Wann begann Sebastian Vettel nach einem starken Saisonstart der WM-Titel in der Formel-1-Saison 2018 zu entgleiten? Allen voran einem Grand Prix haben viele Beobachter der Königsklasse schon mehrfach als den entscheidenden Wendepunkt im Duell mit Lewis Hamilton schlechthin ausgemacht: ausgerechnet Vettels eigenes Heimrennen in Hockenheim.

Durch seinen Unfall auf feuchter Strecke kurz vor Rennende warf der Ferrari-Pilot in Führung liegend weg, verlor nicht nur selbst den Sieg, sondern reichte die 25 Punkte so auch noch direkt weiter an seinen großen Rivalen. Hamilton, nach einem Defekt im Qualifying nur von Platz 14 gestartet, gewann entgegen aller Erwartungen im Land seines Kontrahenten.

Vettel durch Hockenheim-Crash 17 Punkte hinten statt 15 vorne

Zuvor war genau das auch Vettel geglückt. Allerdings siegte der Deutsche in Silverstone unmittelbar vor Hamilton, setzte sich in der WM also nur um sieben weitere Punkte ab. Hamilton hingegen machte durch Vettels Ausfall in Hockenheim, dessen einzige Nullnummer 2018, auf einen Schlag 25 Zähler gut, übernahm sogar die WM-Führung. Plötzlich hatte Vettel 17 Punkte Rückstand statt deren 15 Vorsprung, auf die durch einen weiteren Sieg vor Hamilton aufgestockt hätte.

Hockenheim 2018: Wie teuer kommt Vettel sein Fehler zu stehen? (06:52 Min.)

Nicht nur das Punktekonto lässt diesem Wochenende so große Bedeutung zukommen. Auch der psychologische Aspekt sorgt dafür, dass sich alles besonders gut an Hockenheim festnageln lässt. Gerade hier leitete der Rennsonntag im Regen von Hockenheim eine Trendwende ein. Für beide Seiten. Nur einen Tag zuvor war noch Hamilton am Boden gewesen. Wie ein schon Gescheiterter kniete er nach dem Hydraulikdefekt an seinem Mercedes neben seinem Boliden, ließ den Kopf hängen. Vettel feierte die Pole.

Nach Hockenheim jubelt Vettel nur noch ein Mal

Nur gut 24 Stunden später war plötzlich Hamilton der strahlende Sieger wider alle Wahrscheinlichkeit. Stattdessen hieß der große Verlierer jetzt Vettel. Auf einmal war er es, der den Kopf hängen ließ, vor lauter Ärger über sich selbst Dampf abließ und auf das Lenkrad seines Ferrari eintrommelte. Auch eine Woche später lief es in Ungarn schlechter als gedacht, nach der Sommerpause nur noch ein Highlight in Belgien, dann ging es fortwährend bergab. Bei Vettel selbst wie auch bei Ferrari.

Doch für Vettel ist Hockenheim nicht der Tiefpunkt schlechthin, der große Wendepunkt im WM-Kampf. "Was das Ergebnis angeht ja", sagt Vettel zwar als er beim Finale in Abu Dhabi die ganze Saison Revue passieren lässt. "Aber wenn ich zurückblicke, war Hockenheim eines der schönsten Wochenenden. Die Atmosphäre, die Stimmung. Nur das Rennen war dann ein paar Runden zu lang", hadert Vettel, einen Schumi-Moment, einen Heimsieg mit Ferrari vor ausverkauftem Haus in Hockenheim verpasst zu haben.

Vettel: Hockenheim eines der schönsten Wochenenden

Das war bitter, aber nicht alles entscheidend, meint Vettel. "Über das Jahr gab es ganz andere Rennen, die von meiner Seite nicht so gut gelaufen sind", erinnert Vettel voller Selbstkritik. Hockenheim sei gar kein so großer Fehler gewesen, bekräftigt der Ferrari-Pilot wie schon unmittelbar danach. "Ich darf mich da nicht zu sehr selbst für den Fehler ins Gericht nehmen, denn es war kein Riesenfehler. Es war eine Riesenkonsequenz. Aber dazu stehe ich", so Vettel.

"Ich hatte in dieser einen Kurve jetzt nichts Gewaltiges vor, wollte nichts besser machen als alle anderen. Es war einfach eine Fehleinschätzung meinerseits, ein kleiner Fehler, der dann an falscher Stelle dazu geführt hat, dass mein Rennen vorbei war", schildert der Vize-Champion.

Hamilton: Samstag am Boden, Sonntag im Himmel

Lewis Hamilton unterdessen hatte, ebenfalls schon unmittelbar nach dem Deutschland GP, betont, es mache für seine Motivation keinen Unterschied, dieses Comeback geschafft zu haben während Vettel ein solches Missgeschick unterlaufen war. "Ich fokussiere mich nur darauf, ich zu sein und mein Bestes zu geben. Wenn ich in meiner besten Form bin und mich steigere, bin ich in der Lage so zu fahren, völlig ungeachtet dessen, was mit den anderen passiert oder was sie machen", so Hamilton damals.

Doch genau das gelang dem Briten, Zufall oder nicht, seitdem plötzlich regelmäßig. Zuvor hatte sich Hamilton zu Jahresbeginn noch schwerer getan. Nach Hockenheim jedoch rief Hamilton durchweg Leistungen erster Güter ab, ohne Makel. Weil es psychologische eben doch eine Rolle spielte, wie Hamilton in seinem Saisonrückblick nun verlauten ließ. Denn in Hockenheim lernte - oder bestätigte sich - der Brite, dass mit vollem Engagement auch scheinbar Unmögliches möglich werden kann.

Nach Hockenheim: Hamilton erreicht neuen Level

"Hockenheim - da hatten wir im Qualifying diesen Defekt an der Lenksäule, sodass ich von hinten starten musste. Damacj haben wir einfach alles zusammengenommen, um zu versuchen, dass wir irgendwie noch das Beste aus dem Sonntag machen können. Wir sind fokussiert auf ein gutes Ergebnis geblieben. Das hat wahrhaft die Stärke in diesem Team demonstriert", so Hamilton. "Auch wenn wir einen so schwierigen Tag hatten, haben wir alle an einem Strang gezogen, um nach anderen Lösungen zu suchen, die uns zurück an die Spitze bringen können. Dafür haben wir gearbeitet."

Doch nicht nur als Team sei das ein wichtiger Moment gewesen. "Als Fahrer ging es für mich darum, das Stolpern oder sogar Fallen hinter mir zu lassen, sofort wiederaufzustehen und gleich den nächsten Tag zu kämpfen als würde ich von vorne starten", sagt Hamilton.

"Gewisse Dinge kamen uns natürlich entgegen - wie das Wetter, was für mich einfach eine Gelegenheit war, daraus Kapital zu schlagen statt Fehler zu machen. Ich denke, dass ich als Fahrer in der Lage war, aus diesem Tag einfach das Maximum zu machen, keine Fehler zu machen und mich selbst weiter zu treiben als ich es vielleicht an einem anderen Wochenende würde!" Genauso das gelang Hamilton in der Folge dann jedoch noch mehrfach, etwa durch seine unfassbare Pole-Runde in Singapur.