"Ich würde die Siebziger, Sechziger, späten Sechziger wählen. Das wäre sicher viel spaßiger, entspannter und mehr bloßes Racing." So antwortete Kimi Räikkönen am vergangenen Rennwochenende der Formel 1 in China - dem 1000. GP der Königsklasse - auf die Frage, in welcher Epoche er am liebsten fahren würde, hätte er nur eine Zeitmaschine.

Eine Aussage, die kaum besser dazu passen könnte, wie sich der Iceman anno 2019 im Fahrerlager der Formel 1 präsentiert. Nämlich kaum mehr als Iceman. Mehr als Strahlemann, wie einer, der seinen Sport (wieder) so richtig genießt.

Kimi Räikkönen: X-ter Frühling mit Alfa Romeo

Klar, als Fan der alten Formel 1 kennt man Räikkönen. Unvergessen sein James-Hunt-Gedächtnis-Helm, den der Finne einst in Lotus-Tagen beim Monaco GP zeigte. James Hunt und Kimi Räikkönen, gewisse Parallelen in ihren Karrieren - oder eher am Rande davon, hinein ins Private - sind unverkennbar.

Doch in den vergangenen Jahren war von alldem nicht allzu viel zu spüren. Nach lockeren Lotus-Jahren ging es zuletzt bei Ferrari verkrampfter zu. Kein Wunder: Nirgendwo ist der Druck größer als bei Ferrari. Davon weiß auch Sebastian Vettel längst ein Lied zu singen. Für Räikkönen ist dieses Kapitel nun allerdings zum bereits zweiten Mal geschlossen, bei Alfa Romeo Racing eine neue Seite aufgeschlagen. Und prompt ist der Iceman wie verwandelt, taut auf.

Räikkönen, der PK-Comedian

Kimi redet. Wie ein Wasserfall. Kimi lächelt. Kimi witzelt rum. Trocken, aber umso unterhaltsamer. "Ich wollte einen Halbhelm. Ging aber nicht. Regularien und so", scherzte er in China etwa, warum er nun doch kein besonderes Helmdesign zum großen F1-Geburtstag auftrug. Noch einer? Kein Problem. Selbe PK, Frage nach geänderten Zielen, jetzt da er das Potential seines Alfa kennt. Kimi: "Ich hatte gar keine Ziele, deshalb ist auch recht schwer, sie zu ändern."

Kurzum: Kimi hat wieder Spaß. Schon in Bahrain war das auch Motorsport-Magazin.com besonders aufgefallen. Räikkönen wirkte gelöst, schwärmte nach dem Rennen regelrecht von seinem Grand Prix, feierte geiles Racing. Ähnlich, nicht ganz so überschwänglich, auch in Shanghai. Dort sprach Räikkönen nun jedoch auch selbst zu diesem Thema. Und erklärte, warum dieser Kimi plötzlich so anders ist.

Kimi: F1 jetzt wie ein Hobby, Motivation aber voll da

"Es ist für mich zuletzt mehr ein Hobby geworden als irgendetwas anderes und vielleicht ist es das, weshalb es wieder mehr Spaß macht", sagt Räikkönen. Bevor daraus gleich wieder jemand ein Motivationsproblem des Finnen herbeiredet, kontert dieses schon im Voraus. "Ich mache nichts Besonderes, um mich selbst zu motivieren", gesteht er zwar. Allerdings nur, weil das auch gar nicht nötig sei. "Ich versuche jedenfalls immer, mein Bestmögliches zu geben", erklärt Räikkönen, holt Luft und erst dann richtig aus.

Räikkönen, ja der angeblich so wortkarge Räikkönen, am Stück: "An manchen Tagen ist es besser als an anderen, aber so ist es sowieso wenn du viele Rennen fährst. An manchen Tagen ist es eben etwas kniffliger als an anderen. Aber es war wirklich nie ein Problem. Viele Leute denken das und jeder hat auch das Recht, zu sagen, was er denkt. Aber ich versuche einfach zu tun, was ich kann. Wenn ich selbst spüren sollte, dass ich nicht mehr das tue, was ich von mir selbst erwarte, dann würde ich mit natürlich ein neues Hobby suchen."

Alfa: "Niemand würde auf die Idee kommen, dass Kimi im Urlaub ist"

Ein Ansatz, der seinem neuen Chef gefällt. "Das ist eine großartige Herangehensweise. Der Sache komplett verschrieben zu sein wenn er bei der Arbeit ist und all den Druck abfallen zu lassen, wenn du außerhalb des Systems bist", sagt Alfa Romeo Racings Teamchef Frédéric Vasseur. Den Eindruck eines Hobbyfahrers erwecke der Finne bei Alfa jedenfalls nicht, auch wenn es sich für Räikkönen so anfühlen mag.

"Selbstverständlich nimmt er es nicht locker, er ist vollkommen engagiert und fokussiert. Er pusht wie die Hölle an jedem einzelnen Detail. Niemand würde auf die Idee kommen, dass Kimi irgendwie im Urlaub ist", stellt Vasseur klar. Ganz im Gegenteil. Räikkönen nutzt die kurze Wegstrecke vom heimischen Baar bis nach Hinwil, um der Fabrik öfter mal einen Besuch abzustatten, spricht davon, diese Abstecher zu genießen.

Nach Sitz-Schleifen: Räikkönen mit nächster Selfmade-Aktion

Dort legt Räikkönen dann auch selbst Hand an. Nachdem er bei den Testfahrten bereits Schlagzeilen machte, nachdem er ein Video gepostet hatte, das ihn beim persönlichen Feinschleifen seiner Sitzschale zeigte, berichtet Vasseur nun von der nächsten Selfmade-Episode Räikkönens.

"Er war vergangene Woche im Büro und hat seine Bremspedale gezeichnet, weil er da ein paar Änderungen haben wollte", schildert Vasseur. "Und er hat die Zeichnungen einfach auf einem Blatt Papier angefertigt. Das hat mich echt gefallen! Das ist Engagement und beeindruckend! Er entspannt sich also nicht im Mindesten, aber vielleicht genießt er es mit dem geringeren Druck mehr."