Mercedes hat den neuen Silberpfeil für die Formel-1-Saison 2019 vorgestellt. Der F1 W10 ist - wie der Name bereits sagt - der zehnte silberne Bolide der Neuzeit. Seit 2014 ist Mercedes ungeschlagen - und scheut sich seither vor Revolutionen. Auch der 2019er Bolide ist wieder eine konsequente Weiterentwicklung seines erfolgreichen Vorgängers - hat es aber in sich. Der Technik-Check des Mercedes F1 W10.

Man muss Mercedes dankbar sein: Dankbar für diese Nase! Als einziger Rennstall vertrauen die Silberpfeile seit 2014 auf eine elegante Lösung ohne Knoll. Mit Ausnahme von Toro Rosso 2017 setzen alle anderen Teams auf ein anderes Konzept. Mercedes bleibt sich aber treu und verändert an der Nasenform nichts. Wie bei seinem Vorgänger ist die gesamte Nase extrem schlank gehalten, so dass der Übergang zum Chassis auffällt.

Seit Jahren baut Mercedes lange Autos. Das gibt den Aerodynamikern viel Raum, die Luftströme zu gestalten. Daran hat sich 2019 nichts geändert. "Der W10 hat den Radstand und die generelle Bauweise mit seinen Vorgängern gemein", erklärt Technik-Chef James Allison.

Formel-1-Autos 2019 im Technik-Check: Mercedes F1 W10: (14:42 Min.)

Mercedes-Frontflügel einzigartig

Der Frontflügel ist natürlich neu. Wie es die Regeln wollen, ist er deutlich einfacher gehalten. Es fallen allerdings schon deutliche Unterschiede zur Konkurrenz auf: Die fünf Elemente sind sich in ihrer Größe ähnlich und verlaufen über die gesamte Breite hinweg geschwungen.

Mercedes biegt die Frontflügel-Endplatte nach innen, Foto: Mercedes
Mercedes biegt die Frontflügel-Endplatte nach innen, Foto: Mercedes

Die große Überraschung gibt es aber an der Endplatte: Auch sie ist 2019 extrem eingeschränkt in ihrer Form und ihrem Winkel. Während die bisher vorgestellten Autos den maximalen Winkel aber nutzen, um die Luft nach außen zu leiten, zeigt die Endplatte bei Mercedes nach innen. Bei der Flügelbreite von 2,00 Metern überrascht das.

An der Unterseite der Nase ist weiterhin die berühmte Schaufel statt zerklüfteter, einzelnen Turning Vanes angebracht. Darüber befindet sich wieder ein Lufteinlass, der vermutlich den S-Schacht versorgt.

Radträger-Winkel bleibt

Auch an der Vorderachse gibt es kaum Neues. Reglement-bedingt müssen die Bremsbelüftungen und die Verkleidung des Radträgers simpler werden. Trotzdem baut Mercedes weiterhin einen Winkel an den Radträger, um den oberen Querlenker zu verbinden. Dadurch können die Querlenker insgesamt höher angebracht werden.

Der Winkel am Radträger bleibt, Foto: Mercedes
Der Winkel am Radträger bleibt, Foto: Mercedes

Für Verwunderung sorgt ein kleiner Knubbel an der Druckstrebe. Nahe am Radträger ist am Pushrod eine kleine Verdickung zu sehen.

Auch wenn der F1 W10 kein Paradigmenwechsel darstellt, die Details haben es in sich. "Ein genauer Blick verrät jedoch, dass wir die Umsetzung dieses Konzepts weiter verfeinert haben", gibt Allison zu. "Die Teile sind alle noch enger und schlanker gestaltet. Jede dieser Änderungen erlaubt es uns, die aerodynamische Performance noch weiter zu verbessern, als es uns unter den physikalischen Einschränkungen des 2018er Designs möglich gewesen wäre."

Das sieht man sehr schön an den Bardgeboards. Sie sind eine konsequente Weiterentwicklung des Vorjahres. 2019 sind sie, wie vom Reglement verlangt, 15 Zentimeter tiefer. Der Bumerang-Flügel, der vom Chassis bis zu den Seitenkastenflügel reichte, ist Geschichte.

Mercedes Seitenkästen extrem konservativ

Die Seitenkästen sind die größte Überraschung: Nicht, weil sie so aggressiv sind, sondern weil sie besonders konservativ scheinen. Während die Öffnungen 2018 oben besonders breit waren und sich nach unten schnell verjüngten, sind die Öffnungen am F1 W10 unspektakulärer. Sie sind nicht mehr so in die Breite gezogen, sondern reichen dafür weiter nach unten.

Der F1 W10 verfügt über große Einlässe am Seitenkasten, Foto: Mercedes
Der F1 W10 verfügt über große Einlässe am Seitenkasten, Foto: Mercedes

Damit macht Mercedes genau das Gegenteil der anderen Teams. Die versuchen, die Öffnungen so weit wie möglich nach oben zu verlagern, um die Seitenkästen stärker unterschneiden zu können.

Möglicherweise hat das auch etwas mit dem neuen Motor zu tun. "Wir haben einige Veränderungen an der Kühlung der Power Unit vorgenommen, die sich hoffentlich positiv auf die Aerodynamik des Autos auswirken werden und gleichzeitig einen Effizienzvorteil für die Power Unit bieten. Damit wäre es sowohl für das Chassis als auch die Power Unit ein Gewinn", erklärt Motoren-Chef Andy Cowell.

An der weiterhin recht groß ausfallenden Airbox gab es eine kleine Änderung: Sie ist nicht mehr in vier Luftkanäle unterteilt, sondern nur noch in drei. Wohl eine Folge des neuen Kühl-Arrangements.

Im Gegensatz zum Seitenkasten selbst wirkt das Flügelwerk drum herum besonders komplex. Schon in der Vergangenheit hat Mercedes hier Maßstäbe gesetzt. 2019 sind die Seitenkastenflügel noch einmal aufwändiger gestaltet. Die Spiegel nutzen das Reglement maximal aus und sind über zwei Befestigungen mit Chassis und Seitenkastenflügel verbunden.

Die Seitenkastenflügel bleiben komplex, Foto: Mercedes
Die Seitenkastenflügel bleiben komplex, Foto: Mercedes

Die Finne auf der Motorabdeckung wirkt etwas prominenter. Weil die Maße für die Finne vorgegeben sind, muss sich die Motorabdeckung etwas abgesenkt haben. Allerdings kann das leicht täuschen, weil sich die Befestigung des Heckflügels geändert hat. Er steht nun auf zwei Streben. Damit hatte Mercedes 2018 im Russland-Training experimentiert, die Lösung dann aber nicht weiter verfolgt. Vor den Streben ist ein massiver T-Flügel an der Finne angebracht, zwischen den Streben spannt sich ein kleiner Monkey Seat auf.

Formel-1-Autos 2019 im Technik-Check: Mercedes F1 W10: (14:42 Min.)

Neue Hinterachse für 2019er Silberpfeil

Richtig interessant wird es noch einmal an der Hinterachse. "Obwohl uns in diesem Bereich Verbesserungen gelungen sind, konnten wir die Performance der Hinterreifen nicht so gut konservieren wie einige unserer Konkurrenten. Deshalb haben wir hart an der Aufhängung und der aerodynamischen Charakteristik gearbeitet, um ein Auto zu erhalten, das viel sanfter mit den Reifen umgeht", verrät Technik-Chef Allison.

Die Hinterachse hat Mercedes komplett überarbeitet, Foto: Mercedes
Die Hinterachse hat Mercedes komplett überarbeitet, Foto: Mercedes

Das sieht man der Hinterachse tatsächlich auch an. Die Mercedes-Ingenieure haben Radträger, Querlenker, Zugstrebe und ihre Anlenkpunkte überarbeitet. Der Pullrod zieht jetzt nicht mehr direkt am weit aus der Felge ragenden Radträger, sondern an den verstärkten Querlenkern. Die Kinematik an der Hinterachse hat sich damit geändert.