Sebastian Vettel kam nach seinem Wiege-Eklat im Qualifying zum Brasilien GP mit einem blauen Auge davon. Der Ferrari-Pilot kassierte eine Verwarnung samt Geldstrafe von 25.000 Euro, entging jedoch einer sportlichen Sanktion. Keine Strafversetzung im Rennen für das Gefährden samt Ignorieren von Anweisungen der Offiziellen an der Waage und das Beschädigen der Anlage.

Zu lasch? Nicht für Charlie Whiting. "Er hat einfach ein wenig seinen kühlen Kopf verloren und hat auch den Preis dafür gezahlt", kommentiert der FIA-Rennleiter. "Ich habe das mit den Stewards nicht besprochen, Aber normalerweise geht es bei Gridstrafen um Vorfälle auf der Strecke. Fahrvergehen. Und in dieser Fall war so ziemlich ohne Präzedenzfall. Ich denke, dass es eine gute Entscheidung war, was die Stewards getan haben. Aber dazu findet man sicher eine Reihe an Meinungen."

Vettel & Ricciardo halten Wiege-Praxis in Formel 1 für unfair

Meinungen finden sich jedoch nicht nur zum Thema Strafmaß. Auch das komplette System, wann welcher Fahrer zur Kontrolle auf die Waage gebeten wird, gerät durch den Vorfall um Vettel in Brasilien in den Fokus. Ist eine Zufallsauswahl, wie sie dabei aktuell vorherrscht, unfair? So äußerte sich Vettel angesichts der Hektik, die aufgrund Ferraris riskanter Strategie im Q2 bei ihm auch am Funk ("Hopp, hopp, mach weg!") vorherrschte, selbst in seiner ersten Reaktion.

Erklärt: Quali-Strafe für Vettel, keine für Hamilton (08:58 Min.)

Später stimmt dem auch Daniel Ricciardo zu. Unter gewissen Voraussetzungen könne es durchaus unfair sein, zum Wiegen anhalten zu müssen, so der Australier. Etwa im aktuellen all. "Wenn ich an seiner Stelle gewesen wäre, wäre ich auch frustriert gewesen", sagt Ricciardo. "Denn der Regen kam und er hatte noch keine Runde gesetzt. Sie haben damit - vereinfacht gesagt - sein Qualifying verschoben und ihm einem Risiko ausgesetzt", kritisiert der Red-Bull-Pilot.

Ricciardo-Idee: Wiegen erst, wenn Zeit gesetzt

Im Fahrerbriefing in Abu Dhabi werde das Thema nun sicher bei Charlie Whiting angesprochen, so Ricciardo. Einen Vorschlag hat der Australier dafür bereits. "Man könnte es zum Beispiel so machen, dass du nur aufgefordert werden kannst, wenn du bereits eine Rundenzeit erzielt hast", sagt Ricciardo. "Wenn sie doch vorher aufrufen ist es etwas unfair."

Mit diesem Vorschlag muss sich Whiting jedoch nicht erst beim Saisonfinale auseinandersetzen. Schon am Sonntagabend des Brasilien GP wurde der Rennleiter - die FIA stellt Whiting den Journalisten im Media Center seit 2018 nach den Rennen immer zum ausführlichen Briefing zur Verfügung - darauf aufmerksam gemacht.

Ricciardo-Idee: Wiegen erst, wenn Zeit gesetzt

Seine Reaktion fällt jedoch nicht gerade positiv für die Kritiker am bestehenden System aus. Für Whiting ist Unfairness in keiner Form gegeben. "Es wird immer ein Risiko geben, dass du gebeten wirst, anzuhalten. Sie [die Teams, Anm. d. Red.] wissen das und sollten es einkalkulieren. Und das sage ich den Teams auch immer", so der 66-Jährige.

Die Teams müssten schlicht immer mit dem zusätzlichen Zeitaufwand von vielleicht einer Minute rechnen. Das sei für alle gleich. Gerade letzterer Punkt ist im vorliegenden Fall relevant. Ferrari hatte sich in Brasilien anders als die anderen Teams nämlich selbst erst in diese Lage gebracht, weil Kimi Räikkönen und Sebastian Vettel ihren ersten Run abgebrochen hatten, um doch eine andere Reifenmischung zu fahren. Sie hätten also durchaus eine Zeit erzielen können, bevor es zumindest für Vettel zur Wiege-Aufforderung kam.

Ferrari hätte Vettel Zeit setzen lassen können

Die Auswahl selbst sei unterdessen komplett zufällig, versichert Whiting. Allerdings versuche Jo Bauer, der technische Delegierte der FIA, in der Regel, nicht das erste Auto, das an die Box zurückkehrt auf die Waage zu zitieren. "Denn es könnte auch wegen eines mechanischen Problems hereinkommen und deshalb erst eine halbe Runde geschafft haben", Whiting.

Doch genau das geschah nun eben mit Vettel. Allerdings hat Whiting auch dafür eine Erklärung. "Aber dass zwei Autos aus strategischen Gründen nach einer Runde kommen, ist ungewöhnlich", erklärt er.

FIA: Bedingungen für alle Teams ident

Komplett abgeschafft werden könnten die Gewichtskontrollen während des Qualifyings jedenfalls nicht, so Whiting. "Wir werden immer Stichproben im Qualifying haben, denn sie sollen nicht untergewichtig sein", stellt der FIA-Rennleiter klar.

Nur eine Ausnahme gebe es: Wenn offiziell eine Änderung der klimatischen Bedingungen herausgegeben werde, "Wenn sie reinkommen, um Reifen zu wechseln, weil es geregnet hat, dann würden wir niemanden anhalten und das wissen sie [die Teams, Anm. d. Red.] ", erklärt Whiting. Doch war das in Brasilien nicht gerade der Fall? Eben nicht. Tatsächlich geregnet hatte es zum betreffenden Zeitpunkt noch nicht, ein "change of climatic conditions" war entsprechend nicht verkündet worden.