2019 ist der Weg in die Formel 1 für einen jungen Rennfahrer schwieriger als je zuvor. Geld regiert die Welt - von den Nachwuchs-Serien bis rauf in die Königsklasse selbst. Wer es sich leisten kann, der kommt nach oben. Wer nicht genug Geld auftreiben kann - egal ob es aus der eigenen Tasche, aus der von Gönnern, oder aus der eines Nachwuchsprogrammes kommt - der kommt nicht weit.

Hinnehmen wollen diesen Zustand aber nicht alle. Zum Beispiel Jacques Villeneuve, der Formel-1-Weltmeister von 1997. Er versucht sich seit diesem Jahr als Betreiber seiner eigenen Rennschule. Mit seinem ganz eigenen System hofft er, zumindest ein paar jungen Fahrern eine Chance zu geben, ihren Traum vom Rennfahren zu verwirklichen. Wie genau, das hat er Motorsport-Magazin.com erklärt.

Rennschule Villeneuve: Talent statt Geld im Vordergrund

"Feed Racing France" heißt die Schule, die Villeneuve nahe der französischen Rennstrecke Magny Cours, ehemals Heimat des Frankreich-GPs, 2019 aufgebaut hat. Er und Patrick Lemarie, einst neben Villeneuve Testfahrer bei BAR, sind die Hauptverantwortlichen. "Alles unser Geld im Moment", sagt Villeneuve zu Motorsport-Magazin.com.

Vielleicht wird es ein Geschäftsmodell, da will sich Villeneuve noch nicht festlegen. Momentan geht es aber vor allem um eines: Eine Karriere als Rennfahrer wieder erstrebenswert zu machen. "Früher sind Eltern zu mir gekommen - 'Mein Kind, Rennfahren, was soll ich machen?'", erinnert sich Villeneuve. Seine nüchterne Antwort damals: "Sag ihm, er soll was anderes machen."

Ferrari, Red Bull, Mercedes: F1-Zwischenbilanz nach Monaco 2019 (15:55 Min.)

Zu lange hatte Villeneuve das Gefühl, dass der Traum von einer Karriere als Rennfahrer nur mehr eine Illusion war. "Und jetzt träumen die Kinder nicht einmal mehr", sagt Villeneuve. "Für viele ist die Zukunft höchstens der Porsche-Cup, weil sie finanziell nirgendwo anders hinkönnen, also durften sie nicht einmal mehr vom Potential träumen."

Geld regiert für Villeneuve im heutigen Motorsport die Fahrer-Welt: "In der Vergangenheit - da brauchtest du Talent, und Geld war ein netter Zusatz. Jetzt brauchst du Geld, und Talent - wenn du es hast, ist es ein netter Bonus, aber brauchen tust du es nicht." Für ihn keine schöne Welt.

Villeneuve-System: Intensiv-Kurs plus Formel-4-Chance

Genau das will er mit seiner Rennfahrer-Schule wieder ändern. Das Talent soll in den Vordergrund gerückt werden. Das System: Für 11.500 Euro bekommt man einen fünftägigen Intensiv-Kurs von Villeneuves Instruktoren. Am Ende steht ein Wettkampf auf Zeit - die Schnellsten fahren dann im Herbst noch einmal gegeneinander. 2019 ist für die Schule das erste Jahr, die ersten Kurse wurden schon abgehalten.

Durch dieses System will Villeneuve die fahrerisch besten Kandidaten herausfinden. Wer das Finale im Herbst gewinnt, dem winkt ein Jahr in der britischen Formel-4-Meisterschaft, finanziert von Villeneuves Schule. Und nicht in irgendeinem Team: Das Top-Nachwuchsteam Carlin stellt als Partner den Sitz bereit.

Villeneuve analog: Keine Daten, alles Talent

Villeneuve will dabei gemeinsam mit seinem Team rein auf das fahrerische Können eingehen. "Es ist nicht dieses moderne Ding mit einem halben Tag ... nein, die sind bei uns, um zu fahren, und wir wollen, dass sie unabhängig sind", sagt Villeneuve. "Selbst-lernend. Sie sollen selbst herausfinden können, was sie brauchen. Wenn nicht, dann haben sie sowieso nicht, was es braucht, um es auf Formel-1-Niveau zu bringen."

Von Dingen wie umfangreichen Daten-Analysen im Hinterzimmer will Villeneuve bewusst Abstand nehmen: "Nein. Du setzt dich hin, hörst zu, schaust dir die anderen an, und versuchst es zu kapieren. Und wir haben erkannt, dass sie nach zwei Tagen schon deutlich mehr verstanden haben, und wirklich als Fahrer Fortschritte gemacht haben."

1997 feierte Jacques Villeneuve seinen Formel-1-Titel, Foto: Sutton
1997 feierte Jacques Villeneuve seinen Formel-1-Titel, Foto: Sutton

Mit diesem Intensivprogramm will Villeneuve die Kandidaten aussortieren. Er sieht darin großes Potential - auch für das Evaluieren von Talenten, deren Förderer sich nicht sicher sind, ob sie tatsächlich die nötigen Euro für eine volle Saison locker machen sollen. Eine Saison in einer Rennserie kostet schließlich deutlich mehr als Villeneuves Schule.

"Es ist eine Möglichkeit für die Eltern, um herauszufinden, ob ihr Kind es kann", sagt Villeneuve. "Oder für die Hersteller. Die können zehn Kart-Fahrer schicken, die sie für gut halten, und wir evaluieren sie. Anstatt dass sie ihnen gleich riesige Verträge auszahlen." Villeneuve erinnert an Junior-Programme der großen Formel-1-Teams - dort werden für alle Nachwuchs-Fahrer teure Plätze bezahlt, um sie auf die Strecke zu bringen. Villeneuve glaubt, mit seinem neuen System schon vorab sortieren zu können.

Villeneuve verspricht: Wer gut ist, dem helfen wir

Villeneuves Tür steht offen für alle, stellt er klar. Nur ein Mindestalter von 14 Jahren gibt es, da es in der britischen Formel 4 ebenfalls eine Altersbeschränkung gibt: "Wir hatten drei schon dabei, die noch nie ein Lenkrad in der Hand gehalten haben. Die ersten zwei Tage waren etwas schwierig, aber am Ende waren sie nicht weit weg."

Abgesehen vom Platz in der Formel 4 für den Sieger gibt es keine Verträge. Aber Villeneuve verspricht, auf den Sieger auch danach im Auge zu behalten: "Wenn unser Sieger in der Formel 4 auch gewinnt, dann werden wir alles tun, um ihm zu helfen. Wir können nichts versprechen, weil momentan alles aus unserer Tasche kommt, also gibt es keine Million dafür."

"Aber wenn wir jemanden haben, der echt besonders ist, dann werden wir alles unternehmen, um weiterzumachen", sagt Villeneuve.

Villeneuve ist jedenfalls voll davon überzeugt: "Ich kann nicht immer dabei sein, aber bei einem war ich dabei, habe mich auch dann eingemischt. Habe mit allen gesprochen, auch mit den Eltern, und es war alles wundervoll. Ich liebe es."