Einen abgesagten Shakedown, zweieinhalb Testtage und 28 Minuten. So viel Zeit der Formel-1-Testfahrten 2019 hat das Traditionsteam Williams verpasst, bevor der FW42 am Mittwoch mit George Russell hinter dem Lenkrad zum ersten Mal seine Nase auf der Strecke blicken ließ.

Nach Test-Blamage: Köpferollen bei Williams?: (06:52 Min.)

Mehr als ein Viertel der heute so arg begrenzten Testzeit hat der Rennstall damit verpasst. Ausgerechnet dieser Rennstall, könnte man gut ergänzen. Immerhin hatte Williams erst im Vorjahr die schlimmste Saison der langen Teamgeschichte erlebt: Das Team aus Grove rutschte bis auf den letzten Platz der Teamwertung ab, rief erst Krisenmodus, dann Wiederaufbauprogramm aus.

Williams komplett kalt erwischt

Und dann knallt es jetzt gleich weiter mit dem ersten verpassten Testauftakt der Williams-Historie. Wie konnte das passieren? Wer ist verantwortlich Wie dramatisch sind die sportlichen Folgen für das Team? Wie extrem leidet die Saisonvorbereitung? Am Nachmittag stellte sich Teamchefin Claire Williams in Barcelona den Fragen der Journalisten. Motorsport-Magazin.com war dabei.

"Uns wurde erst recht spät bewusst, dass wir es nicht zum Shakedown und infolgedessen nicht pünktlich zum Test schaffen würden. Wir dachten dann, dass wir es bis Dienstag zusammen bekommen könnten, aber die Teile kamen einfach nicht so gut zusammen wie gehofft und geplant", berichtet die Britin.

Ursache? Aufarbeitung noch nicht begonnen

Williams wurde also völlig kalt erwischt. Aber warum? Da will die Chefin keine Details verraten. "Es ist in Grove auch intern sowieso noch nicht aufgearbeitet", verteidigt sie diese Absage an Aufklärung. Ein durchaus nachvollziehbarer Punkt, fokussiert Williams aktuell doch alle Ressourcen darauf, endlich die Saisonvorbereitungen auf Linie zu bekommen.

Tests 2019: Eindrücke vom 2. Testtag in Barcelona: (09:46 Min.)

"Aber einige der Probleme sind uns natürlich klar bewusst", ergänzt Williams. Völlig kopflos ist man in Grove also nicht. "Wir müssen auflösen, was da danebengegangen ist, damit das nicht wieder passiert", fordert Williams ohnehin selbst Aufarbeitung. War vielleicht ein Zulieferer das Problem? Oder Williams selbst? "Möchte ich auch nichts zu sagen, sorry", winkt Williams auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com ab.

Personalie Paddy Lowe: Muss der Technikchef gehen?

Genauso zum Thema Paddy Lowe. Um den Williams-Technikchef rankten sich in der britischen Presse in den vergangenen Tagen Gerüchte, wonach seine Position bedenklich wackeln würde. Noch dazu wurde jetzt seine Medienrunden für den Abend abgesagt. "Er fokussiert sich auf das Auto, damit das in bestmöglicher Verfassung ist", erklärt Williams diesen Schritt.

Doch zwischen den Zeilen lässt sich durchaus herauslesen, dass man zumindest nicht überrascht sein sollte, sollte in Kürze eine Trennung publik werden. "Ich habe die Spekulationen in den Medien gelesen. Aber gerade denken wir alle nur das Auto. Wir sollten an das Auto denken", so Williams. Und: "Ich denke, dass es sich für mich nicht gehört, unsere schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit zu waschen. Das ist nicht richtig."

Claire Williams: Beschämend, kann mich nur entschuldigen

Furchtbar sei die Situation ohnehin genug. Noch mehr als das. "Das ist keine Lage, in der wir uns wiederfinden wollten. Wir sind nicht nur enttäuscht. Es ist beschämend, das Rennauto nicht auf die Stecke zu bekommen wenn es alle anderen schaffen", ärgert sich Williams. "Besonders bei einem Team wie uns, dass in den ganzen 40 Jahren dieses Auto immer abgeliefert hat."

Williams weiter: "Wir können uns deshalb nur entschuldigen. Ich möchte mich bei unseren Fans entschuldigen und all den Leuten, die jetzt in Grove diesen Druck hatte, es noch hinzubekommen. Und vor allem bei George und Robert, die sich auf Montag im Auto gefreut hatten und sich bestmöglich auf die Saison vorbereiten wollen. Aber sie haben fantastisch reagiert, verständnisvoll."

Nicht zu vergessen der neue Titelsponsor Rokit. "Aber die haben uns da echt klasse unterstützt. Jonathan (Rokit-Chef Kendrick ; Anm. d. Red.) war ja selbst im Motorsport und weiß deshalb, dass manchmal nicht alles nach Plan läuft."

Williams unter Druck: Komprimiertes Programm muss jetzt sitzen

Dass mit Russell nun das Streckendebüt endlich doch noch geglückt ist, stimmt Williams nichts als erleichtert. Sehr erleichtert. "Denn es wäre eine Untertreibung, zu sagen, dass es schwierig war. Es war ja keine Absicht. Sowas will niemand erleben. Ich kann gar nicht beschreiben, wie hart das war. Jetzt war es eine große Erleichterung."

Doch geschafft hat Williams damit noch das Wenigste. Jetzt muss all die Arbeit in zwei Tage weniger gequetscht werden. "Wir müssen unser Programm jetzt komprimieren und uns auf das Wesentliche - Aero-Runs - konzentrieren, um für Melbourne bereit zu sein. Wir müssen jetzt einfach das Maximum aus der Zeit machen. Dafür müssen wir ganz besonders sicher gehen, dass das Auto jetzt zuverlässig ist", prophezeit Williams weitere harte Tage.

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Letzte Teile fehlen zudem noch immer, erreichen erst am Abend den Circuit de Barcelona-Catalunya. Gleich die nächste potentielle Baustelle: Melbourne. Beim Saisonstart Mitte März müssen immerhin gleich zwei Boliden einsatzbereit sein - plus Ersatzchassis. Bei Testfahrten ist aus Kostengründen immerhin immer nur ein Auto je Team im Einsatz.

"Aber da bin ich sicher, dass für Melbourne alles bereit ist", verspricht Williams. Wie sehr die ganze Saison wegen des Debakels nun bereits unter einem erneut ganz schlechten Stern steht, vermag Williams nicht zu sagen.