Der Kanada GP ist noch nicht erledigt, Ferrari lässt die Szene rund um Sebastian Vettel und Lewis Hamilton neu prüfen, um den Deutschen nachträglich von seiner Strafe zu befreien, Vettel so doch noch zum ersten Saisonsieg zu verhandeln, da geht es schon mit dem nächsten Rennen weiter: Am Wochenende steht der Frankreich GP in Le Castellet auf dem Programm.

Vor dem achten Formel-1-Rennen 2019 ist die Ausgangslage durch das vorläufige Kanada-Ergebnis in Sachen WM-Stand nur noch klarer geworden. Hamilton führt mit 29 Punkten Vorsprung auf Teamkollege Valtteri Bottas und sogar 62 auf Vettel komfortabel in Führung.

Mercedes schon in Kanada im Rennen wieder da

Wird sich das auf dem Circuit Paul Ricard nun erstmals in die andere Richtung bewegen? Sprich, kann Ferrari endlich einmal Punkte aufholen? Immerhin hatte zuletzt in Kanada schon nicht gerade viel gefehlt. Auch wenn die Mercedes-Pace gegen Rennende stärker war, hatte Vettel die Pole erzielt und das Rennen ohne die Strafe gewinnen können.

Formel 1 2019: 5 Brennpunkte vor dem Frankreich GP: (09:14 Min.)

Realistisch betrachtet stehen die Chancen jedoch schlecht. Nicht nur wegen des Konjunktivs. Klar, ohne das Wissen von der Vettel-Strafe hätte Hamilton den Deutschen eher noch deutlich härter attackiert als er danach ohnehin noch versuchte. Sondern auch wegen der Strecke.

Ferrari: Paul Ricard liegt SF90 nicht

Dass Ferraris Comeback in Kanada einzig und allein am Layout gelegen hat, bezweifeln tatsächlich nicht einmal die Rotens selbst. In Frankreich werde das wieder ganz anders aussehen. "Paul Ricard war schon im vergangenen Jahr ein kniffliger Kurs für uns", erinnert Ferrari-Teamchef Mattia Binotto. "Wir wissen, dass diese Art von Strecke unserem Paket nicht gerade entgegen kommt", ergänzt Binotto.

Damit zielt das Scuderia-Oberhaupt auf die insbesondere im ersten und ganz am Ende des dritten Sektors durchaus langsamen Kurven des Circuit Paul Ricard. Pures Gift für den Ferrari SF90. Einzig die gleichzeitig vielen mittel- bis extrem schnellen Kurven (Signes!) spenden zumindest etwas Hoffnung. Die dort höheren lateralen Kräfte (s. Abschnitt Strecke unten) sollten Ferrari helfen, die Reifen auf Temperatur zu bekommen. Auch der Wetterbericht spielt hier eine offenbar helfende Rolle (s. Abschnitt Wetter unten).

Vettel: Optimismus im Konjunktiv

Vielleicht sind das die Gründe weshalb zumindest Vettel leichten Optimismus versprüht. "Letztes Jahr wurde unser Rennen auch durch einen Vorfall in der ersten Kurve beeinträchtigt", ordnet Vettel die Vorjahresperformance ein. "Ich denke, dass unser Auto schon die Pace haben kann, dort gut klarzukommen."

Vettel-Strafe erklärt: Gibt es noch Hoffnung?: (07:53 Min.)

Selbst dabei ist wieder nur die Rede von einem Kann. Keinem Wird. So wirklich glaubt Ferrari nicht daran, Mercedes in Le Castellet fordern zu können - zumal nur marginale Updates ihren Weg an den SF90 finden sollen.

Nach Kanada-Schwächen: Halten die Mercedes-Motoren?

Mercedes also einmal mehr der haushohe Favorit? Wer soll die Silberpfeile aufhalten? Red Bull dank neuen Spec-3-Motoren von Honda? Wohl kaum. Die Japaner selbst sprachen im Zuge der Ankündigung bereits von einem Plus an Power, jedoch noch nicht genug gegen die führenden Hersteller. Bleibt eigentlich nur eine Gefahr: Mercedes selbst.

Warum? Siehe Kanada. "Für uns eine Art Weckruf", wie Toto Wolff nun vor dem Frankreich GP mahnt. Um Performance geht es dabei nicht. "Die Strecke weist einige Ähnlichkeiten mit Montreal auf und die lange Gerade wird eine Herausforderung für uns sein", sagt der Teamchef zwar.

Allerdings ergänzt Wolff auch ungewohnt überzeugt: "Anders als in Kanada gibt es jedoch viele verschiedene Kurvencharakteristiken mit einer Vielzahl an Geschwindigkeiten, was uns mehr in die Karten spielen sollte. Wir freuen uns also auf die Gelegenheit, dort einige Dinge richtigzustellen."

Doch weshalb dann Weckruf? Wegen diverser Sorgen rund um die neuen Phase-2-Power-Units in Kanada. Bei Kunde Racing Point (Stroll) und bei beiden Werksboliden (Benzinsystem am Bottas-W10 im Training, Hydraulik am Hamilton-W10 vor dem Rennen). "Nach einer Serie mit sehr guter Zuverlässigkeit in den ersten sechs Saisonrennen erlebten wir im Laufe des Wochenendes eine Reihe an Problemen, die beinahe alle hausgemacht waren", begründet Wolff seine Warnung mit letzten Sorgen, ob Brixworth all das bis Frankreich wirklich so final ausgeräumt hat, wie im Grunde jeder Beobachter und Experte der Formel 1 erwartet.

Formel 1 Frankreich-Vorschau: So steht's ums Mittelfeld

Im Grunde ist es schnell zusammengefasst: alles wie immer, einfach völlig unvorhersehbar im unfassbar engen Verfolgerfeld der Formel 1. Ein paar Worte mehr sind allerdings durchaus möglich. So plant Renault - bereits in Kanada als ersehnte ganz klare vierte Kraft endlich mal näher an Red Bull als am Rest des Mittelfeld - pünktlich für sein Heimrennen ein signifikantes Aero-Update für den R.S.19.

Gelingt den Franzosen damit final und nachhaltig ein klarer Sprung nach vorne? Um das festzustellen, braucht es jedoch Gegenwehr. Etwa von Racing Point, zuletzt zumindest im Renntrimm wieder etwas stärker aufgestellt. "Aber wir müssen an unserer Quali-Performance arbeiten", so Teamchef Otmar Szafnauer. Genau andersherum ist es bei Haas, dem eigentlich größten Renault-Gegner.

Doch zeigte Kanada: Gelöst sind die Probleme mit dem Arbeitsfenster der Pirelli-Reifen für das US-Team mitnichten. "Wir müssen deshalb die Ärmel hochkrempeln und versuchen, ein paar der Punkte, die wir im ersten Saisondrittel liegengelassen haben, zurückzubekommen", hadert Teamchef Günther Steiner, klingt schon halb verzweifelt. Ein paar Neuerungen gebe auch, allerdings sei das eben nicht der Knackpunkt.

Steiner: "Wir haben kein Problem mit der Pace des Autos, wir müssen einfach die Reifen besser verstehen. Es muss einfach mal aufhören! Es muss einfach einen Aufwärtstrend geben - denn schlechter kann es nicht mehr werden." Letztes lässt sich jedoch nicht nur über Haas sagen, sondern auch Alfa Romeo. Nach einem starken Saisonstart ging es zuletzt klar nach hinten.

Selbst Routinier Kimi Räikkönen grübelt: "Uns fehlte es an Grip, sodass wir nicht genug Speed hatten. Ein paar Kurven waren in Ordnung, in anderen fühlte sich da Auto aber sehr komisch an." In Frankreich sollen es neue Teile für den C38 wieder korrigieren. Bei McLaren - noch immer knapper Mittelfeld-Leader - fehlt ein klarer Trend. Der MCL34 lief bis dato selbst innerhalb eines Rennwochenendes mal besser, mal schlechter.

Bei Toro Rosso wird das Wochenende durch das Honda-Update gleichzeitig auch zur Hälfte schwieriger: Danill Kvyat wird eine Motorenstrafe erhalten. Und Williams? Ist weiterhin mehr im Test-Modus unterwegs. Im Training kommt dabei abermals Nicholas Latifi zum Einsatz, der dieses Mal im FP1 das Cockpit George Russells übernimmt. Ein stressiges Wochenende für den Kanadier, der parallel auch mit der Formel 2 in Le Castellet unterwegs ist.

Formel 1 Frankreich - Strecke: Circuit Paul Ricard

Sonderlich beliebt als Rennstrecke ist der 5,8 Kilometer lange Circuit Paul Ricard weder unter Rennfahrern noch Experten. Zu bunt, zu viel Parkplatz-Feeling, gigantische Auslaufzonen, viel zu weit entfernte Tribünen passen viel mehr zu einer Teststrecke, die der Kurs am Mittelmeer vorrangig auch ist.

Das für die Formel 1 gewählte Layout der unzähligen Streckenvarianten selbst jedoch, ist nicht zu verachten. Etliche lange Geraden, allen voran die inzwischen durch eine Schikane unterbrochene Mistral, ultraschnelle (Signes!), mittelschnelle (Doppellinks T11) und langsame Kurven erfordern einen kniffligen Setup-Kompromiss und stellen zugleich eine Herausforderung für die Reifen da.

Neuerungen nach dem Comeback im Vorjahr gibt es 2019 einige: So wurden sowohl Boxeneingang als auch -ausgang rekonfiguriert. Rein geht’s nun rechts von Kurve 14, heraus jetzt etwas später auf Start-Ziel. Noch dazu wurde die Ausfahrt verbreitert. Hinzu kommen Neuasphaltierungen rund um die Strecke (T1, T3-T7, teilweise von T8 bis T11, T12 und T14-T15). Es bleibt bei zwei DRS-Zonen (Start/Ziel, Mistral).

Formel 1: Wetterbericht für Le Castellet

"Das Wetter kann hier unvorhersehbar sein und ist oft sehr heiß und windig", weiß Sebastian Vettel. Der Wetterbericht bestätigt die Aussage des Ferrari-Piloten zumindest partiell. Nach aktuellem Stand soll es durchgängig sehr heiß sein, allerdings nur am Samstag etwas windiger. Von Regen ist auf dem Wetterradar bis dato keine Spur auszumachen.

Formel 1 Frankreich: Reifenwahl der Teams

Pirelli bringt zum Frankreich GP die Mischungen C2-C4. De Top-Teams wählten ihre zehn freien Sätze erstaunlich homogen und konservativ. Ferrari und Mercedes suchten sich sogar das exakt gleiche Sortiment aus, Red Bull weicht nur durch einen teaminternen Split marginal ab. Im Mittelfeld geht’s zum Großteil weicher zu. Alle Reifen auf einen Blick:

Formel 1 Frankreich im TV und Live-Stream

Nach den einmal ungewöhnlichen Zeitplänen für Kanada, kehrt die Formel 1 auch in Sachen TV-Programm in Frankreich zurück zur Routine. Angestammte Startzeiten und Sendeplätze für das Formel-1-Rennen in Le Castellet. Doch es ist nicht nur die Formel 1. Auch die Formel 2 – und Formel 3! – sind mit dem Europa-Comeback wieder am Start. Alle Übertragungen im Detail: