Die Formel 1 ist manchmal eine seltsame Welt. Auch zwei Wochen nach dem Kanada GP 2019 hält ein Zwischenfall die Königsklasse auf Trab. Weil Ferrari am Freitag nach dem 1. Training versucht, neue Beweise vorzulegen, die Sebastian Vettel entlasten sollen, dreht sich auch in Frankreich alles um die Fünf-Sekunden-Strafe, die Vettel in Montreal den Sieg kostete.

Weil Sebastian Vettel als einziger Formel-1-Pilot im Feld nicht auf Social Media vertreten ist, gab es vom vierfachen Weltmeister seit Sonntag in Montreal keinerlei Aussagen mehr. "Ich sehe es noch immer so wie nach dem Rennen", stellte Vettel schnell klar.

Doch während der Deutsche unmittelbar nach dem Rennen vor allem verärgert und enttäuscht war, ging er am Donnerstag in Frankreich immerhin etwas ins Detail. So erklärte er vor allem, warum er auch im Gras nicht komplett vom Gas ging, um wieder sicher auf die Strecke zurückzukehren.

Vettel: Schleppgas stabilisierte das Auto

"Das war Schleppgas", sagte er und erklärte: "Schleppgas ist ein instinktiv gesteuerter Prozess. Es geht darum, Drehmoment auf die Hinterachse zu geben und das Auto damit zu stabilisieren." Tatsächlich ist die Erklärung schlüssig. Geht der Fahrer vom Gas, bremst die Hinterachse leicht, weil der Motor ein Schleppmoment erzeugt. Weil nur die Hinterachse mit dem Motor verbunden ist, verliert das Auto an Stabilität.

Die Frage ist aber, wie sehr Vettel auf dem Gas stehen blieb. Man hört, Vettel habe zu viel Gas gegeben, um nur das Auto zu stabilisieren - also eher Prämisse wenig Zeit verlieren als nicht das Auto zu verlieren.

"Ich habe nicht versucht, Lewis abzudrängen", stellt Vettel aber noch einmal klar. Interessant auch die Frage, warum Vettel überhaupt in diese Situation kam. In den Runden zuvor ging er vor Kurve drei noch deutlich früher vom Gas.

Vettel versichert: Habe Hamilton nicht abgedrängt, Foto: LAT Images
Vettel versichert: Habe Hamilton nicht abgedrängt, Foto: LAT Images

Vettel erklärt: "Ich habe in manchen Runden Benzin gespart, in manchen nicht. Je nachdem, wie nah Lewis an mir dran war. Zum Glück hat Lewis auch Fehler gemacht. Immer, wenn er nah dran war, hat er sich in der Spitzkehre verbremst. Vielleicht habe ich den Fehler nur an der falschen Stelle gemacht. Vielleicht bin ich in den Runden zuvor dort früher vom Gas, weil er nicht so nah war. Aber ich habe die Kurve nach 50 Runden sicherlich nicht neu erfunden."

Möglicherweise darf er das am Freitag noch einmal vor den Stewards sagen. Um 14:15 Uhr versucht Teammanager Laurent Mekies Chefsteward Gerd Ennser und seine Kollegen zu überzeugen, dass Ferrari neue und relevante Beweise hat, die Vettel entlasten. Sehen die Stewards die Beweise tatsächlich als neu und relevant an, wird der Fall noch einmal bewertet.

Vettel: Strafe hat Rennen geändert

Doch was, wenn der unwahrscheinliche Fall eintritt und Vettel das Rennen noch am grünen Tisch gewinnt: Sind dann nicht Hamilton und Mercedes die Leidtragenden, weil Hamilton das Rennen unter falschen Voraussetzungen zu Ende fuhr? "Ich hatte nicht das Gefühl, dass er danach lockergelassen hat", meint Vettel. "Aber natürlich hat sich das Rennen von da an geändert."

Vettel sorgte nach dem Kanada GP für sensationelle Szenen, Foto: LAT Images
Vettel sorgte nach dem Kanada GP für sensationelle Szenen, Foto: LAT Images

Seine Reaktion auf die Strafe bereut Vettel jedenfalls nicht. "Emotionen sind normal, ich finde es schade, dass das heute nicht mehr so gesehen wird. Viele sind von der Leidenschaft getrieben, das ist menschlich und ich hatte mich im Griff", so der 31-Jährige.

Über seine eigene Form macht er sich jedenfalls keine Gedanken. Auslöser der umstrittenen Strafe war schließlich ein Fahrfehler - nicht sein erster. Seit Spa 2018 ist der Deutsche nun schon sieglos. "Es ist aber nicht so, dass wir die 15 Rennen seither gewinnen hätten müssen. Dann wäre ich besorgt. 2019 hatten wir zwei Chancen: Einmal war ich nicht zur Stelle [Bahrain] und einmal bin ich als Erster über die Linie gefahren."