Mercedes sorgte gleich zum Start der zweiten Woche Formel-1-Testfahrten 2019 in Barcelona für einen Knüller. Ein gigantisches Update für den F1 W10 formte aus dem Silberpfeil ein nahezu komplett neues Auto gegenüber der ersten Woche.

Das erste Fazit von Lewis Hamilton, Valtteri Bottas und Technikchef James Allison nach dem ersten Testtag fiel vorsichtig positiv aus. Mit inzwischen deutlich mehr Kilometern in den Büchern lieferte der finnische Bestandteil des Trios jetzt ein viel detailliertes Update.

Vor seinem bereits vorletzten Run bei den diesjährigen F1-Tests am Donnerstagnachmittag bestätigte Bottas vor allem zwei Dinge: Ja, das neue Aero-Paket ist ein Schritt nach vorne. Nein, es ist nicht zwingend ein Schritt nach ganz vorne. "Es ist besser. Aber ob es genug ist, ist das große Fragezeichen", rätselt Bottas.

Hintergrund: Die extrem starke Vorstellung Ferraris hat nachhaltig Eindruck hinterlassen. "Sie sehen noch immer stark aus", sagt Bottas. Auch Red Bull scheine in guter Form. Unerreichbar sei aber niemand. "Von den Tests bis Melbourne kann sich ohnehin noch viel verändern. Wir müssen aber noch mehr von dem neuen Paket abrufen, um wirklich mit ihnen in Wettbewerb treten zu können. Gerade sehen sie [Ferrari] also sehr stark aus, mein Gefühl ist, dass sie gerade vorne sind. Aber es sind noch ein paar Wochen", ergänzt Bottas.

Bottas: Mercedes-Update bringt bessere Stabiltät

Die Richtung bei seinem eigenen Team stimme aber durchaus. Es geht also nur um die Frage der Relation zu Ferrari. "Es fühlt sich auf jeden Fall nach einer verbesserten Stabilität gegenüber der vergangenen Woche an, was den Gesamtabtrieb des Autos angeht", schildert Bottas, was genau besser geworden ist. "Aber wir denken, dass wir auf jeden Fall noch nicht alles entfesselt haben." Das zeige allein schon, dass er und Mercedes selbst gegen Ende der Testfahrten noch mit jedem einzelnen Run unfassbar viel lernen würden, so der Finne.

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Auch deshalb sei der aktuelle Status Quo des Silberpfeils ganz sicher noch nicht die finale Ausbaustufe für Melbourne. "Jedes Team wird da noch ein paar Änderungen vornehmen. Es wird nicht das identische Auto wie hier sein", so Bottas. Ob eine Rückkehr des alten Aero-Pakets aus Woche eins noch möglich sei, will Bottas unterdessen nicht final ausschließen.

Bottas: Radikalkur keine Reaktion auf Ferrari-Form

Ein klare Absage erteilte der Finne jedoch der Theorie, Mercedes habe mit der Radikalkur nur auf die Ferrari-Show der ersten Woche oder eigene Probleme reagiert. Vielmehr sei diese Herangehensweise von langer Hand geplant gewesen. "Das Paket, das wir jetzt gebracht haben, ist schon lange entwickelt worden. Wie auch das Paket der letzten Woche. Es war nicht so, dass wir vergangene Woche erkannt haben, dass wir nach etwas jagen müssen. Nicht deshalb haben wir etwas Neues gebracht. Es war so geplant", versichert Bottas.

Und es sei richtig gewesen, ergänzt er. Die erste Woche mit dem alten Paket sei jetzt keine komplette Verschwendung gewesen. "Das Team hat kalkuliert, dass das der beste Weg ist, um nach vorne zu kommen. So hatten wir die maximale Zeit für das Upgrade-Paket - um es zu verbessern", erklärt Bottas mit der so eine Woche längeren Entwicklungszeit in der Fabrik.

Ist die Mercedes-Diva zurück? Bottas sieht schmalen Sweetspot

Verbesserungen seien - und da wiederholt sich Bottas mehrfach - aber auch mit dem gegenwärtigen Paket noch in Hülle und Fülle nötig. Woran hapert es noch? Nach wie vor an der Balance. "Da haben wir ein paar Probleme, die wir lösen müssen", berichtet Bottas. Gerade bei Mercedes ein Thema mit Vorgeschichte. Ein enges Arbeitsfenster, in dem der Silberpfeil seine maximale, dann oft überlegene, Performance zeigt, brachte dem Auto etwa 2017 schon den Titel der 'Diva' ein. Gibt es hier 2019 ein Comeback?

Bottas' Aussagen deutet stark darauf hin. "Es ist vielleicht mal wieder ein Auto, das einen sehr kleinen Sweetspot hat. Aber wenn es den trifft, kann es sehr schnell sein", sagt der Finne. "Es ist noch kein perfektes Auto. Wir spüren aber, dass das Potential da ist. Auf jeden Fall. Und von letzter Woche zu dieser waren wir schon in der Lage, die Gesamtbalance des Autos zu verbessern", relativiert Bottas sogleich.

Bottas: Mercedes in langsamen Kurven besser als 2018

"Auch der Grip hat sich insgesamt verbessert, die Abtriebsstabilität. Aber all diese Bereiche können wir noch immer verbessern." Gegenüber dem Vorjahr habe sich ohnehin einiges getan. "Ich sehe auf jeden Fall Bereiche, in denen das Auto klar besser ist als letztes Jahr. Dazu gehören langsame Kurven. Da fühlt sich das Auto besser an als letztes Jahr. Aber gibt noch Bereiche die wir verbessern müssen …"

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Doch da habe er volles Vertrauen in Mercedes - und keine Angst vor einer neuen Diva. "Wir waren ja schon vorher in schwierigen Lagen mit dem Auto, hatten Wochenenden, an denen wir mit dem Auto unter der Performance geblieben sind. Jedes Hindernis kann überwunden werden", erinnert Bottas an die am Ende durch Mercedes noch immer gelösten Probleme.

Mercedes kann in Melbourne Nr. 1 schaffen - oder zur Jagd blasen!

"Wir können bis zum Saisonstart in Melbourne auf jeden Fall in der bestmöglichen Verfassung sein", meint Bottas deshalb. "Nur ob das reicht, das Rennen zu gewinnen, kann man jetzt noch unmöglich sagen", so der Finne. Eine gewisse Skepsis bleibt also. Zumindest für den Auftakt. Denn selbst ohne das beste Paket in Australien wäre längst noch nichts verloren, meint Bottas.

"Mit den Regeländerungen - auch wenn sie nicht extrem sind - wie komplex die Autos sind, ist es zum Start der Saison bis zum Ende der Saison so, dass wir bei allen Team über die Saison größeren Verbesserungen sehen werden als vergangenes Jahr. Wenn wir da beim Entwicklungsweg die richtigen Entscheidungen treffen, dann werden wir stark sein", sagt Bottas.

Vorziehen würde er zwar natürlich das beste Paket gleich zum Start - und das sei auch noch zu erreichen. "Es ist ein starkes Team. Wir können das", betont Bottas. Doch selbst wenn nicht: "Dann müssen wir sie eben jagen. Es ist ein großartiges Team, tolle Anlagen und Leute. Auch Aufholen ist für uns nicht unmöglich zu erreichen."