"Natürlich bin ich glücklicher als wenn ich Zweiter geworden wäre. Glücklich eben." Kimi Räikkönen reagiert auf seinen ersten Formel-1-Sieg nach einer halben Ewigkeit, wie man es eben vom Iceman kennt. Überschäumend vor Euphorie. Und das nachdem die Siegflaute ausgerechnet bei einem waschechten F1-Krimi, dem Thriller in Texas, auf dem Circuit of the Americas in den USA, endete.

Unfassbare 2044 Tage ist es her, dass Räikkönen zuvor gewonnen hatte. Vor 113 Grands Prix gewann der Finne den Australien Grand Prix 2013, damals noch für Lotus aktiv. Im viertletzten Rennen seiner zweiten Ferrari-Karriere endete nun endlich das ewige Warten auf einen Sieg in Rot - und das auch noch an einem ganz besonderen Datum. An einem 21. Oktober hatte Räikkönen vor elf Jahren in seiner ersten Ferrari-Karriere den WM-Titel klargemacht.

Räikkönen mischt Formel-1-Statistik auf

Mit seinem Coup in Austin sorgte Räikkönen zudem für gleich mehrere Formel-1-Rekorde. Ricciardo Patrese (99 Rennen) löste er mit seinen 113 Starts bei der längsten Spanne zwischen zwei Siegen ab. Michael Schumacher büßte den Rekord für die längste Zeit zwischen erstem und letzten Karrieresieg ein. Vor 15 Jahren, 6 Monaten und 28 Tagen hatte Räikkönen 2003 in Malaysia zum ersten Mal überhaupt in der Formel 1 gewonnen. Noch dazu übertrumpfte Räikkönen Mika Häkkinens finnischen Landesrekord von 20 F1-Siegen mit seine, 21. Streich.

Neue Rekorde für den Iceman. Prost, Foto: Sutton
Neue Rekorde für den Iceman. Prost, Foto: Sutton

Kimi Räikkönen hat in Austin also final gezeigt, dass er es eben doch noch kann: gewinnen! "Vielleicht bin ich sogar noch glücklicher als meine Fans. Tolles Wochenende", gerät Räikkönen angesichts dessen dann doch auch verbal fast ins Schwärmen. Und freut sich auch, es den Kritikern gezeigt zu haben. "Es ist ein toller Tag, auch, um ein paar Leuten zu beweisen, dass sie falschliegen."

Typisch Iceman: Ändert nicht mein Leben

Unter der Haut dürfte dann also auch der Iceman einmal aufgetaut sein. Aber: "Es ändert jetzt nichts für mich. Das Leben geht weiter." Ob Durststrecke oder nicht ist für Räikkönen unter dem Strich egal. Für sich selbst weiß der Finne, dass er noch liefern kann. "Und ein paar Mal war ich ja schon wieder nah dran", ergänzt er. "Ich werde auch älter, also ist das nicht schlecht. Ich genieße es. Ich habe es immer versucht, aber es ist nicht leicht. Sonst hätte ich es längst geschafft."

Ausdrücklich nicht zielt Räikkönen mit seiner Genugtuung bezüglich seiner Kritiker auf Ferrari. Im Hinblick darauf, dass er 2019 keinen Vertrag mehr erhalten hat. "Ich bin glücklich damit, wie es für mich jetzt weiter geht. Ich hatte meine Zeit bei Ferrari, habe für sie die WM und viele Rennen gewonnen. Ich bin zufrieden damit, dorthin (zu Sauber, Anm. d. Redaktion) zu gehen. Das ist nur 40 Minuten von Zuhause", erklärt Räikkönen. "Mich störte immer nur, nicht zu wissen, was die Zukunft bringen würde."

Räikkönen: Beweis, dass Kritiker falsch liegen

Dass die Beziehung zur Ferrari-Familie nicht gelitten hat - im Gegenteil - hörte man auch am Funk. Teamchef Maurizio Arrivabene schrie vor Freude so richtig in den Boxenfunk: "WELL DONE! WELL DONE MY FRIEND!" Die andere Familie, Minttu und die Kids Robin und Rianna unterdessen seien jetzt sicher auch sehr glücklich. "Auch wenn die Kids vielleicht im Rennen eingeschlafen sind. Aber die Ehefrau war sicher fit", so Räikkönen verbal genauso unterwegs wie auf Instagram.

Kimi Räikkönen hat es geschafft und der Ferrari-Familie doch noch einen Sieg geschenkt, Foto: Sutton
Kimi Räikkönen hat es geschafft und der Ferrari-Familie doch noch einen Sieg geschenkt, Foto: Sutton

All das geschah in den USA jedoch nur nach einem ganz harten Stück Arbeit. Ein leichter Sieg war es für Räikkönen nicht. "Ich hatte einen klasse Start und musste dann einfach pushen", schildert Räikkönen einen glänzenden Auftakt. Als einziger Topfahrer mit Ultrasoft qualifiziert katapultierte sich Räikkönen da sofort vorbei an Hamilton und führte das Rennen souverän an. Durch ein Virtuelles Safety Car jedoch, das Mercedes zum zeitsparend frühen Stopp in Runde elf nutzte, schien dann wieder alles verloren.

So fuhr Kimi Räikkönen in Austin zum erlösenden Sieg

Hamilton lag trotz Stopp nur acht Sekunden hinter Räikkönen, war bis zu dessen Stopp schon wieder im Ferrari-Getriebe. Doch Räikkönen hatte das Glück des Tüchtigen. Weil der Mercedes-Stopp derart früh war, hielten die Reifen am Silberpfeil nicht. Durch einen zweiten Stopp eroberte Räikkönen die Führung zurück und verteidigte diese kontrolliert vor Max Verstappen und Hamilton ins Ziel.

"Die Reifen waren nicht immer im besten Zustand, aber bei Max war es ähnlich. Ich konnte meine Pace konstant halten, hatte genug Speed und konnte die Reifen schonen", schildert Räikkönen seine erfolgreiche Taktik. "Deshalb stehe ich jetzt hier. Es ist lange her, aber hier bin ich wieder."

Ein Extralob erteilt der Iceman auch den in den vergangenen Monaten - oder auch Jahren - oft gescholtenen Ferrari-Strategen. Die ließen sich von Mercedes' frühem Move nicht beeindrucken, zogen einfach ihren Stiefel durch - auch schon mit der richtigen Wahl des Startreifens. "Ich bin zum richtigen Zeitpunkt reingekommen und habe die richtigen Reifen gewählt", lobt Räikkönen bei Ferrari genau die zwei Aspekte, die Hamilton bei Mercedes kritisierte. "Wir haben aber alles gut hinbekommen, um zu gewinnen", sagt Räikkönen.

Das gelte auch für sein Auto. Er habe sich so richtig wohgefühlt. Wir hatten den Speed und ich war sowieso zuversichtlich, dass wir ihn haben würden. Nur die Reifen waren eine gewisse Unbekannte. Ich habe meine Reifen nach dem Stopp sofort so gut es ging geschont und gleichzeitig versucht, den Abstand zwischen uns zu halten", schildert der einst als großer Reifenflüsterer bekannte Finne die ewig langen letzten zehn Runden direkt vor Verstappen.

Sebastian Vettel: Keiner hat einen Sieg mehr verdient

"Ich sah ihn hinter mir im Spiegel wie er aufholte. Zehn Runden vor Schluss war schwer zu wissen, ob die Reifen halten würden. Aber hier kannst du schwer überholen. Du kommst leicht nah hin, aber überholen ist dann kniffliger", sagt Räikkönen. "In den letzten Runden war ich vielleicht nicht der glücklichste Kerl auf der Welt. Aber je länger es dauerte, desto schwieriger wurde es auch für sie."

Angesichts dieser Performance zog auch der vorheriger Konkurrent im USA GP den Hut vor dem Routinier. "Glückwunsch an Kimi. Er hat einen super Job gemacht und keinen Fehler. Er hatte einen guten Start und alles unter Kontrolle." Dank des Räikkönen-Sieges hatte dann auch Vettel (nach Dreher nur Vierter) zumindest einen Grund zur Freude: "Ich freue mich echt für ihn. Er verdient diesen Sieg mehr als jeder andere im Grid!"