Sebastian Vettel wurde auf dem Hockenheimring eines der selten gewordenen Kiesbetten in der Formel 1 zum Verhängnis. In den wenigstens Kurven im Kalender werden die Piloten in der Königsklasse noch auf diese Weise für ihre Fahrfehler bestraft. Sowohl die Puristen unter den Fans als auch die Fahrer selbst wünschen sich diesen schmalen Grat. Eine Rückkehr der Kiesbetten ist jedoch aus wirtschaftlichen Gründen ausgeschlossen. Alternative Track-Limits gestalten sich schwierig.

In den vergangenen Jahren wurden die Piloten für das Missachten der Track-Limits in erster Linie durch aggressive Kerbs bestraft. In Hockenheim löste Lewis Hamilton mit dem zu harten Überfahren der Randsteine einen Defekt an seinem Mercedes aus, in Austin übertrieb es Max Verstappen und zerstörte sich die hintere Radaufhängung. Diese aggressiven Kerbs sind laut Charlie Whiting die wirksamste Methode, unter den Fahrern für Disziplin zu sorgen.

"Definitiv. Das ist der beste Weg, Track-Limits durchzusetzen", so der Brite, der seit 1997 der Rennleiter der Formel 1 ist. 2016 in Österreich zog die FIA mit einem doch sehr rustikalen Kerb ausgangs der vorletzten Kurve allerdings den Unmut der Teams auf sich, die reihenweise Aufhängungsschäden zu beklagen hatten. "Die Autos kamen mit diesen Kerbs nicht zurecht", so Whiting.

Whiting widerspricht Teams: Autos müssen angepasst werden, nicht die Rennstrecken

Besagtes Rennwochenende sowie die Einzelfälle in der Saison 2018 sind aber nicht das Problem der Offiziellen, wie er meint: "Das ist eine dieser grundlegenden Diskussionen, die ich mit ihnen [den Teams] habe. Sie wollen, dass die Kerbs so gestaltet werden, dass sie an die Autos angepasst sind. Ich sage da: Nein, so läuft das nicht. Ihr müsst eure Autos so designen, dass sie für die Rennstrecke geeignet sind."

So ansprechend die sogenannten Doppelkerbs als Alternative zum Kiesbett auch sind, die FIA kann sie längst nicht auf jeder Rennstrecke einsetzen. "Die Kurse können dann für anderen Motorsport nicht genutzt werden. Das ist das größte Problem", sagt Whiting. Der Knackpunkt dabei ist nicht nur anderer professioneller Motorsport wie zum Beispiel die MotoGP.

Während die Formel 1 nur an drei Tagen im Jahr auf den jeweiligen Rennstrecken aktiv ist, verdienen die Betreiber ihr Geld hauptsächlich mit Trackdays und privaten Testfahrten von Clubs und Automobilherstellern. Aggressive Kerbs oder gar Kiesbetten würden einen Trackday-Teilnehmer bei einem Fahrfehler teuer zu stehen kommen, gerade was Motorradfahrer angeht. Die Rennstrecken nur für das Wochenende der Formel 1 umzubauen kommt für die Streckenbetreiber nicht in Frage.

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Rennstrecken können auf Formel 1 keine Rücksicht nehmen

"Den Streckenbesitzern und -betreibern muss es möglich sein, ihre Rennstrecken das ganze Jahr über ohne großen Aufwand befahrbar zu machen", so Whiting, der was das angeht nur eine Ausnahme kennt. "Am Red Bull Ring bauen sie die Kerbs für die Formel 1 wieder ab, wenn Motorradrennen stattfinden." Einen Kerb, der von der Formel 1 über Touren- und Sportwagen bis hin zu Motorrädern eingesetzt werden kann, gibt es schlichtweg nicht.

"Es wäre so einfach, wenn man ihnen sagen könnte, dass sie Kerbs anbringen sollen, die für alle Autos geeignet sind. Aber dann wären sie wahrscheinlich für die Formel-1-Autos zu aggressiv. Das ist das Problem, du hast all diese Gentlemen-Fahrer die in der Ferrari Challenge und solchen Serien fahren, und die sind ständig neben der Strecke", erklärt der Rennleiter.

"Das ist natürlich nicht unser Problem, aber dann sind da noch die MotoGP und die WSBK, die auf einigen der Formel-1-Kurse fahren wollen. Und sie brauchen Kerbs, die ihnen keine Schwierigkeiten bereiten." Statt einem aggressiven Kerb der bei Missachtung der Track-Limits zu Schäden am Auto führen kann, hatte Red-Bull-Designer Adrian Newey zuletzt einen ganz anderen Ansatz.

Newey schlägt rutschigen Kerb vor, Formel 1 und MotoGP weiter Priorität

Der Brite schlug einen rutschigen Kerb vor, der lediglich zu Zeiteinbußen führen soll. "Ich sage ihm, dass das großartig ist und er mir Bescheid geben soll, wenn er einen Kerb gefunden hat, der für alle Autos und Motorräder geeignet ist", so Whiting mit einem Augenzwinken. Bis dahin heißt es weiter, den Spagat zwischen Formel 1 und MotoGP zu schaffen.

Laut Whiting sind die Königsklassen auf vier und zwei Rädern weiter absolute Priorität: "Wir haben Kerbs die gut genug für die F1-Autos sind, für eine Serie wie den Porsche Supercup aber nicht genug, dafür aber für Motorräder in Ordnung sind. Das ist im Moment der bestmögliche Kompromiss, den wir haben können."