Endlich hat das Warten ein Ende, die Formel 1 startet am Wochenende in Melbourne in ihr erstes Rennwochenende. Australien soll die ersten Antworten auf die vielen Fragen des Winters liefern. Vor allem im Hinblick auf Ferrari. Denn die Gegner von Mercedes und Red Bull sehen den SF90 von Sebastian Vettel und Charles Leclerc als die Benchmark des Feldes.

Erste Schlussfolgerungen gibt es nach den Vorsaison-Tests aber bereits. Die Formel 1 soll 2019 deutlich enger zusammengerückt sein. Wo alle zu stehen glauben, und wo sie ihre Gegner sehen - das fasst Motorsport-Magazin.com in der ersten großen Wochenend-Vorschau der Saison zusammen.

Mercedes & Red Bull schieben Favoritenrolle auf Ferrari

Nach zwei sehr starken Testwochen betritt Ferrari 2019 in Australien in der Favoritenrolle die Bühne. Das ist neu - so eindeutig wurden die Roten schon seit Jahren nicht mehr an die F1-Spitze gesetzt. "Angesichts der Eindrücke aus Barcelona erwartet uns in Melbourne ein harter Kampf", mahnt Mercedes-Boss Toto Wolff. Auch das Red-Bull-Lager um Motorsport-Berater Dr. Helmut Marko sieht das ähnlich: "Ferrari ist Favorit. Ferrari war direkt schnell, als hätten sie schon eine Woche Testfahrten hinter sich gehabt."

Ferrari versuchen im Moment noch ihr Bestes, um tiefzustapeln. "Wir beginnen die erste von vielen Etappen, und unser Ziel ist, den im vergangenen Jahr stärkeren Gegnern das Leben schwer zu machen", so der neue Teamchef Mattia Binotto. Doch nach dem Test ist die Stärke nicht von der Hand zu weisen. Sebastian Vettel fuhr dort die schnellste Runde, und sowohl er als auch Neo-Teamkollege Charles Leclerc zeigten mit starken Rennsimulationen auf. Von allen Autos schien der Ferrari SF90 mit den Pirelli-Reifen der Saison 2019 am besten umzugehen.

Allzu weit lag Mercedes am Ende der Tests allerdings nicht zurück. Lewis Hamilton kam bis auf Tausendstel an die Vettel-Bestzeit heran. Und wer den Weltmeister kennt, der weiß: Hamilton kann immer noch aus wenig viel machen. Mercedes für den Saisonstart schon abzuschreiben, das wäre ein großer Fehler.

Red Bull frohlockt: Mit Honda Attacke auf Mercedes

Red Bull hat über den Winter den Motorenpartner gewechselt. Vom Renault-Kunden steigt man zum Honda-Werksteam auf. Aufstieg? Ja, nach den Tests sind Verstappen und Kollegen höchst optimistisch eingestellt. Die Zuverlässigkeit des Honda-Motors machte über die acht Testtage keine großen Probleme. Die besten Testtage der Teamgeschichte seien es gewesen, hieß es aus dem Red-Bull-Lager.

"Es ist schwer zu sagen, aber wir glauben, dass wir zwischen Ferrari und Mercedes sind", gab Motorsport-Berater Marko danach gegenüber Motorsport-Magazin.com eine Einschätzung ab. Für Australien rechnen die Bullen noch nicht unbedingt mit einem Sieg, aber sie wollen sich mit Mercedes um die Plätze prügeln. Hinter Ferrari.

Ferrari und Red Bull bauen Fahrerpaarung um

Bei Mercedes bleibt 2019 der Status quo mit Hamilton und Bottas erhalten. Ferrari und Red Bull bauen dafür um. Beide Teams holen sich Nachwuchspiloten ins Hauptteam. Nach beeindruckender Rookie-Saison mit Sauber darf Charles Leclerc neben Sebastian Vettel zeigen, was er kann. Und Pierre Gasly muss Daniel Ricciardos Fußstapfen bei Red Bull füllen, nachdem sich der Australier zum Renault-Werksteam verabschiedet hat.

Auf den teaminternen Ferrari-Showdown ist die ganze Formel 1 gespannt. Teamchef Binotto würde Leclerc lieber langsam einführen und dem alteingesessenen Vettel zum Saisonstart den Vorzug geben. Vettel sollte also in Australien alle Trümpfe in der Hand halten - doch Leclerc hat 2018 schon gezeigt, was er kann. Ihn für Melbourne als Nummer zwei abzuschreiben ist verfrüht.

Red-Bull-Neuling Pierre Gasly bekommt um einiges weniger Chancen angerechnet. Max Verstappen ist der Platzhirsch im Kader, und außerdem einer der schnellsten Fahrer der Formel 1. Ein schwerer Brocken. Gasly selbst tat seinem Ruf mit zwei selbst verschuldeten Test-Unfällen keinen Gefallen. Wenn Verstappens 2018-Form in diesem Jahr anhält, wird Gasly in Australien einen schweren Stand haben.

Alfa Romeo extrem: Führen Räikkönen & Co. im Mittelfeld?

Das Mittelfeld der Formel 1 ist 2019 enger zusammengerückt, da sind sich alle einig. Die Ex-Force-India-Mannschaft fährt unter dem Namen Racing Point jetzt ohne Geldsorgen und will das Auto für Melbourne noch komplett umbauen. Haas hat sich einen neuen Sponsor geholt. Sauber wurde zu Alfa Romeo und schickt mit Kimi Räikkönen und Antonio Giovinazzi eine mutmaßliche Top-Paarung ins Rennen.

Alfa Romeos Aero-Design ist 2019 besonders aggressiv, Foto: LAT Images
Alfa Romeos Aero-Design ist 2019 besonders aggressiv, Foto: LAT Images

Über Alfa Romeo hängt das große Fragezeichen. Neue Fahrer, neues Geld, und außerdem bieten sie das vielleicht extremste Aerodynamik-Design im Feld auf. Nach der Präsentation ging fast Angst vor Alfa um. Doch im Test konnte sich aus dem Mittelfeld kein einziges Team klar als Favorit etablieren. "Wir haben viel Arbeit vor uns, aber das Team zeigte im Vorjahr massive Fortschritte und ich bin zuversichtlich, dass wir in Melbourne stark starten können", meint Kimi Räikkönen zu seinem neuen Arbeitgeber Alfa. Einig ist man sich nur bei einem Punkt: Ferrari, Mercedes und Red Bull bleiben außer Reichweite.

Renault, McLaren, Williams suchen Antworten: Aufstieg oder Stagnation?

Im Mittelfeld steht auch Renault noch immer. Der vierte Motorenhersteller der Formel 1 zeigte bei den Tests nichts, was auf einen Sprung nach vorne hinweisen würde. Siegkandidat ist man 2019 in Melbourne keiner, trotz der Addition von Daniel Ricciardo. Trotzdem sollte man Renault im Blick behalten. Mit dem Neuankömmling Ricciardo gegen den Renault-Veteranen Hülkenberg bieten die Franzosen das vielleicht spannendste Teamduell des Jahres.

Nach dem Red-Bull-Abgang ist McLaren das einzig verbliebene Renault-Kundenteam. In den Testfahrten starteten sie mit Bestzeiten - die zeigen aber nicht die ganze Wahrheit. Leere Tanks und weiche Reifen halfen nach, das gab das Team selbst zu. Unter dem Strich wird sich McLaren in Melbourne wahrscheinlich mit dem Rest des Mittelfeldes um Platz sieben streiten. Das wäre zumindest ein Aufschwung verglichen mit dem miserablen Ende von 2018.

Formel 1 2019: Der große Saisonausblick: (35:58 Min.)

Einig sind sich alle daher nur bei Williams: Die Erwartung ist, dass sie sich in Australien wieder am Ende des Feldes einreihen. Da dürfte selbst die deutlich verbesserte Fahrerpaarung von Robert Kubica und von F2-Meister George Russell nicht helfen. Das Auto wurde verspätet fertig, Technik-Direktor Paddy Lowe in der Vorwoche verabschiedet. Die Plätze 19 und 20 locken. Wie sich der Rest des Mittelfeldes sortiert, scheint dafür unmöglich vorauszusagen. So eng erschien es schon lange nicht mehr.

Anti-Überhol-Strecke Australien: Helfen neue Aerodynamik-Regeln?

Der Albert Park Circuit in Melbourne ist berüchtigt dafür, überholarme Rennen zu liefern. Ein fließender Streckenverlauf und kaum wirklichen Überholmöglichkeiten machen Attacken trotz mittlerweile drei DRS-Zonen zu schwierigen Unterfangen. Doch 2019 bringt die Formel 1 ein neues Aerodynamik-Paket an den Start. Breitere Frontflügel, größere Heckflügel, größere DRS-Lücke. Insgesamt soll, besonders durch stark einschränkende Frontflügel-Regeln, weniger Abtrieb erzeugt werden.

Weniger Elemente, einfacheres Design: Die neuen Frontflügel der Formel 1, Foto: LAT Images
Weniger Elemente, einfacheres Design: Die neuen Frontflügel der Formel 1, Foto: LAT Images

Ob dieses neue Paket tatsächlich für mehr Überholmanöver sorgen wird, da scheiden sich die Geister. Im Test war es natürlich schwer zu beurteilen. Einige Fahrer meinten, es habe sich minimal verbessert. Andere meinten, es habe keinen Unterschied gebracht. Und die Teams wollen das Abtriebs-Niveau des Vorjahres bereits in Australien wieder erreicht haben. Große Hoffnungen auf ein Überhol-Fest weckt das keine. Trotzdem sollte jeder daran denken: Dafür ist Melbourne eben nicht bekannt. Die neuen Aero-Regeln nach Australien abzuschreiben, wäre verfrüht.

Reifen für Australien: Neue Mischungen, neue Namen

Pirelli hat über den Winter gleich mehrere Anpassungen an den Formel-1-Reifen vorgenommen. Die Reifen ähneln jetzt jenen Reifen mit dünnerer Lauffläche, die 2018 nur drei Mal verwendet wurden. Außerdem werden sie anders hergestellt: Neue Reifen glänzen daher bei der Ausfahrt. Zusätzlich wurden die Namen verändert. An jedem Wochenende gibt es nur mehr Hard, Medium und Soft.

Dahinter verstecken sich allerdings fünf verschiedene Mischungen, die wie in den Vorjahren nach Bedarf kombiniert werden. Genau aufgeschlüsselt findet sich das in der unten verlinkten Reifenübersicht. Bei der Auswahl tanzt für Australien niemand aus der Reihe. Ein bis zwei Sätze Hard, ein bis drei Sätze Medium und ansonsten Soft.

Formel 1 Australien: Der Zeitplan

Mit Zeitverschiebung gilt es in Australien wie gewohnt zu kämpfen. Um 02:00 Uhr morgens mitteleuropäischer Zeit muss aufgestanden werden, um das Training zu verfolgen. Rennen und Qualifying finden etwas später statt. Um 07:00 Uhr startet am Samstag der Kampf um die Pole, um 06:10 Uhr am Sonntag das Rennen.

Formel 1 2019: Regeländerungen

2019 liefert die Formel 1 ein paar Anpassungen am Reglement vor. Verbesserungen, wie man hofft. Zuerst gibt es da ab Australien einen Punkt für die schnellste Rennrunde. Allerdings mit Einschränkungen - nur wenn der schnellste Fahrer auch im Ziel unter den Top 10 liegt, bekommt er den Punkt. Außerdem gibt es die bereits angesprochenen Aero-Änderungen, sowie ein paar Anpassungen am sportlichen Reglement. Eine Übersicht gibt es hier verlinkt:

Wetter in Australien: Schöner Spätsommer in Melbourne

Frühjahr auf der Nordhalbkugel bedeutet Spätsommer in Australien. In der Vergangenheit brachte dieser schon einmal gerne Regen mit sich, doch für 2019 zeigt sich kein Tropfen auf dem Wetterradar. Schönes Wetter von Anfang bis Ende, Temperaturen zwischen 23 und 26 Grad. Immerhin erlaubt das einen besseren Rückschluss auf die Kräfteverhältnisse.