Das dritte Rennen der Formel-1-Saison 2019 in China wird für Antonio Giovinazzi die nächste Bewährungsprobe. Der Alfa-Romeo-Pilot war vor dem Saisonstart einer der am höchsten eingeschätzten Rookies. Doch bisher konnte er das nicht bestätigen. In Australien und Bahrain ging er leer aus. Shanghai soll die Wende bringen. Dabei hat er gerade an diesen Ort keine guten Erinnerungen.

Vor zwei Jahren sprang er bei Sauber spontan für den verletzten Pascal Wehrlein ein. Nach einem beeindruckenden Einstand in Australien ging wenige Wochen später in China alles schief. Zweimal landete Giovinazzi in der Mauer und sorgte bei Sauber für jede Menge Kleinholz. Waren zwei Jahre Vergangenheitsbewältigung genug?

"Ich wusste, dass diese Frage kommen würde!", lacht Giovinazzi, der über die ruhmlose Vorstellung 2017 mittlerweile hinweg ist. "Das war nicht mein bestes Wochenende, aber es ist jetzt Vergangenheit", erklärt er. In beiden Fällen war es die letzte Kurve, die ihm damals auf dem Shanghai International Circuit zum Verhängnis wurde.

China 2017 für Giovinazzi eine lehrreiche Erfahrung

Zunächst flog er im Qualifying ab, dann bei feuchten Bedingungen auch im Rennen. "Im Qualifying war es wirklich die letzte Kurve, aber im Rennen war auf der Geraden einfach Aquaplaning. Da konnte ich nichts machen. Aber das passiert manchmal. Vielleicht wäre, wenn ich an dem Tag zuhause und nicht hier gewesen wäre, dort etwas schief gelaufen", erklärt er gegenüber Motorsport-Magazin.com..

"Für mich war es einfach eine Erfahrung. Ich werde es sicher nicht vergessen, denn natürlich gab es dieses Wochenende. Aber es hat mich stärker gemacht." 2019 fühlt sich der Italiener deutlich besser vorbereitet. Der Einsatz vor 24 Monaten war mehr als unvorhergesehen. Erst nach dem Trainingsfreitag in Melbourne räumte Wehrlein ein, dass die bei seinem Crash im Race of Champions zugezogene Halsverletzung keinen Start ermöglichte.

Giovinazzi musste im FP3 ran, nachdem er bei den Wintertestfahrten als Test- und Entwicklungsfahrer nur ein Mal im Sauber gesessen hatte. "Die Situation ist jetzt ganz anders. Ich bin zwei Rennen als Stammfahrer gefahren und hatte die Testfahrten. Damals musste ich in Melbourne plötzlich einsteigen, kannte das Team nicht und es war auch nicht mein Auto", sagt der 25-Jährige.

Formel 1 2019: Brennpunkte vor dem China GP: (07:08 Min.)

Giovinazzi bisher ohne Glück und ohne Punkte

"Ich habe jetzt mehr Selbstvertrauen. Ich gehe es wie Melbourne und Bahrain an, und im Vergleich zu Melbourne oder den Testfahrten habe ich mehr Vertrauen ins Auto", erklärt Giovinazzi, der nach zwei Rennen immer noch ohne WM-Punkte dasteht. Teamkollege Kimi Räikkönen hingegen hat mit zehn Punkten bisher Alfa Romeos gesamte Ausbeute im Alleingang eingefahren.

"Nachdem es in Melbourne und Bahrain mit den Punkten so knapp war, ist das Ziel natürlich, hier meine ersten Formel-1-Punkte zu holen" kündigt Giovinazzi an. Der elfte Platz beim Wüstenrennen ist sein bisher bestes Resultat in der Königsklasse. Bisher fehlte dem Rookie einfach das glückliche Händchen.

In Australien wurde sein Rennen zugunsten Räikkönens vom Team geopfert, in Bahrain kam ihm in der Schlussphase die Safety-Car-Phase in die Quere, die seinen Vorwärtsdrang stoppte. "Wir müssen uns nur im Qualifying etwas verbessern. In Bahrain hat mir nur eine halbe Zehntel zum Q2 gefehlt. Ich muss es im Quali einfach zusammenbekommen, denn die Rennpace ist schon gut", glaubt er

Giovinazzi hadert mit Formel-1-Qualifying: So viele Dinge zu lernen

Im hart umkämpften Mittelfeld der Formel 1 entscheiden mittlerweile Tausendstelsekunden über Erfolg oder Misserfolg. Räikkönen meisterte die Gratwanderung in Bahrain im Qualifying perfekt, wurde in jedem Segment letzter vor den K.o.-Rängen und kam damit in die Top-10. Giovinazzi fühlt sich nach zwei Jahren auf der Ersatzbank und im Simulator etwas eingerostet.

"Es ist nicht einfach, nach zwei Jahren ohne Rennen. Besonders im Qualifying, du verlierst das Gespür für die fliegende Runde ein bisschen. Ich brauche einfach mehr Selbstvertrauen", erklärt Giovinazzi. Gegenüber Motorsport-Magazin.com geht er ins Detail: "Es sind einfach so viele Dinge, die du lernen musst. Nicht nur die fliegende Runde, auch das Aufwärmen, die Outlap, die Bremsen, den Verkehr managen. Es ist ziemlich kompliziert."

Dass Giovinazzi die Pace hat, ist unbestritten. Doch ähnlich wie Charles Leclerc im Vorjahr nicht als fertig gebackener Ferrari-Pilot debütierte, braucht auch er seine Zeit. Anders als der Monegasse hat er mit Räikkönen obendrein eine deutlich höhere Messlatte als sein Vorgänger, dem bei Sauber Marcus Ericsson zur Seite stand.

Giovinazzi lobt Räikkönen: Weiß immer was er will

"Kimi ist eine gute Referenz. Wenn ich mir seine Daten anschaue, sehe ich, wo ich mich verbessern kann", sagt Giovinazzi, der den Iceman bereits aus seiner Zeit als Ferrari-Entwicklungspilot gut kennt: "Ich weiß wie er arbeitet. Er ist ein fantastischer Fahrer mit viel Erfahrung. Er weiß vor dem Rennwochenende immer schon, was er will. Das ist etwas sehr Gutes."

"Es ist so wie bei mir, als ich in meinem zweiten Jahr in der Formel 3 war. Da habe ich auch gesehen, wie die Rookies zu Beginn eines Wochenendes ihre Probleme hatten und ich nicht. Ich denke, das findet man in jedem Sport. Wenn du den besten und erfahrensten Athleten gegenüber stehst, fühlst du dich weniger bereit. Aber ich denke, das ist normal."

Zwar genießt Giovinazzi Welpenschutz, doch Alfa Romeos Ansprüche sind 2019 deutlich höher als noch vor einem Jahr. Während Leclerc sich in Ruhe entwickeln konnte, soll Giovinazzi lieber früh als spät seinen Teil zu einer erfolgreichen Saison beitragen. Er ist zuversichtlich, dass er schon bald wichtige Zähler für den Mittelfeldkampf sammeln wird.

"Kimi fährt fantastische Rennen und jetzt muss ich mich auch noch verbessern und an ihn herankommen, damit wir viele Punkte für das Team einfahren und zusammen eine gute Saison haben können. Ich brauche dafür einfach nur ein sauberes Wochenende. Das Auto kann es schon, wir haben ein gutes Paket. Ich muss es zusammenbringen, damit wir ein gutes Resultat haben", sagt er.