Australien und Bahrain waren zwei unterschiedliche Rennstrecken - das Bild, das sich an den ersten beiden Wochenenden der Formel-1-Saison 2019 zeigte, war noch unterschiedlicher als die Strecken selbst. Einmal überragte Mercedes, einmal Ferrari. Mit dem Shanghai International Circuit steht wieder eine andere Strecke auf dem Programm, die wohl repräsentativste der drei. Wer hat in China die Nase vorne? Die Trainingsanalyse vom Freitag.

Das blanke Ergebnis täuscht etwas: Fahrer fünf verschiedener Teams unter den ersten sechs. Nico Hülkenberg und Carlos Sainz konnten Renault und McLaren etwas unter die Top-Teams mischen. Doch Charles Leclerc hatte Verkehr auf seiner schnellen Runde, Red Bull ist seit dieser Saison als Einmann-Team unterwegs.

Auch wenn Pierre Gasly am Freitag in China andere Teils als Max Verstappen probierte, der Abstand zwischen den beiden Red-Bull-Teamkollegen ist derart gewaltig, dass man Gasly bei den Favoriten nicht mehr genau unter die Lupe nehmen muss. Verstappen fährt in seiner eigenen Welt.

China GP: Red Bulls Auferstehung

Der Rückstand zeigt schon eher, was Sache ist: Nico Hülkenberg fehlen schon fast acht Zehntelsekunden auf die Freitagsbestzeit von Valtteri Bottas. Dafür geht es zwischen den Topteams richtig eng zu: Sebastian Vettel fuhr nur wenige Tausendstel langsamer, Verstappen fehlten als Drittem auch nur zwei Zehntelsekunden.

Red Bulls Auferstehung kommt nach Bahrain etwas unerwartet. "Aber wir haben dort einen gravierenden Fehler beim Setup gemacht, den wir beim Test gefunden haben", erklärt Verstappen. "Es gab natürlich noch Fragezeichen nach Bahrain, aber wir waren zuversichtlich, das Problem lösen zu können und es scheint, dass wir nun viel näher dran sind."

Etwas überraschend ist auch, dass Ferrari direkt im Kampf mit Mercedes und Red Bull scheint. Die Scuderia ging als Favorit in das China-Wochenende. Vor allem natürlich aufgrund der langen Geraden. Ferrari gewinnt wie schon in Bahrain Zeit auf den Geraden. Doch auch wenn die Gegengerade in Shanghai extrem lang ist, Bahrain ist die größere Motorenstrecke.

Ferrari gewinnt wieder auf den Geraden

Die Daten zeigen dennoch, dass Ferrari auf den Geraden gut drei Zehntelsekunden auf Mercedes gutmacht. In den langsamen und mittelschnellen Kurven ist Ferrari leicht schneller, nur in den schnellen Ecken gewinnt Mercedes. Es ist das gegenteilige Bild von Melbourne. "Wir haben noch ein paar Ecken, in denen noch was fehlt und in denen man spürt, dass da noch mehr gehen muss", meint Vettel.

Lewis Hamilton allerdings hatte auch seine Probleme, drehte sich im 2. Freien Training einmal und verbremste sich später heftig. "Ich hatte heute mit dem Auto zu kämpfen, entsprechend erwartet uns noch Arbeit", gesteht der Weltmeister. "Das gilt besonders für mich, da sich Valtteri im Auto viel wohler zu fühlen schien. Das Auto hat die Pace, um vorne mitzufahren. Wir müssen nur das richtige Setup finden."

Mercedes-Frontflügel sorgt für Aufsehen

Mercedes sorgte mit zu Beginn des Wochenendes schon mit neuen Frontflügel-Endplatten für Aufsehen. Daran mussten die Mercedes-Mechaniker noch vor dem 1. Freien Training Hand anlegen. Die FIA beanstandete einen Radius. Es gibt einen bestimmten Radius für herausstehende Teile, damit keine scharfe Kanten entstehen, die gefährlich für Mensch und Reifen sein könnten.

Weil die neue Endplatte nicht mehr alle Flaps verdeckte, musste an einer Stelle nachgebessert werden. Ein etwa zwei mal zwei Zentimeter großes Stück wurde an die Endplatte laminiert.

Ferrari und Mercedes im Longrun spiegelverkehrt

An der Spitze geht es jedenfalls enger zu als erwartet. Doch was sagen die Longruns? Die sind tatsächlich interessant. Wie schon in Bahrain ist der Reifenverschleiß sehr hoch, wahrscheinlich gibt es auch in Shanghai zwei Stopps.

Doch im Gegensatz zu Bahrain ist es in China weniger die Hinterachse, sondern eher die Vorderachse. Allerdings hängt das stark von der Abstimmung und vom Reifentyp ab. "Auf dieser Strecke ist es immer schwierig, die richtige Balance zu finden, da die langen Kurven und Sequenzen dazu führen, dass die eine oder die andere Achse überhitzt", erklärt Mercedes' Andrew Shovlin.

Auf dem Soft-Reifen ist die Vorderachse weniger problematisch. Zwar kühlen die Vorderräder auf den langen Geraden ab, doch durch die niedrigere Betriebstemperatur sind sie trotzdem schnell im Fenster. Hier gilt es eher beim Rausbeschleunigen aus den langsamen Ecken die Hinterreifen zu schonen.

Auf den Medium- und Hard-Reifen macht eher die Vorderachse Probleme. Die Reifen kühlen aus und sind beim Einlenken nicht im Fenster. Das Auto untersteuert, die Vorderreifen werden überlastet und bauen stärker ab.

Auf eine Runde macht das keinen großen Unterschied. Eine Qualifying-Runde halten die weichen C2-Reifen auch locker auf der Hinterachse. Die Probleme kommen im Renntrimm. Entsprechend schwierig ist es, einen Kompromiss zu finden.

Womöglich ist diese Besonderheit auch für das undurchsichtige Bild bei den Longruns verantwortlich. Aufgrund der Kühlprobleme bei Charles Leclerc gibt es leider weniger relevante Daten als normal. Dazu fuhren Lewis Hamilton und Valtteri Bottas zu unterschiedlichen Zeitpunkten mit unterschiedlichen Reifen. Hamilton zog die Soft-Reifen erst am Ende für einen Longrun auf. Das macht einen Vergleich unmöglich.

Bei den Top-Piloten war Max Verstappen außerdem der einzige, der den Medium-Reifen probierte. Eigentlich hätte Leclerc ebenfalls auf dem C3-Compound Runden abspulen sollen. Vettel nimmt es gelassen: "Da fehlen uns ein paar Informationen, andererseits sieht man, was die anderen auf dem gelben Reifen gemacht hat."

Formel 1 China GP 2019: Trainings-Longruns auf Soft

FahrerGefahren gegenReifen-AlterStint-LängeDurchschntl. Zeit
HamiltonEnde1271:38,645
BottasAnfang1591:39,093
VerstappenAnfang1491:39,823
VettelAnfang20131:40,190

Auf den Soft-Reifen fuhr Valtteri Bottas mit großem Abstand den schnellsten Longrun. Max Verstappen fuhr mit ähnlich alten Reifen einen gleich langen Stint, war dabei aber schon fast acht Zehntelsekunden langsamer pro Runde.

Vettels Stint war deutlich länger und noch einmal gut drei Zehntelsekunden langsamer als der von Verstappen. Die weichen Reifen bauen extrem ab. Nimmt man bei Vettels Soft-Run nur die Zeiten bis Runde neun zum Vergleich, war Vettel zwar etwas schneller als Verstappen, noch immer aber sechs Zehntelsekunden langsamer als Bottas.

"Mercedes und Red Bull, wow", staunte Charles Leclerc angesichts dieser Zeiten. "Hier sind alle nah dran. Wir hatten Red Bull nicht so nah erwartet, das ist eine gute Überraschung. So gibt es ein paar gute Kämpfe auf der Strecke, darauf freue ich mich!"

Formel 1 China GP 2019: Trainings-Longruns auf Hard

FahrerGefahren gegenReifen-AlterStint-LängeDurchschntl. Zeit
VettelEnde1341:38,117
BottasEnde22121:39,022

Auf den harten Reifen bleibt nur der Vergleich zwischen Vettel und Bottas. Hier ist das Bild genau umgekehrt: Bottas mit dem deutlich längeren Longrun, Vettel dafür deutlich schneller. Nimmt man nur die ersten Runden von Bottas' Hard-Stint, beträgt sein Rückstand auf jenen von Vettel fast sechs Zehntelsekunden. Das Bild zwischen Ferrari und Mercedes auf Soft und Hard ist exakt spiegelverkehrt. Im Rennen wird aber wohl eher der härtere Reifen relevant.

Das kann mit der Abstimmung, aber natürlich auch mit Pacemanagement zu tun haben. Allerdings neigen die Teams am Freitag noch nicht allzu sehr zu Pacemanagement, weil sie die Reifen lieber etwas überstrapazieren, um Daten zu sammeln.

Fazit: So eng war es an den ersten beiden Wochenenden nie. Sowohl auf eine Runde, als auch im Longrun scheinen Mercedes und Ferrari exakt auf einem Niveau zu liegen, Red Bull - respektive Max Verstappen - nur minimal dahinter. Interessant: Mercedes und Ferrari verhielten sich auf Soft und Hard im Longrun exakt spiegelverkehrt.