Wie sieht ihre Analyse des zweiten Trainings aus?
Helmut Marko: Gott sei Dank haben wir das, was wir wissen wollten, erfahren. Und es war ein bisschen ein böenartiger Wind. Der hat ihn [Max Verstappen] auf einer ungünstigen Stelle erwischt und dann ist er da halt abgeflogen, mit einem ziemlichen Schaden.

Dem Fahrer kann man in dem Fall also keinen Vorwurf machen? Oder könnte man das spüren?
Helmut Marko: Nein. Als er es gefühlt hat, war es schon zu spät. Wir haben ja Bottas und Vettel gesehen. Da waren ein paar, die von der Strecke abgekommen sind. Sainz auch, so wie ich das gesehen habe. Ich weiß es nicht. Ist es nur der Wind, sind es die Reifen, oder ist es die Strecke? Aber so hatten wir mal ein ereignisreiches Training.

Wie teuer war es? Im ersten freien Training gab es ja auch schon Probleme mit den Kerbs...
Helmut Marko: Ja, nicht nur bei uns. Aber ja, der Schaden ist schon beträchtlich. Gott sei Dank lernt man davon. In der Kurve vier sind die Kerbs weg und es ist anzunehmen, dass über Nacht vielleicht noch andere verschwinden werden.

Aber kann man da nicht einfach sagen, dass die Kerbs die Streckenbegrenzung sind und man sich davon fernhalten muss?
Helmut Marko: Das kann man schon sagen. Aber die Verlockung, und es ist ja nicht unbedingt jedes Mal eine Beschädigung. Wenn man die Kerbs richtig über- oder umfährt, ist immer noch die Möglichkeit, dass nichts passiert.

Von welch einer Größenordnung sprechen wir jetzt eigentlich bei den Teilen, die kaputtgegangen sind?
Helmut Marko: Da müssen wir jetzt genau schauen, aber das sind schon beträchtliche Summen. Aber ich habe gehört, dass beim GT Masters auch immense, hunderttausende Euro Schaden waren bei den GT-Autos. Ich glaube, diese Kerbs sind keine Notwendigkeit. Es ist ja genug Strecke da und wenn man herausrutscht, verliert man sowieso die Zeit.

Sind das eigentlich Auflagen oder ist das etwas, dass der Red Bull Ring selbst gemacht hat?
Helmut Marko: Das weiß ich nicht genau, wie das entstanden ist. Aber ich glaube, mit gutem Willen wäre das nicht notwendig.

Sie haben gesagt, dass Red Bull alle Antworten bekommen hat. Wie sieht es bei Ihnen jetzt aus?
Helmut Marko: Wir sind vorsichtlich optimistisch. Gasly hat die drittschnellste Zeit. Okay, da sind Vettel und Verstappen ausgefallen. Aber das Auto liegt gut, und wir hatten ja noch unsere Trainingsmotoren. Gut, die anderen werden auch aufdrehen. Aber generell sind wir leicht optimistisch.

Bedeutet das Ferrari zu schlagen oder ist sogar Mercedes hier in Reichweite?
Helmut Marko: Wir müssen morgen schauen, wenn Verstappen auf der kompletten Rennkonfiguration auf der Strecke ist - wir haben verschiedene Teile. Dann können wir mehr sagen, ob nur Ferrari oder ob wir in die Nähe von Mercedes kommen. Aber wenn ich mir die Longruns von Hamilton anschaue, dann glaube ich es eher nicht.

Welche neuen Teile haben Sie hier am Auto?
Helmut Marko: Einige, die kaputtgegangen sind.

Bekommen sie die wieder fertig bis Samstag?
Helmut Marko: Ja.

Gaslys Auto wurde einmal auseinandergebaut. Haben sie da etwas gefunden?
Helmut Marko: Das war nichts. Die Schlussfolgerung war, mit der Abstimmung von Verstappen zu beginnen und die dann so wenig wie möglich auf seine Anforderungen zu adaptieren. Und das hat ja funktioniert.

Dr. Helmut Marko: Wir brauchen wieder gesunden Menschenverstand (09:32 Min.)

Noch kurz eine Frage zum Pirelli-Meeting heute Morgen. War das ein enttäuschendes Ergebnis für Sie?
Helmut Marko: Ja, das war eher enttäuschend, aber eigentlich nicht anders zu erwarten. Wobei der Vorschlag von Alexander Wurz, der über Grosjean eingebracht wurde, sehr vernünftig war, einen Prototyp-Reifen zu bringen, den die Teams benutzen oder nicht benutzen können. So hätten wir zumindest Erfahrungen sammeln und testen können, ob so ein Reifen etwas bringt.

Aber dieser Vorschlag ist ja noch nicht ganz vom Tisch, oder?
Helmut Marko: Über diesen Vorschlag wurde noch nicht abgestimmt. Das müsste von der FIA aufgegriffen werden.

Das wäre dann aber nur für das FP1 ein Reifensatz?
Helmut Marko: Nein, der wäre dann da. Pirelli bringt genug mit und wie kann man ihn dann verwenden, im Rennen. Sie bringen drei Reifenmischungen und anstelle der normalen dritten, die wahnsinnig oft nicht verwendet werden, hätte man diesen Satz, den man sonst nur als Prototyp im FP1 verwenden kann. Vielleicht passt er für ein Team oder vielleicht ist er zu weich und du musst eine Zweistopp-Strategie machen. Aber es hätte zumindest mal Bewegung gegeben.

Aber die Hoffnung ist was das angeht nicht allzu groß, oder?
Helmut Marko: Nein, es wird immer von 2021 geredet und man sieht nicht die Fadesse, die momentan herrscht. Ich sage mal so, Sport und Hausverstands-Entscheidungen sind nicht die Stärke.