Die Stimmung im Formel-1-Fahrerlager von Barcelona war am Freitag bedrück. "Wenn Mercedes schon am Freitag vorne ist, was passiert dann erst im Qualifying?", lautete die gängigste Sorge. Manche wetteten schon, ob Mercedes beim Spanien GP den überlegensten ihrer dann fünf Doppelsiege 2019 einfahren wird.

Dass Mercedes in beiden Trainingssitzungen auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya den Ton angab, ist aus verschiedenen Gründen eine schlechte Nachricht für die Formel 1. Nach Ferraris verpatztem Saisonstart lagen die Hoffnungen auf Barcelona: Hier zeigte sich der SF90-H beim Wintertest so stark, diese Strecke muss der zickigen Roten Göttin nun liegen.

Dazu brachte Ferrari weitere Upgrades: Ein neuer Frontflügel und ein neuer Heckflügel runden gemeinsam mit einem vorzeitigen Motor-Upgrade das in Baku eingeführte Update ab. Auch Red Bull brachte zahlreiche neue Teile - doch Mercedes brachte mehr, die offenbar auch noch besser funktionierten.

Mercedes im Update-Himmel: In die richtige Richtung entwickelt

Doch das besorgniserregendste am Freitag waren weder Streckencharakteristik, noch Updates: Allein die Tatsache, dass Ferrari schon im Training hinten ist, ist eine schlechte Nachricht. Ferrari war zuletzt im Training deutlich stärker als Mercedes, drehte den Motor offenbar mehr auf. Mercedes konnte im Qualifying immer ordentlich Körner nachlegen.

Selbst beim sonst so pessimistischen Mercedes-Team war man nach den Trainings ziemlich guter Laune. "Das Auto fühlte sich heute richtig gut an, ganz anders als während der Wintertestfahrten. Es scheint, als ob sich unsere Performance in den Kurven verbessert hat. Die Balance auf einer Runde ist ebenfalls besser, es sieht also so aus, als ob wir uns seit dem Winter in die richtige Richtung entwickelt hätten", freute sich Valtteri Bottas.

Mercedes Ingenieur Andrew Shovlin stimmt zu: "Es ist kein Geheimnis, dass wir hier bei den Testfahrten im Winter nicht sehr stark gewesen sind." Bitter für die Konkurrenz: Nicht nur das Endklassement sah schlecht aus, auch die Longruns machen Angst. "Wir sind happy, heute eine vernünftige Pace auf kurzen und längeren Runs gezeigt zu haben", freut sich Shovlin.

Schlechte Aussichten für Ferrari und Red Bull: Mercedes auf allen Reifen schneller

Drei, respektive vier Zehntelsekunden fehlten den Ferrari-Piloten auf die Bottas-Bestzeit, Max Verstappen im Red Bull fehlte schon eine dreiviertel Sekunde. Selbst Red Bulls Motorsportberater Dr. Helmut Marko, sonst für seinen Longrun-Optimismus bekannt, steckt den Kopf nach den Trainings schon in den Sand. "Das war ja fast eine Sekunde Vorsprung. Und sie waren auf beiden Reifen so schnell. Vor allem auch bei den Longruns. Da war es am krassesten."

Formel 1 Barcelona, Longruns auf Soft

FahrerStint-LängeReifen-AlterDurchschntl. Zeit
Bottas2171:22,592
Hamilton2371:22,687
Vettel2491:23,089
Verstappen2381:23,129
Leclerc31161:23,272

Zumindest aus Ferrari-Sicht sieht es nicht ganz so dramatisch aus. Im Longrun spiegelte sich mehr oder weniger das Bild der Quali-Versuche wieder. Auf den Soft-Reifen gab Bottas das Tempo vor, Lewis Hamilton lag rund eine Zehntel dahinter. Weitere vier Zehntel dahinter landete Vettel. Auf den Soft-Reifen lief es sogar für Verstappen, er war nur wenige Tausendstel langsamer als Vettel.

Formel 1 Barcelona, Longruns auf Medium

FahrerStint-LängeReifen-AlterDurchschntl. Zeit
Bottas17101:21,995
Vettel24171:22,707
Verstappen1571:22,852

Doch auf den Medium trennte sich die Spreu vom Weizen: Mit 1:21,9 Minuten legte Bottas los wie die Feuerwehr. Vettel kam nur auf einen Schnitt von 1:22,7 Minuten, Verstappen war noch einmal anderthalb Zehntel langsamer. Einziger Hoffnungsschimmer für Ferrari: Vettels Longrun war deutlich länger als der von Bottas. Vielleicht hatte der Ferrari-Pilot auch noch mehr Benzin an Bord. Verstappen fuhr sogar kürzer als Bottas.

Im Gegensatz zu den letzten Jahren scheint sogar der Hard ein relevanter Rennreifen zu sein. Pirellis Strategie, die Mischung des C1-Reifens etwas weicher zu gestalten, scheint sich auszuzahlen, auch wenn das Delta zwischen C1 und C2 noch mehr als eine Sekunde betrug. Zwischen Medium und Soft, also C2 und C3, lagen etwa 0,8 Sekunden.

Formel 1 Barcelona, Longruns auf Hard

FahrerStint-LängeReifen-AlterDurchschntl. Zeit
Leclerc18111:22,630
Hamilton19111:22,706

Weil der Hard nicht ganz von der Hand zu weisen ist, splitteten Ferrari und Mercedes ihre Strategien im 2. Training. Während Bottas und Vettel auf Medium fuhren, testeten Hamilton und Leclerc den Hard auf Herz und Longruns. Mit 1:22,6 Minuten war der Ferrari-Pilot sogar eine Zehntel schneller als sein Mercedes-Konkurrent.

Allerdings war Hamilton nicht ganz so zufrieden wie sein Teamkollege. Der Weltmeister hatte phasenweise Balance-Probleme. Bei Ferrari war es Leclerc, der etwas besser zurechtkam. Trotzdem: Wenn es einen Hoffnungsschimmer gibt, dann der Hard-Longrun. Es scheint sich zu bewahrheiten, was sich die ersten Rennwochenenden abzeichnete: Je härter der Reifen, desto besser kommt Ferrari damit zurecht.

Ferrari flüchtet sich in Zweckoptimismus

Viel Grund zur Freude aus Ferrari- und Formel-1-Sicht gibt es aber nicht. Trotzdem will man bei Ferrari noch nicht alles schwarzreden. "Wir können zufrieden mit den Aero- und Motoren-Upgrades sein", meinte Vettel. "In der Hinsicht sind wir zufrieden, aber natürlich ist der Freitag auch dafür da, herauszufinden, wie gut der Speed ist. Und das war nicht so gut, wie wir es uns erhofft haben. Aber es ist erst Freitag und das wahre Kräfteverhältnis sieht man erst am Samstag."

Charles Leclerc führt die Balance-Probleme auch auf das Upgrade zurück: "Das ist normal, wenn du neue Teile zum ersten Mal fährst. Es sollte schnell zu lösen sein." Danach gab es die übliche Ferrari-Floskel: "Das Potential ist da und wir sind in guter Verfassung."

Doch langsam sollte nicht nur das Potential da sein, sondern auch die Ergebnisse. Wie schon die ganze Saison über scheint Ferrari vor einem Reifen-Rätsel zu stehen. Langsame Kurven schmecken dem SF90-H nicht, dort ist der mechanische Grip von den Reifen besonders wichtig.

Ferrari in langsamen Kurven von Mercedes abgehängt

Und das ist für Vettel kein 'quick fix' wie für Teamkollege Leclerc. "Wir haben in diesem Jahr schon ein paar Mal gesehen, dass wir uns in langsamen Kurven etwas schwer tun. Es ist nicht das erste Mal, dass wir dort verlieren. Das ist nicht leicht zu beheben. Es ist nicht die Traktion, es ist der Grip. Wenn der fehlt, verlierst du Zeit. Solche Kurven sind da fies." Sehr fies: Denn der Zeitverlust in langsamen Kurven ist größer als in schnellen Ecken.

Formel 1 Barcelona, Beste Sektorzeiten 2. Training

FahrerSektor 1Sektor 2Sektor 3
Bottas21,81128,71526,633
Hamilton21,83528,65626,665
Leclerc21,61728,85327,092
Vettel21,62828,90327,07
Verstappen22,08528,99526,955
Grosjean21,92328,99327,237
Gasly22,05229,04527,085

Die Sektorzeiten spiegeln Ferraris Probleme schonungslos wieder: Im langsamen letzten Sektor verloren Vettel und Leclerc vier Zehntelsekunden auf die Silberpfeile. Im zweiten Sektor verlor Ferrari rund zwei Zehntel, im ersten Sektor, der nur aus schnellen Kurven besteht, war Ferrari zwei Zehntel schneller. Ergibt in der Summe vier Zehntel Rückstand.

Bei Red Bull ist das Problem noch größer: Die Bullen verlieren überall. Einmal mehr auf den Geraden, aber durch die schlechte Balance auch in den Kurven. Helmut Markos letzter Hoffnungsschimmer ist zugleich eine Ohrfeige für Pierre Gasly: "Dass Gasly ist relativ knapp am Verstappen dran ist zeigt, dass es vor allem am Verstappen-Auto noch einige Probleme gibt."