Noch vor dem 1. Freien Training zum Österreich GP 2019 ging es im Formel-1-Fahrerlager heiß her. Um 09:00 Uhr morgens trafen sich alle Teams zusammen mit Pirelli zum Reifen-Gipfel. Das Meeting war so wichtig, dass sich selbst Lewis Hamilton und Sebastian Vettel nicht nehmen ließen, persönlich zu erscheinen.

Mehr als eine Stunde wurde diskutiert und abgestimmt, am Ende stand es 5:5. Fünf Teams sprachen sich für neue Reifen noch während der Formel-1-Saison 2019 aus, fünf wollen den Status quo beibehalten.

Knackpunkt sind die Laufflächen der sensiblen Pirelli-Pneus. Schon im vergangenen Jahr brachten die Italiener zu drei Rennen mit besonders hohen lateralen Kräften Spezial-Reifen, die aufgrund 0,4 Millimeter dünnerer Laufflächen nicht so stark zum Überhitzen neigten.

Dr. Helmut Marko: Wir brauchen wieder gesunden Menschenverstand: (09:32 Min.)

Die 2019er Reifengeneration basiert auf diesem rund zehn Prozent dünneren Laufflächenprofil, um Blistering und Überhitzen zu vermeiden. Nach der erdrückenden Mercedes-Dominanz in den ersten acht Rennen erklärt sich die Konkurrenz ihre Chancenlosigkeit mit den Reifen.

"Mit dieser geringen Gummiauflage kommen neun Teams nicht zurecht", klagte Red Bull Motorsportberater Dr. Helmut Marko am Mikrofon von Motorsport-Magazin.com und fügte an: "Mercedes schafft es unter allen Bedingungen - egal welche Temperaturen herrschen, egal welche Strecke, egal welcher Belag, egal welche Gummimischung -, das Optimum herauszuholen."

5:5 - Red Bull und Ferrari-Kunden nicht genug

Red Bull und Ferrari initiierten deshalb in den letzten Wochen einen Reifenaufstand. Sieben der zehn Teams hätte man auf seiner Seite benötigt, um Pirelli zu einer Rückkehr zu dickeren Laufflächen bewegen zu können. Nur bei einer Zustimmung von mindestens 70 Prozent können während der Saison Änderungen an den Reifen vorgenommen werden - außer es handelt sich um Sicherheitsbedenken.

Allerdings standen Ferrari und Red Bull auf verlorenem Posten: Nicht nur Mercedes votierte gegen die Änderung, auch die beiden Kundenteams Racing Point und Williams. Damit reichte ein weiterer Gegner, um den Aufstand abzuschmettern. Neben dem Renault Werksteam sieht auch McLaren keinen Grund, die Reifen zu ändern. Als Befürworten blieben somit nur Red Bull und Toro Rosso, sowie Ferrari und die beiden Kundenteams Haas und Alfa.

Pirelli kritisiert Aufstand: Ging nur um Show

"Es ging hauptsächlich darum, wie man die Show verbessern kann", kritisierte Pirellis Formel-1-Chef Mario Isola. "Es wäre nicht die richtige Entscheidung gewesen, deshalb bin ich froh, dass fünf Teams dagegen waren", so der Italiener weiter.

"Es wäre ein großes Risiko gewesen", meint Racing Points Technikchef Andrew Green. McLaren Teamchef Andreas Seidl sah den Vorschlag ebenfalls kritisch: "Wir haben kein generelles Reifenproblem. Wir haben nur drei Topteams mit etwa gleichen Ressourcen, von denen eins einen deutlich besseren Job macht als die anderen beiden."

Red Bulls Chefingenieur Paul Monaghan sieht es erwartungsgemäß anders. "Sie machen einen ordentlichen Job, sie gewinnen jedes Rennen und die Reifen bleiben am Leben", schickte Monaghan mit leichter Ironie Richtung Pirelli voraus. "Aber ich hätte gerne die 2018er Reifen zurück - für den Sport! Ich glaube nicht, dass es ein so großes Risiko wäre."

Möglicherweise wird es in den nächsten Wochen weitere Meetings geben. Ganz aufgegeben haben die Reifen-Gegner nämlich noch nicht. Es geht auch um die Pneus für 2020. Das Testprogramm dafür läuft bereits auf Hochtouren. Beispielsweise könnte es zusätzliche Reifensätze für Trainingssitzungen geben, die dann den 2020er Pneus entsprechen. Manch einer kann sich auch vorstellen, die letzten Rennen des Jahres mit neuen Gummis zu fahren.