Der ehemalige Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo hat sich den zahlreichen Lobeshymnen auf Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton angeschlossen - und in einem Interview zudem eine augenscheinlich provokante These aufgestellt: Der WM-Titel wäre dem Briten auch im Ferrari gelungen, so der Italiener.

"Dieses Jahr hat Hamilton mit der besten Saison seit seinem Debüt den Unterschied gemacht. Er hatte seine Momente der Schwäche und der Krise, aber dieses Jahr hätte er mit Ferrari gewonnen", sagte Montezemolo dem italienischen öffentlich-rechtlichen Radiosender RAI. Weil Vettel das im Umkehrschluss nicht gelungen war, eine deutliche Kritik am deutschen Vize-Weltmeister.

Montezemolo: Will Vettel nicht herabsetzen

Doch so will Montezemolo das nicht verstanden wissen. "Ich sage das nicht, um Vettel herabzusetzen, der jetzt alle Chancen hat, sich mit einem konkurrenzfähigen Auto wieder aufzubauen", betont der für viele Jahre Chefverantwortliche in Maranello. Denn so ganz titelfähig sei der rote Bolide dann eben doch nicht gewesen: "Ferrari hat dieses Jahr ein gutes Auto gebaut, das in manchen Situationen sogar besser war als der Mercedes. Aber am Ende hat es einfach gefehlt."

Aber zurück zur nur vermeintlichen Spitze gegen Vettel: Einmal geht es Montezemolo darum, Hamiltons Leistung zu loben, zudem hält der Italiener auch Vettel für absolute Spitzenklasse. "Vettel hat dieses Jahr natürlich Fehler gemacht und vielleicht waren sie entscheidend für die WM - nein ich nehme das vielleicht wieder zurück -, aber für die WM müssen wir alles tun, um Vettel bei der Stange zu halten, denn er ist ein Fahrer von höchster Klasse und ist dem Team eng verbunden", so Montezemolo.

Montezemolo: Vettel großartig, ein Killer

"Er ist ein großartiger Fahrer - er hat wichtige Weltmeisterschaften gewonnen - und ist in der Lage, im Qualifying regelrechte Killerrunden hinzulegen", schwärmt der Italiener dann sogar von Vettel. "Gerade, da jetzt ein starker junger Mann mit einer großen Zukunft hinzustößt, müssen wir ihn umso mehr unterstützen", fordert Montezemolo offenbar von ganz Italien. Ferrari jedenfalls war mangelnder Support für Vettel 2018 von diverser Seite vorgeworfen worden. Montezemolo selbst ist dort nicht mehr involviert, hegt auch keinerlei Absichten eines Comebacks.

An seine Zeit als Ferrari-Oberer denkt Montezemolo bei der Gelegenheit allerdings im Speziellen zurück. "Ich habe immer den Ansatz verfolgt, dass wir das Team zusammen halten müssen, dass wir zusammen gewinnen und verlieren. Gestern habe ich mit Todt (Jean, damaliger Ferrari-Teamchef, Anm. d. Red.) gesprochen und wir haben uns daran erinnert, dass auch Michael (Schumacher, Anm. d. Red.) die ersten paar Tage Fehler gemacht hat. Aber es ist immer wichtig, dass du in der Umkleidekabine eine deutliche Sprache sprichst und das Team in der Öffentlichkeit unterstützt", schildert der 71-Jährige seine Philosophie.

Ferrari muss Vettel jetzt voll unterstützen

"Aber dieses Ferrari ist in Sachen Personal und Mentalität ein ganz anderes Ferrari als das, welches ich im Oktober 2014 verlassen habe", ergänzt er. Das trifft jedoch nur auf die sportliche Situation zu. 2014 lag Ferrari tatsächlich am Boden. Doch der Ansatz der Führung, die Idee von Führung, ist noch immer dieselbe. Dazu muss man nur den letzten Worten von Teamchef Maurizio Arrivabene beim Saisonfinale in Abu Dhabi lauschen.

"Wir haben die Saison sehr gut begonnen und dann - wie Sebastian gestern selbst gesagt hat - hat er einen Fehler gemacht, bis wir dann ab Monza mit dem Auto nicht zur Stelle waren. Ich will mit dem Finger auf niemanden zeigen, nicht auf das Team und nicht auf den Fahrer. Wenn wir verlieren, dann verlieren wir zusammen. Wenn wir gewinnen, dann gewinnen wir zusammen", so Arrivabene. Schon zuvor hatte der Italiener mehrfach betont, sich selbst immer in der Hauptverantwortung zu sehen.

Vettel: Ich kann besser sein als ich war

Vettel selbst jedoch auch. "Ich denke nicht, dass ich je ein Problem hatte, die Hand zu heben, wenn ich einen Fehler gemacht habe. Ich schaue zuerst immer auf mich selbst und ich denke, dass ich besser sein kann, als ich zu manchen Zeiten dieses Jahres war", so Vettel.

Was Ferrari seit 2014 jedoch noch immer fehlt, ist trotz des drastischen Aufschwungs für Arrivabene eindeutig: "Die Gewohnheit, zu siegen. Wenn du einen Doppelsieg holst, dann darf es dazu keines herausragenden Events bedürfen. Es muss eine Gewohnheit sein. So veränderst du dich um tauschst deine Mentalität von einem Kämpfer zu einem Gewinner aus."