Noch gibt es keine Budgetgrenze in der Formel 1, auch wirklich einschneidende Änderungen im Reglement erwarten uns frühestens 2021. Die Anpassungen der Formel-1-Regeln für 2019 zielten vor allem darauf, Racing und Überholen durch weniger Dirty Air zu verbessern - nicht auf eine Performanceangleichung in der Königsklasse.

Einer Königsklasse, die eigentlich nur aus drei Regenten besteht. Mercedes, Red Bull und Ferrari. Alle anderen Teams fahren diesem Dreigestirn seit Jahren hoffnungslos hinterher. 2018 stand nur ein einziger Pilot neben den sechs Fahrern der drei Top-Teams auf dem Podium, genauso 2017. Eine klare Zweiklassengesellschaft also.

Lewis Hamilton: Mittelfeld nur noch halbe Sekunde zurück

Doch potentiell könnte jetzt früher als gedacht Bewegung in dieses eingefahrene Muster kommen. Zumindest sieht das einer so, den man gut und gerne als Kaiser der Könige bezeichnen kann. "Momentan sind drei Teams vorne, aber die anderen dahinter haben aufgeholt soweit ich das sehe. Das ganze Pack ist näher dran und ich weiß nicht einmal, welches Team hinter uns gerade Vierter ist. Aber sie sind alle viel näher dran als in der Vergangenheit", meint Lewis Hamilton nach den Testfahrten der Formel 1 zur Saison 2019.

Formel 1: Gibt es 2019 mehr Überholmanöver?: (06:43 Min.)

Der amtierende Weltmeister beziffert diese Einschätzung sogar. "Vorher war es eine Lücke von einer Sekunde, jetzt sind sie innerhalb einer halben Sekunde oder sogar weniger", sagt der Mercedes-Pilot. "Das ist klasse. Wie sie über das Jahr entwickeln, ob sie die Kapazitäten haben wie die drei Top-Teams zu entwickeln oder nicht, wird deshalb der Knackpunkt sein. Es wird auf jeden Fall spannend. Vielleicht sehen wir ein paar Rennen, bei denen Renault oder Force India [Racing Point, Anm. d. Red.] sehr viel weiter vorne sind als in der Vergangenheit."

Ein Blick auf die absoluten Bestzeiten aller Teams in den zwei Wochen Testfahrten in Barcelona bestätigt diese Beobachtungen des Weltmeisters. Reifenbereinigt liegen immerhin vier Fahrer der Mittelfeldteams weniger als eine halbe Sekunde hinter dem langsamsten Piloten der drei Top-Teams in Barcelona, Valtteri Bottas (s. Tabelle). Carlos Sainz war im McLaren sogar marginal schneller. Geht man auf ein Delta von nur einer Zehntel mehr, also 0,6 Sekunden, kommen gleich noch einmal drei Fahrer dazu.

Formel-1-Mittelfeld beim Test: Eng & nah dran an Top-Teams

POSFahrerTeamZeitReifenKorr. ZeitRückstand
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6Carlos Sainz McLaren 1:17,144C4 1:17,1440,347
7Valtteri Bottas Mercedes1:16,561C5 1:17,1610,364
8Nico Hulkenberg Renault 1:16,843C5 1:17,4430,646
9Alexander Albon Toro Rosso 1:16,882C5 1:17,4820,685
10Daniil Kvyat Toro Rosso 1:16,898C5 1:17,4980,701
11Kevin Magnussen Haas1:18,199C3 1:17,5990,802
12Romain Grosjean Haas1:17,076C5 1:17,6760,879
13Lando Norris McLaren 1:17,084C5 1:17,6840,887
14Daniel Ricciardo Renault 1:17,114C5 1:17,7140,917
15Kimi Raikkonen Alfa Romeo 1:17,239C5 1:17,8391,042
16Antonio GiovinazziAlfa Romeo1:18,511C31:17,9111,114
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Renault und das geschrumpfte Niemandsland hinter Top-Teams

Ein Befund, der so erstaunlich ist, dass sich Daniel Ricciardo schon in halben Widersprüchen verheddert. "Unsere Absicht ist, Vierter oder besser zu sein. Also geht es vor allem darum, den Rückstand auf die Top-3 zu verkürzen. Wie ihr wisst, ist der groß - das wird also nicht über Nacht geschehen", sagt der Renault-Neuzugang einerseits.

Andererseits zweifelt der Australier genau das auch wieder an: "Ich nehme an, dass die drei Top-Teams noch immer einen gewissen Spielraum auf die anderen haben, aber wissen tue ich das auch nicht. Wenn man sich nur die Zeit von Sainz anschaut - selbst wenn die auf dem weichsten Reifen gefahren wurde, ist es noch immer eine 1:17.1. Das ist schnell!"

Für Renault lautete das Ziel jedoch auch, nicht nur den Rückstand nach vorne zu reduzieren, sondern sich noch dazu deutlich vom ganzen Rest des Mittelfelds zu distanzieren. Eigentlich sollte das schon 2018 passieren. Gescheitert. 2019 droht nun ein ähnlich schweres Unterfangen. Eine ganz logische Rechnung: Ist das Mittelfeld in seiner Gesamtheit näher an die Top-3 gerückt, bleibt für die Franzosen weniger Raum, sich davon abzusetzen. Das Niemandsland wird kleiner.

Genau deshalb bleibt Ricciardo bei Prognosen, ob es Renault 2019 gelingt, vorsichtig. "Es würde mir gefallen, davor zu sein, aber es gibt keinen handfesten Beweis, dass wir es sind. Auf jeden Fall sieht es in der ganzen Mittelfeldgruppe eng aus", meint der Australier. Die reifenbereinigten Zeiten brachten erste Klarheit in das Kräfteverhältnis, doch bleiben noch immer die Faktoren Spritmenge, Uhrzeit, zu der die Zeit gefahren wurde, und damit Streckenbedingungen sowie Motoreinstellungen.

Mittelfeld 2019 besonders eng? Hülkenberg: War es schon immer!

Doch trotz alldem ist Ricciardo sicher: "Gerade würde ich auf jeden Fall sagen, dass das Mittelfeld eng aussieht. Alle da können niedrige 1:17er fahren", so Ricciardo in Barcelona. Also nicht nur ein näher gerücktes Mittelfeld, sondern auch ein noch engeres als je zuvor? Ricciardo-Teamkollege Nico Hülkenberg winkt ab: "Ich verstehe nicht, warum die Leute sagen, das Mittelfeld ist so eng dieses Jahr. Ich fahre schon mein ganzes Leben im Mittelfeld und bin somit gewissermaßen Experte: Es ist schon immer eng!"

Doch noch enger geht natürlich immer. 2019 scheint es erneut so zu sein. Obwohl abgewandelte Regeln gewöhnlich im ersten Jahr mehr Streuung bringen, scheint es 2019 anders zu sein, alles noch einmal näher zusammengerückt. "Wir wissen, dass wir nicht die Schnellsten sind, aber auch nicht die Langsamsten der Teams im Mittelfeld. Außerdem ist der Unterschied zwischen dem schnellsten und langsamsten dieser Teams weniger als eine halbe Sekunde", meint etwa Sergio Perez von Racing Point.

So eng schaut es im Mittelfeld wirklich aus

Unterzieht man diese Aussage wie zuvor jene Hamiltons einem Realitätscheck mit der bereinigten Bestzeitenliste (s. Tabelle oben), stimmt das zumindest im Ansatz. 0,75 Sekunden trennen hier die beste Zeit eines Fahrers, der nicht Mercedes, Ferrari oder Red Bull fährt (Sainz) von der langsamsten (Räikkönen). Racing Point, erst in Australien mit dem eigentlichen RP19 am Start, und Williams, in der gegenwärtigen Konstitution nicht als Mittelfeldteam zu bezeichnen, sind aus der Rechnung exkludiert.

Letztgenannter Räikkönen stimmt unterdessen seinen Vorrednern zu. "Es ist sehr unklar, wo wir stehen. Wir wissen nicht hundertprozentig, wo wir stehen und werden das erst noch herausfinden Aber so geht es allen", sagt Räikkönen.

Räikkönen: Riesige Unterschiede allein durch Tagesform

"Nichts ist garantiert. Ob wir jetzt Fünfter sind oder Zehnter? Wer weiß das schon. Ich denke, es wird im Mittelfeldpack sowieso ziemlich eng. Wenn du deinen Job gut machst, wirst du viel weiter vorne landen als wenn du mal einen nicht ganz idealen Tag hast."