplatz eine furiose Aufholjagd hin und wurde Achter.

"Es war ein kurzer Kampf gegen die Jungs, die schneller sind als wir", so Norris über sein Duell mit dem Weltmeister gleich nach dem Start. Der 19-Jährige hatte in Kurve eins auf der Außenbahn die bessere Linie erwischt und konnte nicht anders, als Hamilton zu kassieren: "Ich war trotzdem nervös. Ich dachte mir, werde ich abgedrängt oder nicht?"

Doch Hamilton musste dem jungen Landsmann notgedrungen den Vortritt lassen. Auf dem Weg hoch zu Kurve drei beschleunigte der Mercedes-Pilot Norris zunächst wieder aus, doch der hielt in der Spitzkehre noch einmal innen rein. "Ich hatte Vertrauen in Lewis, besonders in der Situation, in der er ist. Ich kann in gewisser Weise schon mehr Risiko eingehen als er", sagt Norris.

Beim Run auf Turn 4 entledigte sich Hamilton dem McLaren-Youngster, der in einer ungünstigen Position auch noch Kimi Räikkönen im Alfa Romeo passieren lassen musste: "Ich bin vielleicht etwas weiter zurückgefallen, als ich es wollte. Aber es war die sichere Option, und das aus gutem Grund."

Weiser Rookie Norris: Kurve eins nicht entscheidend

Im derzeit stärksten Auto des Mittelfeldes entschied Norris in seinem erst neunten Formel-1-Rennen weise. "Ich bin entschlossener das Rennen zu Ende zu fahren, als ich es in den ersten Kurven bin. Das Rennen zu fahren, die Batterie und die Reifen einzuteilen, da kannst du mehr rausholen als bei dem Versuch, in Kurve eins eine Position gutzumachen und dabei etwas Dummes zu riskieren", sagt er.

Nach einem kurzen Schlagabtausch mit den sich auf der Durchreise befindenden Verstappen und Vettel fuhr Norris gegen Räikkönen und Gasly sein eigenes Rennen. Dem Iceman entledigte er sich relativ problemlos, Verstappens Teamkollege hingegen beschäftigte ihn länger: "Ich wusste, dass es schwer werden würde, denn ihr Auto ist sehr gut, vor allem was die Reifen angeht."

Um Gasly auf Abstand zu halten, setzte McLaren bei der Strategie auf Risiko. Trotz der Gluthitze in Spielberg setzte Norris für seinen zweiten Stint auf Medium statt auf Hard. "Der hält natürlich nicht so lange, aber wir brauchten eine anständige Pace", so Norris, der die Taktik mit der richtigen Einteilung seines Rennens zum Erfolg führte.

Norris hält Gasly sicher auf Abstand

"Er war erst näher dran als ich dachte, aber ich habe einfach getan, was ich tun musste. Ich habe auf meine Reifen aufgepasst und musste auch nicht übertrieben pushen, um ihn hinter mir zu halten. Nur aus Kurve eins musste ich einen guten Exit erwischen, um ihm aus dem DRS rauszuhalten."

Im Ziel hatte er sechs Sekunden Vorsprung auf den Red Bull. "Wir haben alles was notwendig war gemacht und die Punkte geholt", freut sich Norris. Sein viertes Punkteresultat im neunten Rennen katapultierte ihn an die achte Position in der Weltmeisterschaft, gleich hinter den Teamkollegen.

Lando Norris kämpfte eine Weile mit Kimi Räikkönen, Foto: LAT Images
Lando Norris kämpfte eine Weile mit Kimi Räikkönen, Foto: LAT Images

Sainz taktiert sich durchs Feld

Der erlebte seinerseits einen überaus erfolgreichen Sonntag, obwohl nach einer Startplatzstrafe für einen Motorenwechsel das Wochenende schon vor dem ersten Training gelaufen schien. Nach 71 Runden holte er als Achter tatsächlich WM-Punkte. " Ich bin sehr, sehr glücklich - und etwas überrascht, denn wir hatten heute eine heftige Pace", sagt Sainz.

Der Spanier verhielt sich in der ersten Rennhälfte unauffällig und schlug mit der richtigen Strategie zu, statt auf der Rennstrecke von Anfang an Attacke zu machen: "Ich habe vom Start weg die Reifen gemanagt, ich wollte ein großes Reifen-Delta für den zweiten Stint meines Rennens haben. Ich wusste, dass ich mit dem Reifenabbau immer besser werde."

Sainz kam erst in der 41. Runde zum Wechsel von Medium auf Hard an die Box. "Wir waren fast perfekt. Ich würde sagen, es war eine Runde zu spät, denn auf der Inlap waren meine Reifen im Eimer", so der 24-Jährige. "Aber dadurch wurde das Reifendelta nur noch größer. In den letzten 30 Runden war ich fast eine Sekunde pro Runde schneller als der Rest des Mittelfeldes."

Sainz flüchtet vor Verstappen und Leclerc

Tatsächlich schickte er sich an, sogar den eigenen Teamkollegen noch abzufangen. "Selbst Verstappen und Leclerc konnten mich nicht überrunden bis ganz zum Schluss, denn ich habe versucht sie hinter mir zu halten."

Kurz bevor er zum Angriff blasen konnte, machte ihm sein Auto jedoch einen Strich durch die Rechnung. "Als ich auf drei Sekunden dran war, brach etwas an meinem Frontflügel. Ich habe dadurch viel Balance verloren, es fehlte ein ganzer Flap. Ich habe es dann nur noch auf Platz acht nach Hause gefahren."

Ansonsten wäre sogar noch mehr möglich gewesen. "Ich hatte eine echt gute Pace, ich weiß nicht warum", so Sainz mit einem ungläubigen Lachen: "Ich hätte sie sicherlich eingeholt, aber ob ich auch vorbeigegangen wäre, werden wir nie erfahren. Je weiter du nach vorne durchkommst, desto schwieriger wird es."

McLaren hatte Renault an den vergangenen Wochenenden locker im Griff, Foto: LAT Images
McLaren hatte Renault an den vergangenen Wochenenden locker im Griff, Foto: LAT Images

McLaren verschafft sich Luft auf Renault

In der Konstrukteursweltmeisterschaft hat sich McLaren mit dem Doppelschlag auf dem Red Bull Ring noch einmal ordentlich Luft auf Verfolger Renault verschafft. Die Franzosen liegen als Fünfter nun 20 Punkte hinter ihrem eigenen Kunden und müssen sich eher nach hinten orientieren, denn dort hat Alfa Romeo auf zehn Punkte aufgeschlossen.

"Es ist ein großartiges Resultat für McLaren und wir haben wichtige Punkte geholt, um unseren vierten Platz in der Weltmeisterschaft zu festigen", sagt Teamchef Andreas Seidl. "Die Positionen sechs und acht waren wohlverdient und haben uns zum zweiten Mal in Folge als vierte Kraft bestätigt."

Im sich ständig bewegenden Mittelfeld mahnt Norris jedoch, stets für die nächste Attacke gewappnet zu sein. "Wie wir im Q3 gesehen haben, war Alfa extrem dicht dran. Ein kleiner Verbremser, das kleinste Übersteuern, schon wäre ich hinter beiden gelandet. Wenn wir den kleinsten Fehler machen oder uns auch nur für eine Minute ausruhen, sind sie vor uns."