Kosmopolit, Modeschöpfer, Spitzensportler. Lewis Hamilton treibt das Jetset-Leben eines Formel-1-Stars auf die Spitze. Während andere noch über zu viele Rennen klagen, tourt der Brite schon wieder um die Welt. Der Weltmeister als erster echter Weltstar der Formel 1.

"Wenn du ein Mann wärst, würde ich sagen, dass es dich nichts angeht. Aber du bist eine Lady. Also will ich höflich sein", sagt Sebastian Vettel. Es ist Sonntagnachmittag nach dem Ungarn GP. Die Formel 1 geht in die Sommerpause. In der Pressekonferenz sitzen Vettel, Kimi Räikkönen und Lewis Hamilton. Alle drei zählen zu den absoluten Top-Stars der Szene, sind die größten Idole unzähliger Fans. Doch unterschiedlicher könnte dieses Trio kaum sein. Als sie ihre Pläne für den anstehenden Urlaub verraten sollen, tritt das deutlich ans Licht.

Da ist der Iceman. Einst wilder Partyboy. Jetzt geerdet, Familienmensch. Nur Ehefrau Minttu verdankt es die Welt, überhaupt etwas aus dem Privatleben des stillen Finnen zu erfahren. Kimi selbst verrät nicht viel. Vettel noch weniger. Von ihm, Partnerin Hanna und den Kindern weiß die Welt so gut wie nichts. Weil Vettel nicht nur schweigt, sondern nirgendwo Präsenz zeigt. Anders als Räikkönen, jetzt zumindest in den Sozialen Medien vertreten. Aufritte außerhalb der F1-Welt gibt es von dem Ferrari-Duo nicht, Pflichttermine der Ferrari-Sponsoren einmal ausgenommen. Bei Vettel haben es selbst Paparazzi schwer. Der Deutsche hat sich in der Schweiz komplett abgeschottet, ist froh um jede Ruhephase zwischen dem großen Trubel der Formel 1. "Nichts als ein paar Tagestrips mit dem Fahrrad, etwas Langweiliges wie Fischen oder so. Damit bin ich schon zufrieden", sagt Vettel über seine Sommerpläne. Und das nur mit großem Zaudern.

Lewis Hamilton dagegen packt sofort aus. Mit Freude: "Mein Leben ist etwas anders, ich habe keine Frau und Kinder, bin also noch in der Spaßphase!" Ein Strahlen zuckt über sein Gesicht. Nicht nur bei dieser Nachfrage. "Ich war viel unterwegs, in sechs oder sieben Ländern, in den Staaten und der Karibik", erzählt er nach der Pause in Spa. Bei dieser wie jeder anderen Medienrunde mit dem Briten geht es wieder um solche Fragen zu seinem Privatleben und seinen Aktivitäten außerhalb der Formel 1. Hamilton bedankt sich sogar dafür, freut sich davon zu erzählen. Und er hat viel zu erzählen. Vor allem in den vergangenen Wochen, der zweiten Jahreshälfte 2018, jettete der 33-Jährige selbst für seine Verhältnisse wie besessen um den Erdball.

Big Business. Und Hamilton lässt es die Welt wissen. Er spricht darüber. Er flutet seine Profile von Instagram bis Twitter mit Stoff von seinen Trips, Promi-Treffen, Partys und Ausflügen in die Modewelt. Er ziert Magazin-Cover, die sonst keinen F1-Star sehen. GQ, Cosmopolitan, Men's Health. Hamilton ist überall. Selbst an der Bushaltestelle um die Ecke. Tommy Hilfiger lässt grüßen. Mit dem Modegiganten hat der Brite jetzt sogar seine eigene Linie aufgelegt, TommyXLewis, angestiftet von 'Gigi' Hadid, amerikanisches Supermodel, Hilfiger-Botschafterin, eine von unzähligen Schönheiten und Szenestars an der Seite Hamiltons. Und zu Mercedes gelotst hat Hamilton Hilfiger längst auch. Damit er selbst am Rennwochenende ein Stück von seinem bunten Leben zelebrieren kann.

Damit nicht genug. Im Song 'Pipe' von Popstar Christina Aguilera soll hinter dem männlichen Part, Co-Writer und Pseudynom XNDA niemand anders als Hamilton stecken. Schon oft sprach Hamilton von seinem Traum einer zweiten Karriere nach dem Sport. Sporadische musikalische Impressionen liefert er gerne mal per Instagram. Neben der Modewelt liebt der Brite auch die Musikszene, hängt mit den größten Weltstars ab. Rita Ora, Justin Bieber und seine Urlaube auf Barbados mit Rihanna kennt sowieso fast jeder.

Vor dem Russland GP ging's jetzt mal mit Nicki Minaj per Quad durch die Wüste. Hier sieht der Boulevard übrigens mehr als nur eine freundschaftliche Beziehung. Liebe, Mode, Musik und Spitzensport. Lewis Hamilton ist überall. Und deshalb eben nicht nur Weltmeister, sondern längst auch Weltstar. Völlig ungewohnt in der Formel 1. Für eine ähnliche Inszenierung muss man schon weit zurückdenken. An die Zeiten eines James Hunt in den wilden Siebziger Jahren vielleicht. Doch selbst dieser Prototyp des F1-Playboys reicht längst nicht an die große Show des Lewis Hamilton heran. Der erste echte Weltstar der Formel 1. Erst jetzt geboren.

Die Formel 1 kann es ihm eigentlich nur danken. Völlig neue Türen öffnen sich nun zur Königsklasse, schaffen Aufmerksamkeit. Das passt dem neuen Showmaster Liberty Media perfekt ins Geschäft. Und doch hält sich hartnäckig die Kritik an dieser Seite des Lewis Hamilton. Ein harter Kern der Motorsportpuristen reagiert fast allergisch auf Hamiltons Tanz auf diversen Hochzeiten. Die Frage, ob Globetrotter Hamilton so nicht den Erfolg gefährde, stellen sie immer wieder. Mindestens einmal je Rennwochenende dürfen sich Hamilton und sein Teamchef Toto Wolff Antworten dafür zurechtlegen. Eine schwere Aufgabe ist es nicht. Weil Hamilton die beste Antwort auf der Strecke gibt. Der Weltmeister macht seinem Titel 2018 alle Ehre. Und das genau in den Wochen, in denen er zwischen zwei Rennen drei Mal um die Welt fliegt, besonders gut. Allein vor Singapur ging es für Hamilton sowohl nach New York als auch Shanghai.

Hilfiger-Modeschau & Co. Während alle anderen Fahrer sich optimal auf das Nachtrennen vorbereiten, um Jetlag zu vermeiden. Hamilton kümmerte sich um all das nicht. Nachteil? Nein. Hamilton machte einfach den Caesar. Kam, sah und siegte. Ausgerechnet in Singapur, auf der Mercedes-Angststrecke der Vorjahre, lieferte Hamilton eine geniale Performance ab. Und hörte damit nicht mehr auf. Schon zuvor in Spa und Monza als auch danach in Russland und Japan zeigte Hamilton Spitzenleistungen am Fließband. Fehler? Fehlanzeige. Sechs Siege innerhalb von sieben Rennen. Zuletzt vier in Serie. Hamilton in der Form seines Lebens - was bei seiner Statistik schon etwas bedeutet.

Deshalb genießt er bei Mercedes volles Vertrauen. Toto Wolff gewährt Hamilton jede Freiheit. "Lewis ist ein vierfacher Weltmeister. Er weiß ziemlich gut, wie er die maximale Performance aus sich selbst herausholt", sagt Wolff. "Was auch immer er nach dem Rennen treibt, es ist das Richtige für ihn. Und für euch doch auch. Denn er polarisiert", entgegnet der Mercedes-Teamchef den Kritikern. Die waren nach Hamiltons Trips vor Singapur wieder besonders leidenschaftlich in ihrem Lieblingsthema gewesen. Für Wolff nichts als lästig: "Ich höre das jetzt seit sechs Jahren. Wie kann ich Lewis das nur erlauben, um die Welt zu fliegen? Wisst ihr was: In den letzten zehn Tagen hat er es so extrem wie nie zuvor betrieben, er war in Shanghai auf dem Laufsteg, ein paar Tage später war er in New York und er kam hierher, Rock 'n' Roll, und hat alles weggeblasen. Er genießt seine Aktivitäten außerhalb des Rennsports, er genießt das Racing und wenn wir ihm ein gutes Auto hinstellen, ist er in der Lage auf einem nie dagewesenen Level zu performen. Also richten wir nicht darüber und erlauben wir doch jedem, selbst zu beurteilen, wie er seine beste Leistung bringt. Er weiß, was gut für ihn ist."

"Ich muss euch oder irgendwem gar nichts beweisen. Ich bin hier, um zu gewinnen und der Beste zu sein, der ich sein kann", sagt Hamilton. Einfach für sich selbst, seinen eigenen Anspruch: "Es geht da nur um mich, meinem eigenen Potential gerecht zu werden, von dem ich weiß, dass ich es habe. Und ich weiß, wozu ich in der Lage bin." Sein Fokus liege ohnehin klar auf der Formel 1. Daran bestehe überhaupt kein Zweifel. "Ich weiß, dass ihr Fragen gestellt habt. Und ihr habt recht nett gefragt, gar nicht einmal so aggressiv wie ihr gekonnt hättet. Aber es gibt ja immer diese Frage, ob das alles eine Ablenkung ist und wenn du dann nur einen Fuß falsch aufsetzt, zeigen die Leute mit dem Finger auf dich", so Hamilton nach seiner Triumphfahrt von Singapur an einige alteingesessene Zweifler. "Aber diese Dinge stimulieren mich, beeinträchtigen nicht meine Performance. Wenn, dann verbessern sie diese. Ich ziehe aus all diesen Dingen viel Energie. Und das jetzt über Jahre. Ja, es waren hektische Wochen. Aber ich kann all das machen und trotzdem hier ankommen und sofort in den Rennmodus schalten." Noch dazu sei er auch gesünder denn je. "Ich bin letztes Jahr auf diese pflanzenbasierte Kost umgestiegen", erklärt er. "Seitdem ist es für mich aus physischer Sicht das beste Jahr meines Lebens."

Von einem völligen Rollentausch vom Weltmeister zum Weltstar kann also nicht die Rede sein. Hamilton zieht einfach beides durch. Und es funktioniert. "Ich bin einfach froh, dass ihr jetzt dieses Wochenende diese Performance gesehen habt", sagt Hamilton. "Und auch Toto. Er war so wichtig dabei, mir zu erlauben Tommy mitzubringen. Und es war für mich eine lebensverändernde Entscheidung, sie im Team zu haben. Das ist echt klasse. Ein Segen. Und ich habe Toto gesagt: Glaub' nicht für eine Sekunde daran, lass dich nicht des Gefühls beschleichen, dass ich diese WM nicht mehr als alles andere gewinnen will. Das ist meine Priorität. Das wird sich nicht ändern. Dafür lebe ich."

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