Auf noch 567 Runden brachte es Williams bei den Formel-1-Testfahrten 2019 in Barcelona nachdem das Team die ersten zweieinhalb Tage komplett verpasst hatte. Der FW42 war nicht rechtzeitig fertig geworden. Dieses Pensum reichte unter dem Strich beinahe, um in der Rundentabelle Racing Point (625) noch auf den letzten Rang zu verdrängen.

Das wirkt wie ein starkes Comeback, das erfolgreiche Komprimieren des geplanten Testprogramms, das Teamchefin Claire Williams nach dem Desaster von ihrem Team gefordert hatte.

"Nachdem wir so spät zum Testen gekommen waren, war unsere Zuverlässigkeit dann unfassbar hoch. So konnten wir dennoch unsere ursprünglich angedachte Kilometerzahl abschließen und alle verfügbaren Reifensätze verbrauchen", meinte noch am letzten Tag in Barcelona auch Technikchef Paddy Lowe. Inzwischen ist der Brite beurlaubt.

Nicht erst seit dieser Nachricht stellte sich die Frage: Trügt das Bild? Der Vergleich mit Racing Point ja. Der Force-India-Nachfolger will in Barcelona nur deshalb so wenig gefahren sein, weil schon in Melbourne ein gewaltiges Update für den RP19 kommen soll.

Williams' trügerische Rehabilitierung beim Test

Noch ein anderer Vergleich zeigt, dass Williams seine Pläne kaum noch erfüllen konnte - oder diese schlicht nie sehr ambitioniert waren: Mercedes. Die Silberpfeile kamen ebenfalls ohne Zuverlässigkeitsprobleme über den Test, doch fuhr Lewis Hamilton allein (638 Runden) eine ganze Renndistanz mehr als Robert Kubica (268) und George Russell (299) zusammen.

Nach Test-Blamage: Köpferollen bei Williams? (06:52 Min.)

Damit nicht genug: Zuverlässigkeit ist immer nur die eine Seite der Medaille, die Performance genauso wichtig. Dabei sieht es für Williams ebenso schlecht aus: Russell und Kubica landeten auf den letzten beiden Rängen aller F1-Fahrer der Saison 2019 - mit Respektabstand. Reifenbereinigt fehlten dem Briten drei, dem Polen neun Zehntel. Auf P18.

Russell: Offensichtlich, dass wir die langsamsten sind

"Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass wir gerade nicht das langsamste Team sind", zieht Russell nach dem Test schonungslos Bilanz. "Es liegt auf der Hand, dass wir noch Arbeit zu tun haben", so der Mercedes-Junior.

Ähnlich sieht es Robert Kubica. "Es nicht sehr lang bis zum ersten Rennen und wir stehen nicht da, wo wir stehen wollen", poltert der Pole. "Wir müssen jetzt erst einmal sicherstellen, dass das Auto in einem Stück bleibt! Denn die Realität sieht so aus, dass mein Test nach dem ersten Run am Mittwochnachmittag vorbei war. Der Rest ... da muss ich vergessen, wie ich gefahren bin und was ich gefühlt habe."

Das klingt durch die Bank negativ. Doch einige Funken Hoffnungen gibt es dann doch. "Es gab ein paar positive Anzeichen", so Kubica, insgesamt dennoch ziemlich niedergeschlagen. "Es ist eben schwierig zu sagen, dass es vorwärts geht, wenn du eigentlich nur in der Garage bleibst - oder ein Auto fährst, das nicht in der Verfassung ist, in der es sein sollte."

Damit zielt der F1-Rückkehrer vor allem auf den letzten Testtag in Barcelona. Dort waren Williams die Ersatzteile ausgegangen, sodass mit einem ziemlich havarierten FW42 kaum noch ein Erkenntnisgewinn zu erzielen war. Für Kubica nicht einmal eine Überraschung - und dennoch ein Auslöser von Frustration.

Williams: Ersatzteilmangel ruiniert Testabschluss

"Natürlich hatten wir eine große Verzögerung und natürlich sind einige der Probleme heute die Folge der großen Hektik. Wenn du schon ein Problem gehabt hast, das Auto fertig zu bekommen, dann hast du auch noch Probleme mit den Ersatzteilen", schildert der 34-Jährige. "Es war nötig, Teile zu tauschen, aber wir konnten nichts ersetzen."

Kubica weiter: "Wir haben natürlich einige Runden gedreht, aber die Verfassung des Autos war weit entfernt von optimal. Leider war das Auto so nicht repräsentativ, wie es hätte sollen sein. Das hatte heute große Auswirkungen auf unseren Test und unser Programm. Die Informationen waren allesamt irreführend und deshalb war es schwierig, für Australien zu lernen."

Am Ende habe Williams damit noch das Maximum dessen ausgerichtet, was möglich gewesen sei. "Aber dieses Maximum ist nicht genug. Wir haben einen weiteren Tag verloren. Ich weiß vielleicht 20 Prozent von dem, was ich wissen sollte! Alles andere ist unbekannt. Ich habe keinen längeren Longrun als 15 Runden gefahren. Es gibt viele Fragezeichen. Wir fahren blind nach Australien, das ist die Realität. Wir können es nicht ändern", hadert Kubica.

Sein Comeback hat sich der Pole also ganz anders vorgestellt. Dabei hatte es am Mittwoch der letzten Testwoche sogar noch halbwegs anständig ausgesehen. "Mein letzter Run, auf dem ich das Auto gut gefühlt habe, war der erste Run am Mittwochnachmittag. Da hat das Auto Dinge getan, die mich überrascht haben. Eine echt angenehme Überraschung. Daraus habe ich jede Menge Zuversicht gezogen", erinnert sich Kubica. "Aber seitdem ist die dann wieder verschwunden, denn das Auto war nicht in der richtigen Verfassung."

Williams hofft: Zumindest die Basis des FW42 soll stimmen

Tag zuvor hatte es auch bei Kollege George Russell noch halbwegs anständig ausgesehen. "Es war schon sehr positiv, dass wir gegenüber Robert im Auto gestern einen großen Schritt gemacht haben als ich ins Auto gesprungen bin. Hoffentlich bemerken wir einen weiteren Schritt, wenn er morgen wieder dran ist", so der Brite nach dem vorletzten Testtag. Doch kam es eben völlig anders. Keine Pace, keine Entwicklung, keine Lehren.

Deshalb mahnt letztlich auch Russell: "Rundenzeiten haben wir noch nicht geschafft, da müssen wir noch einiges finden ... Wir sind einen großen Schritt hinter allen anderen!" Doch stimmt 2019 zumindest die Basis? Hat Williams mit dem FW42 zumindest eine Plattform, auf die das Team aufbauen kann? Anders also als bei dem völlig verkorksten Vorgänger?

Zumindest Technikchef Paddy Lowe ist davon überzeugt - und beruft sich dabei auf Robert Kubicas Run vom Mittwoch. "Robert ist das alte Auto hier vergangenes Jahr sehr viel gefahren und hat jetzt ein paar sehr ermutigende Aussagen über die Qualitäten des neuen getätigt. Er meint, dass wir einen großen Schritt gemacht haben, was die Plattform angeht", so der Brite.

Soll im Detail heißen: "Ein Auto, das viel fahrbarer ist, ein Auto, mit dem du als Fahrer arbeiten kannst, mit dem du das Reifenmanagement kontrollieren kannst, bei dem du die Balance und Pace kontrollieren kannst - was alles definitiv alles keine Beschreibung dessen ist, was wir über das letztjährige Auto hätten abgeben können ..."