Ferrari sorgte mit der Ankündigung, noch mehr Geld in sein Formel-1-Team stecken zu wollen, für Aufsehen. Der Rennstall steckt bereits jetzt Unsummen in die Königsklasse. Trotzdem soll sich das Budget unterhalb dessen von Dauerweltmeister Mercedes befinden. Also muss Maranello finanziell nachlegen. Das wirft die Frage auf: Lässt sich der WM-Titel erkaufen? Und wenn ja: Wie viel kostet er?

Sieben der zehn Formel-1-Teams haben ihren Sitz in England. Das bedeutet, sie müssen ausführliche Geschäftsberichte veröffentlichen. Ganz aktuelle Zahlen gibt es nicht, die letzten Geschäftsberichte beziehen sich auf das Jahr 2017. Aber die geben ein realistisches Bild - mit Ausnahme von Renault vielleicht. Dort wurde das Budget die letzten Jahre nach und nach angehoben.

Die Geschäftsberichte offenbaren das große Problem der Formel 1. Geld ist das Äquivalent zur Performance. Die beiden Faktoren verhalten sich nahezu linear. Im Fußball-Jargon würde man sagen: Geld schießt Tore. In der Formel 1 holt es Pokale.

Offensichtlich wird das am Abstand zwischen den Top-Teams und den Mittelfeldteams. Je 63 Pokale wurden in den letzten beiden Saisons an die Fahrer vergeben. In beiden Jahren ging dabei nur je einer an einen Fahrer eines Nicht-Top-Teams. Wer nicht in einem Mercedes, Ferrari oder Red Bull sitzt, fährt automatisch mindestens eine Sekunde pro Runde langsamer.

384 Millionen für eine Formel-1-Saison

Der Blick auf die Bilanzen zeigt, warum das so ist. Das Formel-1-Team von Mercedes hatte 2017 ein Budget von rund 384 Millionen Euro - und das ohne Motoren-Abteilung. Das Chassis-Team in Brackley alleine durfte über diese Summe verfügen.

Bei Red Bull ist es etwas undurchsichtig. Das Rennteam hatte 263 Millionen Euro zur Verfügung. Allerdings ist das Team nur für den Einsatz und das Mangement der Autos zuständig. Red Bull Technology ist für die Entwicklung und den Bau zuständig. Genau verrechnen lassen sich die Budgets nicht, weil Red Bull Technologys noch andere Projekte unterhält. Ferraris Budget sollte sich in Mercedes' Regionen bewegen.

Das nächste Team ist McLaren. Die Briten hatten - auch dank Honda - 225 Millionen Euro. Das Werksteam von Renault durfte 155 Millionen Euro ausgeben. Bei Williams waren es immerhin noch 144 Millionen.

Die Schere geht auseinander: Oben die drei Top-Teams, dann lange nichts. McLaren ist (noch) so etwas wie das Bindeglied. Bis 2017 half Honda dabei, das Budget auf hohem Niveau zu halten, seit 2018 pumpen die Anteilseigner aus Bahrain Geld in das Team. Wie lange das bei ausbleibenden Erfolgen noch so geht, ist fraglich.

McLaren ist der Beweis dafür, dass es auch Ausnahmen gibt. Nicht immer verläuft die Geld/Performance-Kurve linear. Das Problem ist, dass es extreme Ausreißer nur in die eine Richtung gibt. Zwar gibt es auch besonders effiziente Teams wie Force India, die für ihr schmales Budget viel Performance liefern, doch die großen Ausreißer nach ganz oben gibt es eben auch nicht. Best of the Rest ist der größtmögliche Erfolg.

Libertys Formel-1-Plan: 150 Millionen für alle

Und genau das ist das Grundproblem der Formel 1, darum gibt es einmal mehr Verwerfungen, wenn über die Budgetgrenze diskutiert wird. Liberty Media will, dass kein Team mehr als 150 Millionen Dollar ausgibt, damit der Sport für alle Teilnehmer zu einem interessanten Business-Case wird.

Denn aktuell ist die Formel 1 - so verrückt es sich auch anhört - nur für die Top-Teams ein interessanter Business-Case. Doch wie kann das bei Budgets von knapp 400 Millionen Euro der Fall sein? Dafür gibt es mehrere Gründe.

Offensichtlich ist die ungleiche Preisgeldverteilung. Die steigen mit dem Erfolg nicht linear, sondern explodieren regelrecht. Das liegt vor allem an Sonderzahlungen. Ferrari kassiert, weil es eben Ferrari ist. Mercedes kassiert, weil das Team eine Historie hat und dazu in den vergangenen Jahren überaus erfolgreich war. Red Bull kassiert vor allem für die Erfolge zwischen 2010 und 2013.

Zu den Geldern vom Kommerziellen Rechteinhaber kommen Sponsoreinnahmen. Die fallen bei den erfolgreichen Teams natürlich am üppigsten aus. Ferrari kann für die Sponsorenfläche naturgemäß am meisten verlangen, aber Mercedes hat vor allem mit Petronas einen mehr als solventen Hauptsponsor gefunden. Die Sponsoren erhalten für ihre vielen Millionen die Garantie, im schlimmsten Fall Dritter zu werden.

Bei den kleineren Teams sieht das anders aus: Sie können mit maximal Platz vier locken. Das klingt nicht besonders attraktiv - und bringt folglich auch nicht so viel Geld. Ein kleiner Teufelskreis. Preisgelder und Sponsoren: Bei den Privatteams war es das - sie müssen sich so finanzieren und auch funktionieren. Sie existieren nur für die Formel 1.

Formel 1 billiges und perfektes Marketing für Mercedes

Bei den Herstellern (und Red Bull) ist das anders. Die 384 Millionen Euro, die Mercedes 2017 zur Verfügung hatten, sind nämlich auch mit den hohen Preisgeldern und Sponsorenzahlungen noch nicht abgedeckt. Im Jahr 2017 wurde der Formel-1-Rennstall von Mercedes mit 80 Millionen Euro aus Stuttgart unterstützt.

Die Summe hört sich etwas dramatischer an, als sie ist, denn 2017 kam dafür kaum Geld von der Daimler AG. Unter dem Strich finanziert Stuttgart das Formel-1-Engagment aber noch immer mit einer mittleren zweistelligen Millionensumme. Wo ist hier bitte der Businesscase?

Der liegt im primären Ziel des Formel-1-Engagements der Automobilhersteller. Auch wenn von Technologietransfer und Co. gesprochen wird, in erster Linie geht es um Marketing. Im Geschäftsbericht schreibt Toto Wolff, dass 24,7 Prozent der gesamten Formel-1-TV-Berichterstattung der Saison 2017 auf Mercedes entfielen. Das entspricht, so Wolff, einem Werbegegenwert von 3,4 Milliarden US-Dollar.

Über die genaue Berechnung des Werbegegenwertes lässt sich streiten, da es sich um einen theoretisch ermittelten Wert handelt. Die Größenordnung sprengt allerdings jegliche Dimensionen. Und er zeigt, warum die Formel 1 ein äußerst lukratives Investment für die Daimler AG ist. Einsatz: Eine mittlere zweistellige Millionensumme. Ertrag: Milliarden.

Nun, warum aber wollen Mercedes, Ferrari und Red Bull keine Budgetgrenze? Letztlich können sie das Gleiche Produkt für weniger Geld haben. Aber damit würden sie ihre Garantie verlieren. Die Garantie zu gewinnen. Und die brauchen sie für Sponsoren und für die mediale Berichterstattung. Als Mercedes 2010 - trotz Zugpferd Michael Schumacher - im Mittelfeld fuhr, war der Werbegegenwert sicherlich deutlich geringer.

Wie krank das System ist, zeigt auch die Tatsache, dass Red Bull für Toro Rosso mehr Geld in die Hand nehmen muss, als für das große Schwesterteam. Weil Toro Rosso die exorbitanten Einnahmen des Kommerziellen Rechteinhabers fehlen und gleichzeitig die großen Sponsoren nicht Schlange stehen.

Ferrari & Mercedes wichtiger als der Sport?

Gibt es einen Ausweg? Bedingt. 2021 soll die Formel 1 neu geordnet werden. Ein neues Concorde Agreement ist in der Mache. Aber es passiert, was immer passiert, wenn die Großen ihre Privilegien zu verlieren drohen: Sie drohen mit Ausstieg.

Die Frage ist: Setzt Liberty Media den Großen die Pistole auf die Brust? Wie ernst sind die Ausstiegsdrohungen von Ferrari wirklich? Kann Ferrari ohne die Formel 1? Und wie sieht es bei Mercedes aus? Auch wenn sie die Garantie auf Top-Platzierungen verlieren würden, der Business-Case bleibt interessant. Bleibt das Team so erfolgreich, bleibt am Ende unterm Strich sogar mehr übrig.

Dem Sport wäre damit auch geholfen. Und was dem Sport hilft, bringt am Ende des Tages wieder höhere Einschaltquoten und damit auch einen höheren Werbegegenwert. Oder ist die Formel 1 so abhängig von ihrem besten Pferd im Stall? Die Formel 1 ist nun am Scheideweg. Eine Formel 1 ohne Ferrari hat es noch nie gegeben. Der Ausgang ist ungewiss.