2019 ist Mattia Binottos erstes Jahr als Formel-1-Teamchef von Ferrari. Es ist ein Umbruch für Maranello - erstmals seit langem steht wieder ein Mann aus dem Technik-Stab der Scuderia an der Spitze. Die technische Seite gibt Binotto aber nicht auf. Schon bei der Verkündung als Teamchef bestätigte Ferrari, dass er trotzdem auch weiter den Posten des Technischen Direktors bekleiden würde.

Binotto hatte diese Rolle bereits in den vergangenen Jahren ausgeübt, unter dem alten Teamchef Maurizio Arrivabene. Jetzt hat er daher noch zusätzlich die Management-Aufgaben eines Teamchefs über. Damit tanzt Ferrari momentan aus der Reihe: Die Konkurrenten Mercedes und Red Bull haben beispielsweise die Rolle getrennt, und ihre Teamchefs Toto Wolff und Christian Horner haben lange, erfolgreiche Management-Karrieren hinter sich.

Die meisten anderen Teams handhaben es ähnlich. Bei Ferrari stand außerdem schon seit Jahren überhaupt kein Techniker mehr an der Spitze. Das Team überließ lieber Berufs-Managern das Management, und stellte die Technik-Leute ins Technik-Eck. Manchmal brachte das Erfolge ein, zuletzt wollte es aber nicht mehr funktionieren. Die Jagd auf den ersten WM-Titel geht also in gänzlich neuer Konstellation in die nächste Runde.

Wo liegt Binottos Fokus bei Ferrari?

Binotto hat für 2019 also ordentlich zu tun. Prioritäten müssen geschaffen werden. "Ich glaube, technische Fragen haben noch immer die höchste Priorität", erklärte er diese am Rande des Australien-GPs in der Pressekonferenz. Seine Vorstellung: "Das Auto muss schnell sein, der Rest wird dann irgendwie folgen."

Für einen Techniker wie ihn der logische Weg. "Es ist auf jeden Fall mein Hauptfokus. Oder sagen wir so, der Hauptfokus des Teams", so Binotto. "Ich glaube, das Technische, da machst du am Meisten, und da steckst du deinen Aufwand rein." Trotzdem ist der Rest natürlich nicht zu vernachlässigen - jetzt fungiert Binotto schließlich als jener Mann, der zwischen dem Unternehmen Ferrari und dem F1-Team Ferrari steht.

"Ja, es stimmt, da gibt es ein paar weitere Dinge, die gemacht werden müssen, um die man sich kümmern muss", sagte Binotto in Australien. "Aber das Technische hat noch immer die höchste Priorität." In der Woche davor hatte er der italienischen "Corriere della Sera" versichert: "Das Wichtigste ist zu verstehen, wie man ein Team organisiert und motiviert. Und ich fühle mich wie eine Person, die anderen helfen kann, ihre Arbeit gut zu machen."

Ferraris Management-Bruch: Mehr Technik dank Binotto

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Die Techniker ordneten sich bei Ferrari zuletzt immer dezidierten Managern unter. Binottos Vorgänger Maurizio Arrivabene war gelernter Marketing-Mann, und hatte seine Karriere beim Tabakunternehmen "Philip Morris International" aufgebaut. Darüber kam es zur Verbindung mit Ferrari - die Philip-Morris-Marke Marlboro zahlte (und zahlt noch immer, via Mission Winnow) viel Sponsoren-Geld an Maranello.

Arrivabenes Vorgänger waren ebenfalls hauptberufliche Manager. Stefano Domenicali (2008 bis 2014) und Marco Mattiacci (2014) studierten beide Wirtschaft. Domenicali arbeitete bei Ferrari im Sponsoren-, dann im Logistik-Bereich, bevor er unter Jean Todt zum Sportdirektor aufstieg. Mattiacci hatte zuerst Ferraris Vertrieb im Asien-Pazifik-Raum, dann in Nordamerika geleitet.

Ferrari feierte unter Jean Todt die größten Erfolge, Foto: Sutton
Ferrari feierte unter Jean Todt die größten Erfolge, Foto: Sutton

Auch Jean Todt, unter dem ein arg angeschlagenes Ferrari-Team in den Neunzigern die Trendwende zum besten Team der Formel 1 schaffte, war für die längste Zeit seiner Karriere Manager. Zwar hatte er als Rallye-Beifahrer begonnen, doch zuvor ebenfalls an einer Wirtschaftsschule studiert. Vor Ferrari hatte Todt Peugeuots Sportprogramme geleitet, danach ging er zur FIA.

Was braucht Ferraris F1-Team an der Spitze?

Über die Jahre hinweg ordneten sich bei Ferraris Formel-1-Programm diesen Managern die Techniker unter. Jean Todt fand ein sehr erfolgreiches System: Er überließ seinem Technik-Direktor Ross Brawn und seinem Designer Rory Byrne das Feld und koordinierte von oben. Dieses System, gepaart mit Michael Schumacher, brachte das vielleicht erfolgreichste Team der Formel-1-Geschichte hervor.

Doch die Jean-Todt-Ära erscheint mehr und mehr wie ein Ausnahmefall. Eine perfekte Konstellation. Ganz so gut lief die Symbiose von Management-Ebene und Technik-Ebene bei Ferrari zuletzt dann nicht mehr. Die letzte Kombination von Maurizio Arrivabene und Mattia Binotto schien 2018 nicht mehr funktionieren zu wollen. Nach außen drang nicht viel, doch eines war klar: Ferrari verlor zu Saisonende Anschluss zu Mercedes und die WM.

Mattia Binotto mit Ex-Teamchef Maurizio Arrivabene, Foto: Sutton
Mattia Binotto mit Ex-Teamchef Maurizio Arrivabene, Foto: Sutton

Binotto bestätigte gegenüber italienischen Medien zuletzt, dass er sich mit Arrivabene über die Führung des Formel-1-Teams bis zu einem gewissen Grad uneinig war. Und dass andere Formel-1-Teams zumindest versucht hatten, ihn abzuwerben. Mehr gab er nicht preis und versicherte nur: Persönliche Probleme habe es keine gegeben, die Unstimmigkeiten betrafen rein das F1-Team. Mit der Beförderung von Binotto zum Teamchef scheint Ferrari die Wechsel-Gefahr ausgeräumt zu haben.

Ferrari: Formel-1-Saisonvorschau 2019: (16:46 Min.)

Binotto wollte schließlich auch bei Ferrari bleiben. Dort hat er praktisch seine ganze Karriere verbracht. 1995 heuerte er nach dem Studium beim Testteam an, und bekleidete zu seiner Beförderung zum Technischen Direktor 2016 eine Vielzahl von Ingenieurs-Rollen. Unter seiner technischen Leitung konnte Ferrari 2017 zum ersten Mal in der Hybrid-Ära wieder um den WM-Titel kämpfen. Doch mit Arrivabene als Teamchef klappte es weder 2017 noch 2018.

Jetzt darf Binotto also auch die Management-Fragen selbst lösen. Bei Ferrari ist seit dem Tod des großen Konzernchefs Sergio Marchionne sowieso alles neu. John Elkann führt jetzt den Mutterkonzern Fiat Chrysler, Louis Camilleri die Marke Ferrari. Und Mattia Binotto reiht sich als Teamchef des Formel-1-Teams darunter ein. 2019 hat man in der Formel 1 wieder WM-Ambitionen - ob die Struktur dafür endlich richtig ist, wird sich zeigen.