Ende gut, alles gut. Lewis Hamilton hat in Mexiko mit einem vierten Platz seinen fünften WM-Titel eingefahren. Doch wirklich alles gut ist im Mercedes-Lager nicht. Ganz im Gegenteil. Die Performance der Silberpfeile im Rennen war fern von gut und böse. Gegen Red Bull setzte man bis auf den bombastischen Hamilton-Start keinen Stich, auch Ferrari überflügelte Mercedes letztlich leicht.

Das bittere sportliche Ergebnis in Mexiko: Gedämpfte WM-Party ohne Podium, Hamilton als Vierter fast 80 Sekunden nach Sieger Max Verstappen im Ziel, Valtteri Bottas als Fünfter nach sogar drei Boxenstopps auch noch überrundet. Damit elf Punkte gegen Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen in der Konstrukteurswertung eingebüßt, den vorzeitigen zweiten Titelentscheid verpasst.

Hamilton mit allen Reifen in Turbulenzen

Auch deshalb sprach Hamilton in seiner ersten Reaktion zum Rennen und Titel von einem komischen Gefühl. "Wir haben ihn nicht hier gewonnen. Wir haben ihn durch jede Menge harte Arbeit in vielen Rennen gewonnen", sagte Hamilton. "Es war ein schreckliches Rennen. Ich hatte einen großartigen Start und habe mich nach vorne gearbeitet, aber dann weiß ich echt nicht, was danach passiert ist. Ich habe einfach versuch durchzuhalten und das Auto nach Hause zu bringen."

Was passiert war, weiß Hamilton aber sehr wohl. Nur nicht, warum es geschah. Mercedes kämpfte in Mexiko unfassbar mit den Reifen. So beschwerte sich Hamilton nach dem ersten Stopp, mit dem Supersoft im zweiten Stint den zu diesem Zeitpunkt falschen Reifen bekommen zu haben. Doch auch nach dem zweiten Wechsel auf Ultrasoft wurde es nicht besser. Im Gegenteil. Selbst auf Kimi Räikkönen mit alten Supersofts vermochte Hamilton keinen Boden gutzumachen.

Toto Wolff: Bin sauer! Reifen nicht eine Runde funktioniert

Stattdessen ging das Lamentieren weiter. Vibrationen, selbst direkt nach dem Reifenwechsel keine Pace. Valtteri Bottas nutze angesichts derselben Probleme auch bei ihm ein spätes VSC sogar zu einem dritten Boxenstopp. Zum Vergleich: Räikkönen fuhr sogar auf nur einem Stopp komplett durch.

Angesichts dieser Probleme konnte sich Toto Wolff in seiner ersten Reaktion nach dem Rennen an den TV-Mikrofonen gar nicht über den WM-Titel Hamiltons freuen. "Es ist eine merkwürdige Krönung. Wir sind alle Racer und haben ein wirklich schlimmes Rennen gehabt. Es hat von Anfang an nichts funktioniert", so Wolff im ORF. "Die Reifen haben viel schlimmer abgebaut als erwartet, besonders bei uns."

Bei Sky Sports F1 ließ der Teamchef seinem Ärger ebenfalls schnell freien Lauf. "Es ist bittersüß. Wir hatten ein sehr schlechtes Rennen, das wir verstehen müssen. Über die WM sollten wir aber froh sein. Ich bin aber so sauer über die Performance im Rennen, dass ich mich erst einmal wieder sortieren muss."

Gesagt, getan. Etwas später stellte sich Toto Wolff dann auch noch den schreibenden Medien. Großartig an seine Laune geändert hatte sich in dieser Medienrunde allerdings nicht. Es sei denn es ging einzig und allein um Lewis Hamilton. Doch selbst da klang der Ärger noch mit.

Wolff: Mercedes in Mexiko wie Formel-3-Auto

"Ich denke, er hat diese Saison den Unterschied gemacht. Unser Auto war zeitweise das schnellste, zu anderen Zeiten nicht. Manchmal war es ein Formel-3-Auto wie heute", polterte Wolff. Gleich zwei Aspekte ärgern den Österreich: Das Problem selbst - und dass man im Dunkeln tappt, wieso es entstand.

Eine Erklärung habe er nicht. "Wir hatten nicht eine einzige Runde, in der wir die Reifen wirklich zum Arbeiten bekommen haben. Ich denke nicht, dass unser Auto die Reifen gefahren ist. Ich habe keine Erklärung dafür. Wir werden da eine Erklärung fordern, denn dieses Auf und Ab ist einfach schwierig", so Wolff, ziemlich offensichtlich auch in Richtung Pirelli. Vor allem der linke Vorderreifen sei das Problem gewesen.

Mercedes' Mission nicht erledigt: Team-Titel fehlt noch

Angesichts der massiven Performance-Probleme in Mexiko gab Wolff daraufhin auch gleich wieder den Mahner. Trotz des WM-Titels sei der Job noch nicht getan. "Die Konstrukteursweltmeisterschaft ist noch offen", erinnert Wolff.

Für Wolff und Mercedes ein wichtiger Titel. "Klar, die Fahrer-WM ist die sichtbarste und wichtigste, aber wir willen die Konstrukteurs-WM auch sicherstellen. Und das ist nicht so leicht wie man heute gesehen hat. Du kannst die Rekorde erst zählen, wenn das Buch geschlossen ist und ich sehe uns das Buch gerade nicht schließen."

55 Punkte beträgt der Vorsprung hier vor den beiden letzten Rennen auf Ferrari allerdings noch immer. 86 sind noch zu holen. Und Ferrari richtete per Twitter bereits eine Kampfansage aus. "Wir werden bis zum Ende kämpfen", schrieb die Scuderia. Doch selbst mit zwei weiteren derart desaströsen Rennen wie in Mexiko, in denen man nur elf Punkte einbüßen würde, wären die Silberpfeile am Ende angesichts des großen Polsters noch immer komfortabel vorne.

Zumal Wolff aus der Niederlage wie immer Kraft schöpfen will: "Ich bereue jeden Tag Entscheidungen, die ich getroffen habe. Aber wir sind die Summe unserer Erfahrungen und schlechte Entscheidungen haben uns schon in der Vergangenheit besser gemacht. Ein Tag wie mit diesem Auto auf der Strecke heute ist ein Tag, der uns langfristig besser macht."