Zwei Rennen stechen im Formel-1-Kalender für die Ingenieure besonders hervor: Brasilien und allen voran Mexiko. Nicht die Streckencharakteristik macht die Grands Prix aus Technik-Sicht so interessant, sondern ihre geografische Besonderheiten. Sao Paulo liegt rund 700 Meter über dem Meeresspiegel, Mexiko City sogar über 2.200 Meter. Was sich für viele wie eine Randnotiz anhört, stellt die Technik auf den Kopf.

Formel-1-Motoren in Mexiko am Limit

Am Limit sind Formel-1-Motoren immer, wenn man so will. Alles im Motorsport ist immer am Limit, sonst wäre es nicht schnell genug. Aber Mexiko ist noch einmal anders. Weil die Luftdichte geringer ist, enthält das gleiche Volumen weniger Sauerstoff. Für die Verbrennung im Motor ist Sauerstoff essentiell. Pro 100 Meter Höhenlage verlieren Saugmotoren deshalb rund einen Prozent Leistung. Das sind in Mexiko stolze 22 Prozent.

Turbomotoren kompensieren das allerdings. Der Verdichter komprimiert die Luft genauso stark wie auf Meereshöhe. Dafür muss aber der Turbolader mehr Umdrehungen liefern. 125.000 Umdrehungen pro Minute beträgt das Limit laut Reglement. Doch dieses Limit wird ohnehin nicht ausgelotet. In Mexiko dreht sich die Welle 8.000 bis 10.000 Mal pro Minute mehr als regulär.

Die MGU-H leidet darunter übrigens nicht. Wenn der Turbo mehr Arbeit verrichten muss, geht diese Energie eigentlich von der MGU-H ab. "Die Turbine ist aber durch den geringeren Umgebungsluftdruck effizienter", erklärt Renaults ehemaliger Motorenchef Remi Taffin. "Somit herrscht ein Gleichgewicht." Die Leistung leidet also nicht unter der Höhenluft.

Die Zuverlässigkeit dafür sehr wohl. 2017 etwa hatte Renault in Mexiko gravierende Probleme. Von sechs Renault-befeuerten Boliden schafften es nur zwei ins Ziel. Das gesamte Wochenende starben die Renault-Antriebe wie Fliegen. Auch 2018 gab noch Probleme: Red Bull setzte deshalb nicht die letzte Motorenausbaustufe ein, sondern verwendete die B-Spezifikation. Das Werksteam hatte die C-Spezifikation nie im Einsatz.

Aerodynamik: Monaco-Setup, Monza-Abtrieb

Nicht nur auf den Motor hat die Luftdichte eine enorme Auswirkung, auch auf die Aerodynamik. Die Fahrzeuge generieren deshalb gut 20 Prozent weniger Abtrieb als auf anderen Strecken. Das führt zu kuriosen Auswüchsen: Nahezu alle Teams fahren mit Flügeln wie in Monaco, also versuchen irgendwie Abtrieb ans Auto zu kriegen.

Der Effekt ist aber nicht besonders groß. In den schnellen Kurven sieht man die Autos rutschen wie auf keiner anderen Strecke. Trotz Monaco-Flügel generieren die Boliden weniger Abtrieb als in Monza.

Gleichzeitig haben die Autos natürlich auch weniger Luftwiderstand. Deshalb werden in Mexico City die höchsten Geschwindigkeiten der gesamten Saison erreicht. 2016, beim letzten Mexiko-Rennen unter dem alten Reglement mit schmaleren Autos und Reifen, erzielte Valtteri Bottas die damals offizielle Formel-1-Höchstgeschwindigkeit von 372,5 km/h.

Kühlung: Feuer-Bremsen und Performance-Verluste

Bei gleicher Geschwindigkeit ist der Luftmassendurchfluss durch die verminderte Dichte geringer. Für die Kühlung eine Katastrophe. Vor allem die Bremsen leiden darunter, denn sie müssen die Boliden aus noch höheren Geschwindigkeiten herunterbremsen. Die kinetische Energie der Autos nimmt mit der Dichte nämlich nicht ab, deshalb müssen die Bremsen mehr Arbeit verrichten und werden gleichzeitig weniger gekühlt. Bei Mercedes sah man deshalb einst brennende Bremsscheiben im Stadion-Abschnitt.

Kühlung von Motor, Getriebe und sämtlichen Aggregaten der Power Unit betrifft das ebenso. Die Team müssen deshalb trotz relativ niedriger Temperaturen Kühlungen wie einst in Malaysia oder Bahrain fahren.

2017 brachte Haas kein spezielles Kühl-Paket mit nach Mexiko und wurde von hohen Temperaturen bestraft. Das Team musste das Karbonkleid aufschneiden, damit ausreichend Kühlung gegeben war. Allerdings verlor das Auto dadurch übermäßig Performance und war plötzlich nicht mehr konkurrenzfähig. Ein Jahr später entschied sich deshalb auch Haas für ein spezielles Mexiko-Paket.

Was die Höhenluft von Mexiko noch anstellt

Das Autodromo Hermanos Rodriguez ist eigentlich kein Reifen-Killer - und trotzdem wird jedes Jahr über die Pirelli-Pneus gejammert. Das liegt auch ein wenig an der Höhenlage, denn für die Reifen gilt nichts anderes als für die Kühlaggregate: Sie werden weniger gekühlt. Dadurch neigen sie schneller zum Überhitzen.

Auch am Tanksystem müssen Änderungen vorgenommen werden, Foto: Sauber
Auch am Tanksystem müssen Änderungen vorgenommen werden, Foto: Sauber

Dazu gibt es noch zahlreiche Detail-Probleme, die nicht unbedingt mit der Performance zu tun haben. Dazu gehört beispielsweise der Benzintank. Der muss künstlich unter Druck gesetzt werden, damit die Pumpen reibungslos funktionieren. Bei einem Test von Renault 2016 in Malaysia ging das schief - Benzin sprudelte aus der Entlüftung und fing Feuer.

Selbst die Fahrer merken die Höhenluft ein wenig. "Auch wir haben nicht so viel Sauerstoff wie üblich, deshalb atmen wir etwas stärker - wie wenn man hier läuft", erklärt Mercedes-Pilot Valtteri Bottas. "Man muss mehr atmen und der Puls während des Rennens ist deshalb etwas höher. Aber es ist physisch okay, weil es nicht eine der anstrengendsten Strecken ist, wenn es um die G-Kräfte geht."