"Es wird interessant, ob er mir in den Arsch tritt oder nicht." Besser als mit diesen Worten von Nico Hülkenberg selbst - im Rahmen der Präsentation des neuen Renault R.S.19 gleich einmal wieder ein standesgemäßer O-Ton des Emmerichers - kann man das neue Teamduell bei Renault in der bevorstehenden Formel-1-Saison 2019 nicht beschreiben.

Dort bekommt es der Emmericher mit Red-Bull-Flüchtling Daniel Ricciardo zu tun. Zum ersten Mal sieht sich Hülkenberg mit dem Australier einem zumindest auf dem Papier zu favorisierenden Gegner im eigenen Lager ausgesetzt: Erstmals seit seiner eigenen Rookiesaison 2010 (bei Williams gegen Rubens Barrichello) muss sich Hülkenberg in der Formel 1 teamintern einem GP-Sieger stellen. Einem gleich siebenfachen. Noch dazu stand der 'Honigdachs' bereits stolze 29 Mal auf dem Podium. Hülkenberg noch nie - bei seinen bereits 156 Rennstarts bekanntlich absoluter F1-Negativrekord.

Erwiesener Siegertyp vs. hungriger Hulk

Doch hält diese Statistik kaum jemanden davon ab, Hülkenberg als einen der Besten seiner Zunft zu schätzen. Oder es zumindest so zu sehen wie sein eigener Teamchef. "Er wird massiv unterschätzt. Er ist schnell, engagiert und ein Motivator für das Team", sagt Cyril Abiteboul. Doch all diese Attribute schreibt der Franzose ohne Abstriche auch dem neuen Piloten im Team zu.

Formel-1-Autos 2019 im Technik-Check: Renault R.S.19 (12:43 Min.)

Sogar noch einige mehr. "Wir haben das vielleicht stärkste Fahrer-Lineup der Startaufstellung. Daniel bringt die Erfahrung mit, sich als Rennsieger erwiesen zu haben und ein Top-Team zu kennen während Nico hungrig ist. Wir freuen uns sehr darauf, sie Rennen fahren zu sehen. Sie sind beide für sich sehr stark und sie können sich gut ergänzen", sagt der Franzose.

Ricciardo vs. Hülkenberg: Profitiert Renault vom harten Teamduell?

Gerade der letzte Satz macht deutlich: Bei Renault baut man 2019 darauf, dass das erwartet enge Teamduell die Fahrer nicht nur jeweils für sich zu Höchstleistungen treibt, sondern davon auch das ganze Team profitiert. "Je enger sie mit ihrem Feedback zusammenliegen, desto leichter wird es für uns, das Auto zu entwickeln", erklärt Technik-Chef Nick Chester. "Es ist ein unglaublich starkes Line-up. Sie sind beide schnell, arbeiten hat und geben klasse Feedback."

Formel 1: Renault präsentiert den neuen R.S.19 (00:50 Min.)

Nico Hülkenberg bestätigt diesen Ansatz: "Daniel und ich sind ein gutes Team. Wir werden zusammen gut harmonieren und uns gegenseitig extrem pushen und dadurch können wir als Fahrer das Beste aus uns rausholen, was dann dem Team auch wieder zugutekommt. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit ihm."

Nico Hülkenberg: Dieses Jahr wird wichtig

Doch nur Miteinander, so ganz ohne Gegeneinander geht bei einem Rennfahrer natürlich nicht. Das zeigt schon die eingangs zitierte Aussage Hülkenbergs. Der Emmericher weiß nämlich ganz genau, welche Stunde mit Ricciardo 2019 für ihn geschlagen hat. Klingt negativ, kann sich aber genauso gut als positiv erweisen. Immerhin bietet sich Hülkenberg endlich auch abseits der absoluten Top-Teams eine Chance auf einen zumindest kleinen Ritterschlag.

"Das ist natürlich für mich eine richtig gute Messlatte. Einen siebenfachen Grand-Prix-Sieger als Teamkollegen zu haben. Es wird ein wichtiges und spannendes Jahr", weiß Hülkenberg. Damit zielt er jedoch auch auf die Renault-Performance insgesamt. Kein Wunder: Je weiter vorne das Kräftemessen mit Ricciardo ausgetragen wird, desto mehr Beobachter werden sich dafür interessieren.

Daniel Ricciardo: Ziele? Nicht der Kühlschrank-Zettel-Typ

"Ich möchte, dass der R.S.19 natürlich ein besseres Auto wird als der letztjährige. Dass wir auf der guten Entwicklungsarbeit und Basis vom letzten Jahr aufbauen und mehr aus dem Auto rausholen, eine bessere Entwicklung über das Jahr hinweg haben. Natürlich wollen wir konkurrenzfähig sein und bessere Ergebnisse einfahren als letztes Jahr", formuliert Hülkenberg seine Erwartungen an die neue Formel-1-Saison.

Konkret ist das nicht. Aber konkreter als bei Ricciardo. "Ich habe mir keine persönlichen Ziele gesetzt", berichtet der Australier. "Ich bin einfach nicht der Typ, der eine Liste an den Kühlschrank pinnt und draufschreibt: 'Das will ich dieses Jahr erledigen'", scherzt der 'Honeybadger' mit seinem typischen Grinsen. "Die Hauptsache ist für mich schon seit ich jung bin, dass du jeden Sonntag ohne ein Gefühl, etwas zu bedauern, abreist. Ich will nichts auf dem Tisch liegen lassen. Wenn ich das schaffe, dann bin ich happy."

Ricciardo sieht sich auch als Renault-Motivator

Klingt da zumindest ein Stückweit Reue durch? Wäre ein Weiter bei Red Bull vielleicht doch die bessere Wahl gewesen? Nein, winkt Ricciardo ab. "Ich fühle mich echt gut mit dem Move zu Renault", bekräftigt er - und geht fest davon aus selbst einen großen Beitrag leisten zu können, dass den Franzosen endlich der Durchbruch gelingt.

Ricciardo & Hülkenberg - wer hat am Ende gut lachen, Foto: Renault
Ricciardo & Hülkenberg - wer hat am Ende gut lachen, Foto: Renault

"Die Veränderung wird das Team wirklich nach vorne bringen, denke ich. Sie kamen die letzten Jahre schon ganz gut vorwärts, jetzt Teil davon zu sein und zu helfen fühlt sich für mich an als wäre ich wiederbelebt", sagt Ricciardo. Aufbauarbeit leisten müsse er jedoch nicht, vielmehr geht es Ricciardo um den Faktor Motivation. "Ich will sicherstellen, dass das Team motiviert bleibt und will ihm Energie verleihen. Ich will einen Frühling heraufbeschwören - das gehört auch zu meinem Job." Letztlich gehe es ihm darum etwas Ähnliches aufzubauen, wie Lewis Hamilton bei Mercedes.

Ricciardo sieht sich auch als Renault-Motivator

Die Strukturen in Enstone jedenfalls müssten sich nicht vor jenen in Milton Keynes verstecken. "Mein erster Eindruck ist gut. Am ersten Tag hab ich die ganzen Maschinen gesehen, die Werkzeuge, es war jede Menge Lärm dort, viel los", berichtet Ricciardo, und feixt: "Ich weiß nicht, ob die Leute nur so getan haben, als hätten sie zu tun!"

Nein. Ricciardo: "Da wächst in der Fabrik auf jeden Fall viel zusammen. Sowas willst du einfach sehen, wenn du an einen neuen Arbeitsplatz kommst: Aktivität! Ein paar schüchterne, aber glückliche Gesichter, die "Hi" zu mir sagen. Das war cool!"

Duell unter Monaco-Nachbarn

Ganz und gar nicht unter den Schüchtern war dabei natürlich Hülkenberg. Seinen neuen teaminternen Sparringspartner kennt der Australier nämlich gut. "Durch den Rennsport, aber auch, weil wir beide in Monaco leben", schildert Ricciardo. Und, weil man in ähnlichem Alter sei, nahezu parallel durch die Juniorserien nach oben gekommen sei.

Dort war es auch, wo Ricciardo eines über Hülkenberg lernte: Nämlich, dass der Deutsche richtig was auf dem Kasten hat. "Ich schätze ihn als Fahrer, das habe ich immer. Er hat in den Juniorserien so ziemlich alles gewonnen und das unterstreicht seine Fähigkeiten. Ich habe ihn immer sehr hoch als Konkurrenten geschätzt und freue mich darauf es jetzt mit ihm gleich neben mir aufzunehmen", so Ricciardo. Game on.

Formel-1-Autos 2019 im Technik-Check: Renault R.S.19 (12:43 Min.)