Neue Gegner für die Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton, Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen. Die etablierten F1-Stars teilen sich das Grid beim ersten Rennen 2019 in Australien mit vier neuen Gesichtern. Motorsport-Magazin.com stellt die vielversprechenden Rookies der Saison 2019 vor dem ersten Grand Prix des Jahres in Melbourne vor. Für Teil drei trafen wir Lando Norris zum Exklusiv-Interview. Der McLaren-Pilot gilt zu den absoluten Top-Talenten.

Motorsport-Magazin.com: Beginnen wir von vorne: Kannst du erklären, wie du zum Motorsport bekommen bist? Es kursieren interessante Geschichten mit Pferden...
Lando Norris: Ich bin zuerst durch meinen Vater mit Motorsport in Kontakt gekommen, der Motorsport sehr gemocht hat und sich die Rennen angeschaut hat. Er hatte eine Playstation und Gran Turismo, und ich glaube das war wahrscheinlich das erste Mal, dass ich ein Auto gefahren bin. Aber das brachte mich nicht sofort zum Rennsport. Ich bin mit drei Jahren zuerst geritten, dann mit vier Jahren Quads gefahren. Dann habe ich mit ungefähr sechs ein Motorrad bekommen. Ich mochte die Quads und die Motorräder wirklich sehr, hatte auf dem Motorrad dann aber einen kleinen Unfall. Danach habe ich für eine Weile aufgehört. Eines Tages nahm mein Vater meinen Bruder und mich nach der Schule mit nach Clay Pigeon, eine Kartrennstrecke bei uns. Dort fanden die britischen Meisterschaften statt, und das war das erste Rennen, das ich mir angeschaut habe. Das muss kurz vor meinem siebten Geburtstag gewesen sein. Es sah cool aus, also wollte ich auch mal fahren. Ich glaube nicht lange danach, vielleicht einen Monat danach, bekam ich ein Bambino-Go-Kart. Und damit ging es los und ich machte meinen Weg nach oben.

Man hört, du hattest alle Möglichkeiten, Geld war offenbar kein Thema. Welche Rolle hat das Geld für dich im Motorsport gespielt?
Lando Norris: Zunächst hatte es keinen Effekt. Mein Vater kannte sich so wenig mit Motorsport aus. Ich war bei einem kleinen Team und musste manchmal nach der Schule zu den Rennwochenenden. Das erste Jahr hatte es keinen Einfluss. Mein Vater und ich hatten keinen Plan, was gut und was schlecht war. Aber als ich dann zu einem besseren Team kam, kam es von ihnen und sie sagten: All unsere guten Fahrer machen so und so viele Testtage im Jahr, und das war natürlich der Punkt, an dem das Geld half. Mir wurde ermöglicht, am Mittwochabend nach der Schule zur Rennstrecke zu fahren und zu testen und danach wieder nach Hause zu kommen. Das habe ich jeden Mittwoch gemacht. Das hat es mir erlaubt, mehr zu testen als andere Piloten. Das war wahrscheinlich die erste Sache, in der ich irgendeinen Vorteil gegenüber den anderen Fahrern hatte. Aber selbst an diesem Punkt war ich noch nicht beim besten Team. Ich war bei einem guten Team, aber nicht beim besten.

Bei Lance Stroll ist der Vater sehr präsent, was ihm auch eine schlechte Reputation als Bezahlfahrer eingebracht hat. Dein Vater nimmt sich zurück - aus diesem Grund?
Lando Norris: Er kommt zu jedem Rennen. Er war bei so gut wie jedem Rennen seit ich angefangen habe. Ich glaube, er hat in zehn Jahren vielleicht zwei verpasst. Ihm gefällt es aber nicht, im Fokus der Kameras und im Rampenlicht zu stehen. Ich mag es nicht, permanent darüber zu reden, aber verglichen mit Stroll ist er nicht einmal annähernd so wohlhabend. Und ich habe all die Gerüchte gehört, darüber wie viel ich laut den Leuten getestet haben soll und all das. Manche sind wahr, manche nicht. Aber insgesamt, in all den Jahren vom Go-Kart bis heute, habe ich mich als Fahrer gut genug angestellt, um die Schritte zu machen und abzuliefern. Manchmal hatte ich keine Unmengen von Testfahrten. Ich war einfach in der Lage, in meinem ersten Jahr gut zu fahren und deshalb wollten mich gute Teams in der nächsten Saison. Ich war in dieser Saison wieder gut und dann wollte mich wieder ein anderes gutes Team. Es ist mir nicht alles zugeflogen, es gab viele Dinge, für die ich arbeiten musste.

Schon früh erfolgreich: Norris 2015 in der ADAC Formel 4., Foto: ADAC Formel 4
Schon früh erfolgreich: Norris 2015 in der ADAC Formel 4., Foto: ADAC Formel 4

Ich will den Ruf nicht, den jemand wie zum Beispiel Stroll hat. Aber am Ende des Tages hat er es immer noch in die Formel 1 geschafft, was nicht viele Piloten schaffen. Und du kannst dir den Weg in die Formel 1 nicht einfach erkaufen. Du musst immer noch ein ziemlich guter Fahrer sein. Also ja, ich versuche natürlich nicht diese Reputation zu haben und mein Vater will nicht im Rampenlicht stehen, aber er hat einfach getan, was ihm möglich war, um mir zu helfen.

Um deine Person herum entstand in den letzten Jahren ein ziemlicher Hype. Der ist in diesem Jahr mit den Formel-2-Ergebnissen etwas abgeflaut. Wie bewertest du deine Saison?
Lando Norris: Ich glaube nicht, dass es da eine besondere Sache gab. Wir hatten vom ersten Rennen an ein gutes Verständnis davon, wie man die Reifen managt. Aber es änderte sich von Rennstrecke zu Rennstrecke sehr. Manchmal hatten wir vielleicht nicht so viel Wissen wie manch andere Teams. Aber die größte Sache für mich war, dass ich nie das volle Vertrauen hatte. Jedes Mal wenn ich einstieg, dachte ich, dass noch so viel mehr drin sein müsste. In der Formel 3 war es so, dass ich in jeder Session, ob Rennen oder Qualifying, immer das Gefühl hatte zu wissen: Ich muss dieses und jenes machen, und ich konnte einfach rausgehen und fahren. 2018 habe ich mir über alles zu sehr den Kopf zerbrochen und hatte nie das volle Vertrauen dabei, das Auto zu fahren. Ich konnte nicht herumrutschen und so am Limit sein, wie ich es in der Formel 3 konnte.

Lando Norris musste 2018 mit dem Vizetitel in der Formel 2 vorlieb nehmen., Foto: FIA Formula 2
Lando Norris musste 2018 mit dem Vizetitel in der Formel 2 vorlieb nehmen., Foto: FIA Formula 2

Ich fühle mich in mancher Hinsicht in McLarens Formel-1-Auto schon wohler als in der gesamten Saison in der Formel 2. Einfach, weil ich die Grenzen besser kenne und die exakten Bereiche, an denen ich arbeiten muss. In der Formel 2 kämpfte ich damit, alles zusammenzubringen. Es war eine sehr schwache Saison. Das Potential, mehr zu erreichen, war immer da. Jedes Mal wenn ich nach dem Qualifying zurückkam: Ich hätte dieses und jenes machen müssen, habe es aber nicht zusammenbekommen. Oder ich habe die Reifen falsch gemanagt oder sie überhitzt. Es gab immer kleine Dinge, die mich viel gekostet haben. Und das nur, weil mir das Vertrauen fehlte. Ich wusste, was ich zu tun hatte, war aber nicht in der Lage es auf der Strecke so zustande zu bringen wie ich es wollte. Ich musste mit den Pirelli-Reifen auf eine Art fahren, die meinem Stil nicht so sehr passte wie in anderen Rennserien. Es war eine Kombination aus einigen Dingen.

In der Formel 2 rutscht man weniger als in der Formel 3, aber in der Formel 1 gibt es noch mehr Abtrieb. Warum hast du dann da weniger Probleme?
Lando Norris: Wenn ich es wüsste, wäre ich wohl dazu in der Lage gewesen, diese Probleme in den Griff zu bekommen. Ich bin mir nicht sicher. Es ist für mich zu schwierig, das zu beantworten. Ich war in der Formel 3 und anderen Serien dazu in der Lage, das Auto so zu fahren, wie es meinem Fahrstil entgegenkam, mehr als es in der Formel 2 der Fall war. Mein Fahrstil passte zu diesem Auto einfach nicht und ich konnte nicht so natürlich und selbstbewusst fahren, wie es in den Jahren davor war. Im Formel-1-Auto habe ich das Gefühl, mehr so fahren zu können, wie ich es will. Und nicht auf eine spezifische Art, welche den Reifen gerecht werden. Da gibt es eine größere Toleranz, wie du fahren kannst.

Lewis Hamilton war der letzte McLaren-Junior, der groß rauskam. Für Sergo Perez, Kevin Magnussen und Stoffel Vandoorne lief es nicht so gut. Hast du die Angst, dass dir das auch passieren könnte?
Lando Norris: Nun, es könnte passieren. Es kann jedem Fahrer passieren. Aber hoffentlich kann ich sagen, dass ich mich gut genug anstelle, damit es nicht passiert. McLaren hat als Team mit den Ingenieuren und mit Gil, im vergangenen Jahr viel gelernt. Ich denke, das ist etwas, das mir sehr helfen kann und sie haben ein besseres Verständnis dafür, wie sie mir als Fahrer helfen können, mein Potential zu erreichen. Letztendlich gibt es natürlich die Möglichkeit, dass es mir passiert. Aber ich muss ganz einfach sicherstellen, dass ich meinen Job gut genug mache, dass es nicht so läuft. Die Hauptsache ist für mich natürlich, Carlos zu schlagen. Er wird genau dasselbe über mich sagen.

Stoffel hatte in den beiden Jahren kein Auto, in dem er Bäume hätte ausreißen und sich wirklich gut präsentieren können...
Lando Norris: Ich bin zuversichtlich, besonders was McLaren angeht. Ich weiß, was sie drauf haben und jeder im Team weiß für sich selbst, was er kann. Ich will nicht zu viel sagen, von wegen, das Auto wird in diesem Jahr der Wahnsinn sein oder so etwas. Wir hoffen nur, dass es eine gute Verbesserung gegenüber 2018 sein wird und wir um Punkte kämpfen können, um Top-10- oder vielleicht sogar Top-5-Plätze.

Klare Zielrichtung: Mit Norris soll McLaren mittelfristig wieder um Siege kämpfen können., Foto: LAT Images
Klare Zielrichtung: Mit Norris soll McLaren mittelfristig wieder um Siege kämpfen können., Foto: LAT Images

Aber ich glaube, das Auto muss nicht unheimlich gut sein, damit ich mein Potential zeigen kann. Wenn ich mich gegen Carlos gut anstelle, der zeitweise sehr gut gegen Hülkenberg unterwegs war, von dem jeder weiß, dass er ein ausgezeichneter Fahrer ist, reicht das schon. Es ist nicht so, dass ich unbedingt ein gutes Resultat haben muss, um zu zeigen, dass ich ein guter Fahrer bin. Innerhalb des Teams wissen sie, was gut ist und was nicht gut ist. Und sie werden in der Lage sein, das zu sagen, selbst wenn du Letzter bist, ob der Job, den du machst, gut genug ist oder nicht. Ich muss nicht hoffen, dass das Auto gut sein wird und ich dadurch mein Potential zeigen kann. Wie auch immer die Umstände sind - von denen ich natürlich hoffe, dass sie besser als dieses Jahr sind - bin ich zuversichtlich, dass ich es schaffen kann.

Wir gehen alle nicht davon aus, dass McLaren 2019 Rennen gewinnen wird.
Lando Norris (unterbricht): Das glaube ich auch nicht.

Das ist für dich etwas komplett Neues. Bislang hattest du immer die Chance, um Siege zu fahren. Wie kommst du damit zurecht?
Lando Norris: Daran habe ich mich in der Formel 2 schon gewöhnt. Das war an 2018 vielleicht gut, dass ich nicht dazu in der Lage war, alles zu gewinnen. Das hat mir einfach ein besseres Verständnis dafür gegeben, wie hart du arbeiten und wie du dich vorbereiten musst, um die anderen Fahrer zu schlagen. Ich habe letztes Jahr ein Rennen gewonnen. Ich bin mir dessen sehr bewusst, dass es dieses Jahr nicht gut sein muss oder gut sein wird. Ich weiß schon, dass es ein längeres Projekt von vielleicht zwei oder drei Jahren ist, bis wir hoffentlich zurück an die Spitze kommen. Letztendlich stört es mich nicht, wenn ich die nächsten drei Jahre keine Rennen gewinne, solange ich es irgendwann schaffen kann und über die nächsten drei Jahre Spaß habe und das Fahren genießen werde. Dann macht es mir nichts aus. Aber das sehen wir nächstes Jahr.

Erstmals seit 1995 sitzt bei McLaren kein Grand-Prix-Sieger im Cockpit. Ist die fehlende Erfahrung besorgniserregend oder wird das überbewertet? Leclerc und Verstappen liefern auch schon in jungen Jahren ab...
Lando Norris: Selbst bei Max und Charles gibt es noch viele Dinge, die sie nicht wissen oder wissen können, verglichen mit den anderen Fahrern, die das hier schon seit unheimlich vielen Jahren machen. Es gibt immer Dinge. Du kannst ein sehr guter Fahrer sein, sehr schnell, und gute Resultate einfahren. Aber manchmal gibt es Situationen, in denen du es mit mehr Erfahrung sogar noch besser hättest machen können. Erfahrung ist immer eine gute Sache. Außer du schaltest ab, weil du zu viel Erfahrung hast. Aber für McLaren ist es 2019 anders, es ist eine gute Sache. Sie brauchen etwas Frisches, etwas Neues. Es ist eine Enttäuschung, Fernando die nächsten Jahre nicht zu haben. Jeder weiß, was für ein guter Fahrer er ist und wie nett er als Person ist. Es wird insgesamt natürlich einen Erfahrungsmangel geben, verglichen mit dem, was Fernando mitbringt. Carlos ist aber sehr erfahren und weiß, was er zu tun und zu erreichen hat, und in welchen Bereichen er das Team pushen muss. Und selbst ich, der 2018 bei fast allen Rennen dabei war, weiß durch Fernando und Stoffel, wo die Stärken und Schwächen sind, und in welchen Bereichen und wie das Team in der Entwicklung gepusht werden muss. Es wäre natürlich schön, viel Erfahrung zu haben, aber das kommt nur mit der Zeit.

Steckbrief

Alter:
19 Jahre
Herkunft:
Bristol, England
Größe:
1,70 Meter
Junior-Programm:
McLaren
F1-Debüt 2019 mit:
McLaren
Erfolge:
Meister Britische Formel 4 2015
Meister Formel 3 EM 2017
2. Platz Formel 2 2018