Max Verstappen ist nach seinem Sieg in Mexiko dabei, die Formel-1-Saison 2018 auf einem Hoch zu beenden. Mittlerweile zählt er wieder, wie man sagen muss, zu den stärksten Fahrern im Feld. Dieser Reputation durfte sich der Red-Bull-Pilot auch nach der Saison 2017 bereits rühmen. Anfang des Jahres wurde er diesem Ruf allerdings nicht gerecht, wie er mittlerweile auch selbst einsieht.

"Die ersten sechs Rennen dieses Jahr habe ich im Grunde genommen verkackt", gibt der 21-Jährige unumwunden zu, für die anfängliche Talfahrt in diesem Jahr alleine verantwortlich gewesen zu sein. Auch 2017 wiesen die Ergebnisse bei Verstappen in der zweiten Saisonhälfte mit Siegen in Mexiko und Malaysia einen deutlichen Aufwärtstrend auf. Die Krise dafür hatte dafür andere Gründe.

"Letztes Jahr hatte ich zu Beginn viele Zuverlässigkeitsprobleme, deshalb konnte ich nicht wirklich etwas zeigen. Es waren einige Male dabei, in denen ich um Podeste kämpfte und dann ausfiel", sagt er. Dieses Jahr habe er nach den Fehlern zu Beginn "einfach einen besseren Job gemacht." Vergleichbar sind die letzten beiden Jahre für ihn damit aber trotz der ähnlichen Verläufe auf dem Papier nicht: "Das sind zwei unterschiedliche Szenarien."

Zwei unterschiedliche Szenarien sind auch Verstappens beiden Saisonhälften, beziehungsweise seine Einstellung. "Ich habe nicht wirklich meine Herangehensweise ans Racing geändert", beteuert der fünfmalige Grand-Prix-Sieger. "Ich bin immer noch dieselbe Person und ich steche immer in eine Lücke. Das konnte man auch in Mexiko sehen. Ich war dort um zu gewinnen, nicht um Zweiter zu werden."

Verstappen erklärt Unfälle 2018: Wollte einfach zu viel

In den ersten Saisonrennen ging es ihm ebenfalls nur ums Gewinnen. Die Defizite seines Autos ignorierte er dabei konsequent. Mit der Brechstange wollte er Mercedes und Ferrari trotz unterlegenem Material Druck machen. "Ich wollte einfach zu viel", gibt er zu. "Ich wollte wirklich versuchen sie herauszufordern, selbst mit einem Paket, dass das nicht zuließ. Ich versuchte zu viel herauszuholen, was an diesem Punkt einfach nicht möglich war."

An den ersten sechs Rennwochenenden fuhr Verstappen lediglich drei zählbare Resultate ein. Abflüge in Trainings, Qualifyings und Rennen waren fast an der Tagesordnung, ebenso Kollisionen. Im Exklusivinterview mit Motorsport-Magazin.com beteuerte er in Monaco noch, nicht in einer Krise zu stecken. Gleichzeitig erzählte er von der Tugend, welche ihn wieder zurück in die richtigen Bahnen lenken sollte - und dies nach dem Wochenende im Fürstentum auch tat.

"Mein Vater sagte mir manchmal, dass ich auch dann, wenn ich das Gefühle habe zu langsam zu sein, noch schnell genug bin", wiederholt Verstappen, was ihn seit Monaco zu zwei Siegen und sechs weiteren Podestplätzen führte: "Ich fand nach Monaco wieder zu diesem Ansatz zurück und das schien mich schneller als vorher zu machen, aber ohne die Fehler. Das ist etwas, das für mich schon zu Go-Kart-Zeiten funktionierte, und das scheint es jetzt auch zu tun."

Verstappen vertraut auf Vater Jos: Haben alles zusammen erlebt

Jos Verstappen, seines Zeichens 107-facher Grand-Prix-Teilnehmer mit zwei Podestplätzen, ist seit jeher die erste Bezugsperson für Verstappen. Gegenüber den Medien machte er in schwierigen Zeiten stets deutlich, keinerlei tiefgehende mentale Eingriffe vornehmen zu müssen, um wieder zurück in die Spur zu finden. Von Mentaltrainern oder ähnlichem ließ er auch die Finger. Ratschlag holte er sich nur von einer Person.

"Hauptsächlich habe ich mit meinem Vater gesprochen. Er ist die einzige Person, die mich wirklich kennt. Wir haben alles zusammen erlebt und es ist immer gut, zu reflektieren", erklärt Verstappen, der gegenüber Motorsport-Magazin.com. aber klarstellt, dass es keineswegs so ist, dass er vorher nicht mit sich selbst ins Gebet gegangen ist: "Ich habe das immer gemacht, aber das ist einfach Lebenserfahrung, denke ich. Und ich sammle mit jedem Rennen mehr Erfahrung, erlebe unterschiedliche Szenarien."

Obwohl er im Kreuzfeuer der Kritik gegenüber der Öffentlichkeit oft uneinsichtig erschien, war Verstappen stets für einen Diskurs offen. "In kritischen Situationen wie zu Anfang des Jahres redest du natürlich viel darüber. Denn es wäre auch falsch, das nicht zu tun", sagt er. "Es wäre falsch einfach stur zu sein und zu versuchen, es alleine zu schaffen. Du gehst dann immer zu einer Person, die dich wirklich kennt."

Verstappen will in Zukunft auf der sicheren Seite sein

In der zweiten Saisonhälfte 2018 war Verstappen nach dieser Läuterung zwar deutlich erfolgreicher, ganz ohne Fehler blieb er jedoch nicht. In Monza und Suzuka erhielt er jeweils Zeitstrafen für das Abdrängen von Bottas beziehungsweise Räikkönen. Die Strafe beim Rennen in Italien hält er zwar nach wie vor für überzogen, doch auch hier will er in Zukunft weiser agieren.

"In solchen Momenten werde ich zukünftig sicherlich mehr Platz lassen, einfach um auf der sicheren Seite zu sein", sagt er. "Aber ich bin trotzdem hier um hart zu fahren, und nicht um mein Podium einfach so abzugeben." Auch die Entscheidungen der Rennleitung stellt er weiter in Frage: "Die Strafen waren die ganze Saison über mal so und mal so. Manchmal gab es eine, manchmal nicht."

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Frust wegen Ricciardo-Pole: Verstappen angepisst und auf Krawall gebürstet

Dass sich an Verstappens Entschlossenheit nichts geändert hat, zeigte er in Mexiko. Nachdem er im Qualifying hauchdünn von Teamkollege Daniel Ricciardo geschlagen wurde, war er angefressen wie selten. Jos Verstappen verriet im Nachhinein, dass selbst die Jubelstürme Ricciardos seinen Sohn zum kochen brachten. "Ich war hauptsächlich wegen der Motorprobleme im Qualifying sauer", sagt Max Verstappen.

"Ich war an diesem Wochenende eindeutig der Schnellste, aber für 75 Sekunden war ich es nicht. Ich war wirklich angepisst, und natürlich macht einen dann alles noch wütender. Ich meine, ich hätte wirklich bei jemandem Schaden anrichten können, wenn er nach dem Qualifying etwas falsches zu mir gesagt hätte, so sauer war ich."

Ricciardo selbst beteuert, dass seine überschwänglichen Jubelstürme nicht der Provokation des Teamkollegen galten. "Das ist einfach der Ehrgeiz in uns. Ich habe das nicht als irgendetwas Persönliches gesehen, als ob ich es ihm unter die Nase reiben wollte", so der Australier. "Ich war super glücklich, denn es war ein hartes Jahr und ich war der Underdog in diesem Kampf um die Pole. Also war ich natürlich ziemlich begeistert."

Den Frust Verstappens konnte er gut nachvollziehen: "Wenn ich die Pole so knapp verpasst hätte, wäre ich auch sauer gewesen. Und wenn du es so wie er siehst, das ganze Wochenende über der Favorit und in allen Sessions vorne zu sein, und dann von deinem Teamkollegen um zwei Hundertstel geschlagen wirst, pisst es dich an."

Verstappen bleibt realistisch: Sieg in Brasilien für Red Bull nicht drin

Mit dem Sieg am Sonntag entschädigte sich Verstappen für die Enttäuschung im Zeittraining. Am kommenden Wochenende in Brasilien dürfte sich eine derartige Geschichte allerdings nicht wiederholen, denn Red Bulls Chancen auf die erste Startreihe oder Siege schätzt Verstappen als eher gering ein. "Es gibt hier zu wenige Kurven, um die Verluste auf den Geraden zu kompensieren", sagt er.

Vor allem die Vollgaspassagen zwischen der letzten und der ersten Kurve sowie zwischen den Turns fünf und acht sind für den RB14 ein schweres Kreuz. "Das Problem ist, dass es nicht einmal normale Geraden sind. Es geht bergauf und du lenkst dabei noch die ganze Zeit, wobei du Geschwindigkeit verlierst. Das macht es für uns noch schlimmer", so Verstappen, der die Plätze fünf und sechs gegenüber Motorsport-Magazin.com als realistische Zielsetzung nennt: "Im Normalfall ja, sofern nichts Verrücktes passiert."