Der Spanien GP 2019 war wahrlich kein moderner Formel-1-Klassiker. Das Rennen in Barcelona wurde vielmehr zur erwarteten Prozession. Nur die beiden Haas-Piloten sorgten am Ende für etwas Action - und einmal mehr Ferraris Strategieabteilung.

Schon bei den Wintertests in Barcelona war ein möglicher Nummer-eins-Status für Sebastian Vettel ein großes Thema. Seither wird Ferrari die Diskussionen über Stallorder, Teamstrategien und Co. nicht mehr los. Im fünften Rennen zur Formel-1-Saison 2019 gab es zum vierten Mal ordentlich Diskussionsstoff.

"Immer wenn wir etwas versuchen, wird es am Ende zerredet. Das hilft uns auch nicht dabei, schneller zu reagieren", kritisierte Vettel später die Medien. Egal, Motorsport-Magazin.com nimmt die strittigen Szenen zwischen ihm und Charles Leclerc in der Rennanalyse trotzdem genauer unter die Lupe.

Vettels Verbremser kostet Podium

Die Probleme begannen in Barcelona schon am Start. Sebastian Vettel sorgte mit seinem etwas übermotivierten Manöver für eine kleine Kettenreaktion: Auf der einen Seite konnte er sich nicht gut für die Kurven zwei und drei positionieren.

Vettel brachte sich für die folgenden Kurven in eine schlechte Position, Foto: LAT Images
Vettel brachte sich für die folgenden Kurven in eine schlechte Position, Foto: LAT Images

Beim Versuch, noch zu retten, was nicht mehr zu retten war, drängte er dann Leclerc ab, der deshalb keinen Angriff auf Max Verstappen durchziehen konnte. Gleichzeitig verlor Vettel selbst Schwung und konnte sich in Kurve drei nicht gegen Verstappen wehren. Statt auf den Positionen drei und vier kam Ferrari auf vier und fünf aus der ersten Runde zurück.

Zusätzlich zog sich Vettel beim Anbremsen einen ordentlichen Bremsplatten zu, schlechter Grip und Vibrationen waren die Folge. Schon nach wenigen Runden fragte der Deutsche bei seinem Renningenieur an, wann er zum Stopp kommen könne. Ferrari brauchte aber eine Lücke im Mittelfeld-Verkehr, da man sonst nach dem Boxenstopp durch Überholmanöver Zeit verlieren und die neuen Reifen verheizen würde.

Deshalb blieb Vettel länger draußen, als ihm eigentlich lieb war. Dazu kam das Problem mit dem eigenen Teamkollegen: Leclerc hing ihm nach Runde eins fast im Getriebe, und Vettels Pace war auf den angeschlagenen Reifen nicht gut. Trotzdem ordnete Ferrari zunächst keine Stallorder an. Erst in Runde zwölf kam es zum Platztausch. Für viele Beobachter zu spät.

"Hätten wir es früher machen sollen? Wenn du es machst, musst du dir sicher sein, dass der hintere Fahrer schneller ist, sonst tauscht man und hat kein Ergebnis", kontert Ferraris Teamchef Mattia Binotto nach dem Rennen die Kritik. "Du brauchst dafür ein paar Runden, um das herauszufinden."

Leclerc hängt Vettel 11 Runden im Heck

Tatsächlich sollte die Sachlage schon früh klar gewesen sein: Wer auf der aerodynamisch sehr anspruchsvollen Strecke von Barcelona so nah hinterherfahren kann, der ist zweifelsfrei schneller. Ab Runde sechs war Leclerc permanent im DRS-Fenster, also weniger als eine Sekunde hinter Vettel. Dazu wusste Ferrari um den Bremsplatten bei Vettel.

Damit sollte es kaum eines Genies bedürfen, um vor Runde zwölf schon zu erkennen: Leclerc musste an Vettel vorbei. Als der Monegasse endlich vorbeigewunken wurde, hängte er Vettel sofort ab. In sieben Runden fuhr der Youngster dem Altmeister mehr als sechs Sekunden davon. Aber machte es überhaupt einen Unterschied, in welcher Reihenfolge die beiden fuhren? War es am Ende Stallorder oder Teamstrategie?

Tatsächlich machte es einen großen Unterschied, denn Ferrari kämpfte zu diesem Zeitpunkt noch gegen Max Verstappen. Genauer gesagt kämpfte Leclerc gegen den Red-Bull-Piloten. Denn Vettel verspielte alle Chancen auf Rang drei mit seinem Verbremser. Red Bull stoppte Verstappen auch nur eine Runde nach Vettels frühem Stopp. Strategisch konnte Vettel gegen Verstappen nichts mehr ausrichten.

Bei Leclerc sah die Sachlage anders aus. Er musste seinen Stopp nicht aufgrund eines Bremsplattens vorziehen. Deshalb kam er erst fünf Runden nach Verstappen und wechselte auf die harten Reifen. Verstappen hatte zuvor von Soft erneut auf Soft gewechselt, womit er ganz klar auf einer Zwei-Stopp-Strategie unterwegs war. Leclerc hatte hingegen mit den harten Reifen die Chance, mit nur diesem einen Stopp durchzufahren.

Das Problem dabei war nur: Im ersten Stint verlor Leclerc hinter Vettel viel Zeit auf Verstappen. Bis Ferrari den Platztausch endlich anordnete, hatte sich der Niederländer schon einen Puffer von fünf Sekunden herausgefahren.

Nach dem Platztausch zu Rennbeginn konnte Leclerc die Lücke zu Verstappen zwar nicht gleich schließen, allerdings verlor er keine weitere Zeit. Es wiederholte sich das China-Szenario. Da hatte Vettel zu lange hinter Leclerc gesteckt. Diesmal waren die Rollen verteilt, das Ergebnis aber gleich: Der hintere Ferrari - in Barcelona Leclerc - hatte seine Reifen verheizt. Erst als Verstappen auf Überrundete auflief, konnte Leclerc richtig aufholen.

Später trafen Vettel und Leclerc noch einmal aufeinander. Allerdings mit umgekehrten Vorzeichen: Durch den früheren Boxenstopp holte Vettel wieder auf Leclerc auf. Außerdem bekam Vettel Medium-Reifen aufgesteckt, Leclerc die harten Pneus. Entsprechend kam Vettel schneller von hinten.

Ferraris zweiter Platztausch: Zu spät und überhaupt nötig?

Wieder ließ sich Ferrari Zeit und analysierte die Lage, statt die Reihenfolge sofort zu tauschen. "Weil Charles mit Verstappen um den dritten Platz gekämpft hat", verteidigt Binotto. "Deshalb war es für ihn wichtig, in dieser Phase keine Rundenzeit zu verlieren. Aus diesem Grund haben wir den richtigen Moment abgewartet. Ich glaube nicht, dass wir es hätten früher machen sollen."

Und, lag Ferrari diesmal richtig? Tatsächlich ging es zu diesem Zeitpunkt für Vettel um nichts mehr. Platz drei gegen Verstappen war bereits klar verloren. Leclerc war aber im Fernduell gegen den Red Bull noch im Rennen. Verstappen lag zu diesem Zeitpunkt nur zehn Sekunden vor Leclerc und musste noch einmal zum Reifenwechsel.

Ein Boxenstopp auf dem Circuit de Catalunya kostet in der Formel 1 rund 24 Sekunden. Das Szenario für das Rennende war vorgeschrieben: Verstappen fällt aufgrund seines Stopps wieder hinter Leclerc zurück, kann ihn aber dann auf den frischeren Reifen wieder unter Druck setzen. Genau so stellten es sich die Strategen bei Red Bull vor.

Deshalb durfte Leclerc keine Zeit verlieren. Jede verlorene Sekunde würde Verstappen gegen Rennende eine Sekunde näher an Leclerc bringen. Als Leclerc vor Vettel lag, fuhren Verstappen und Leclerc fast exakt die gleichen Zeiten. Als der Monegasse dann hinter Vettel fuhr, verlor er im Fernduell deutlich. Während sich der Rückstand zuvor bei rund zehn Sekunden eingependelt hatte, wuchs der Rückstand anschließend innerhalb von sieben Runden auf 16 Sekunden.

Tatsächlich hätte Ferrari diesen Platztausch wohl gar nicht oder deutlich früher vornehmen sollen. So verlor Leclerc, der sich im intensiven Fernduell mit Verstappen befand, viel Zeit. Letztendlich war es egal: Durch das späte Safety-Car stoppte Leclerc ebenfalls noch einmal. Der Vorsprung auf Verstappen war durch das Safety-Car dahin, beim Restart wäre der Reifen-Nachteil zu groß gewesen. Also ging Ferrari lieber auf Nummer sicher.

Fast egal war der Platztausch aber aus einem anderen Grund: Im Sinne der teaminternen Fairness hätte Ferrari die Reihenfolge am Ende noch einmal tauschen müssen. Denn Leclerc gab die Position an Vettel im Glauben auf, auf einer anderen Strategie zu sein. Tatsächlich ging es dabei aber dann durch das Safety-Car um echte Positionen.