Lewis Hamiltons 77. Sieg in der Formel 1 war einer seiner härter erkämpften. Einfach mit dem Mercedes vorneweg fahren, wie alle in Monaco erwartet hatten? Oh nein. Stattdessen ließ Max Verstappen den Weltmeister hart für seinen Lohn arbeiten, drängelte mehr als die ganze zweite Rennhälfte mit weniger als einer Sekunde Rückstand, direkt im Getriebe des Mercedes.

"Es war eines der härtesten Rennen, an das ich mich erinnere. Vielleicht das härteste jemals. Aber ich habe mit dem gleichen Spirit gekämpft wie Niki", schildert Hamilton nach seinen strapaziösen 78 Rennrunden im Fürstentum. Einem Sieg, den er jenem Niki Lauda wenig überraschend auch widmete. "Er war ein Mann mit so viel Einfluss im Team, der uns erst dahin gebracht hat, wo wir sind. Er schaut jetzt sicher von oben herab und hat die Kappe gezogen."

Hamilton: Reifen tot, 30 Mal kurz vor Crash

Doch warum diese Härte? Ganz klar wegen der Reifen. "Ich hatte für viele Runden einfach keinen Reifen mehr übrig. Es war hart, das Auto überhaupt auf der Strecke zu halten. Ich wäre fast 30 Mal gecrasht! Am Ende waren die Reifen komplett tot. Alles, was ich tun konnte, war durchzuhalten", berichtet der Brite.

Schon zuvor war das im vollen Rennbetrieb mehr als deutlich geworden. Hamilton klagte bereits frühzeitig über seine Reifen. Hintergrund: Als einziger Topfahrer war der Brite nach einem frühen Safety Car mit Medium-Reifen ausgestattet worden, alle anderen fuhren Hard. Daher trödelte Hamilton zunächst extrem, um den Pirelli über die noch elendig lange Distanz zu bringen.

Hamiltons großes Drama am Boxenfunk

Dennoch fühlte sich der spätere Sieger nie wohl, klagte mehrfach am Boxenfunk, über die Unmöglichkeit des Unterfangens, vor Verstappen zuende zu fahren. "Wir brauchen ein Wunder", funkte Hamilton an einer Stelle. An anderer kritisierte er Mercedes deutlich für die Reifenwahl. "Ich kann ihn nicht halten, seht ihr das nicht", funkte Hamilton. "Ich weiß nicht, was ihr euch mit diesen Reifen gedacht habt?"

Genauso gebetsmühlenartig beruhigte Mercedes seinen Topstar jedoch. Es werde reichen, versicherte man Hamilton. "Es war klar, dass ich nicht mehr reinkommen würde", kommentiert Hamilton später dazu trotz allen Dramas am Funk. Weil es eben Monaco ist. Durch einen Stopp wäre der Brite noch hinter Pierre Gasly gefallen - und so ziemlich sicher nur Fünfter geworden. "Vor ein paar Jahren habe ich hier so schon mal die Führung verloren", erinnert sich Hamilton.

Hamilton kritisiert: Hard-Reifen definitiv falsch

Umso bitterer, dass ihm die Alternative ebenfalls so gar nicht taugte. "Das war definitiv der falsche Reifen", kritisiert Hamilton auch nach der erlösenden Zielflagge. Einen Angriff auf das Team, den ihm Mercedes so gar nicht krumm nimmt.

"Für die letzten 20 Runden waren die Reifen fertig. Die Reifen waren ein Fehler", gesteht Teamchef Toto Wolff bei RTL frei heraus. "Wir dachten, wir könnten die Reifen besser managen. Das hatten wir in der Vergangenheit öfter gesehen. Aber dann hat der Max dahinter so extrem gepusht. Da kann ich es nachvollziehen, dass Lewis gedacht hat 'Die Idioten geben mir den falschen Reifen, der nicht hält'."

Wolff: Hamilton ist kaum noch durch Loews gekommen

Auch für den diesjährigen Monaco GP habe man errechnet, dass man den Medium ab Runde 15 oder 16 ins Ziel bringen könne. "Vorne war das eine ziemlich klare Strategie. Mit dem richtigen Management", ergänzt Wolff. Durch den Druck Verstappens war das nicht ideal möglich, noch dazu hatte Hamilton bereits in Runde elf wechseln müssen. "Schon nach 20 Runden haben wir dann realisiert, dass der linke Vorderreifen das Grainen bekann und er [Hamilton] sich über Untersteuern beschwerte", schildert Wolff den unerwarteten Verlauf.

"Von da an war klar, dass es sehr, sehr schwierig werden würde, es bis zum Ende zu schaffen. Also hatten wir einige Diskussionen, ob der Reifen weitere 40 Runden halten würde. Alle wussten, dass man es gewaltig ausdehnen musste. Ich glaube 20 Runden vor Ende hatte er null Prozent Gummi übrig und mit dem massivem Untersteuern in den langsamen Kurven konntest du sehen, dass das Auto in Loews kaum noch herumgekommen ist."

Wolff gibt zu: War falsch, Lewis soll sich ruhig auskotzen

Doch habe Hamilton seinen Job erstklassig erledigt. "Er hat weltmeisterlich den Angriff pariert", lobt Wolff. "Und Lewis soll sich ruhig auskotzen. Wir haben ihm auch gleich zu verstehen gegeben, dass wir einen Fehler gemacht haben und es jetzt nur noch an ihm liegt, ob wir das gewinnen", berichtet Wolff vom Funkverkehr noch während des Rennens.

Das bestätigt Hamilton: "Ich bin deshalb gar nicht sauer. Ich musste einfach Vertrauen haben. Ehrlich gesagt sollte Racing ja genauso sein. Aber es ist einfach schwierig, wenn du so lange da draußen auf eigene Faust unterwegs bist und es nichts gibt ... Bono [Peter Bonnington, Renningenieur] konnte nichts machen, nichts sagen, um zu helfen. Es war einfach an mir, es für das Team und für Niki nach Hause zu bringen. Ich habe nur gedacht, was Niki wohl in dieser Lage getan hätte. Dank Gott und Niki habe ich es geschafft."