Den Favoriten-Check im eigentlichen Sinne könnte man sich an dieser Stelle wohl sparen. Bei der Ausgangslage scheint der Japan GP 2018 (Startzeit Japan GP 07:10 Uhr, RTL überträgt live) schon entschieden zu sein. Lewis Hamilton startet von Pole, fährt seiner fünften Formel-1-Weltmeisterschaft unaufhaltsam entgegen und wird dabei vom treuen Teamkollegen Valtteri Bottas beschützt. Sebastian Vettel, der ärgste Rivale im Titelkampf - und eigentlich auch in Suzuka - startet nur von Position acht.

Also alles gegessen? Nicht unbedingt. Motorsport-Magazin.com blickt vor dem Japan GP trotzdem genauer auf die Favoriten. Ist Mercedes vorne wirklich so sicher durch? Kann und darf Valtteri Bottas überhaupt gegen Hamilton? Kann vielleicht Max Verstappen noch angreifen? Und wie weit kommt Sebastian Vettel noch nach vorne?

Zunächst der Blick auf Mercedes. Bis auf Q2 - wo es auch darum geht, die Startreifen für das Rennen zu schonen - war Lewis Hamilton vom 1. Freien Training bis zum letzten Qualifikationssegment Schnellster. Bis auf das 3. Freie Training, bei nicht unbedingt repräsentativen Bedingungen, holte er sich immer sehr deutlich die Bestzeit.

Formel 1 Japan 2018, Longruns Soft

FahrerGefahren gegenReifen-AlterStint-LängeDurchschntl. Zeit
HamiltonEnde1671:33,482
VettelEnde1771:33,771
RicciardoEnde1481:33,889
BottasEnde1461:34,018
VerstappenEnde1691:34,317
RäikkönenMitte24141:35,196

Beim Blick auf die Longruns vom Freitag zeigt sich ein ähnliches Bild. Sowohl auf Supersoft, als auch auf Soft war Hamilton der schnellste Pilot im Feld. Auch wenn Sebastian Vettel auf Soft verhältnismäßig nah war: Der Ferrari-Pilot startet erstens weit hinten und zweitens hatten seine Reifen am Ende des Stints deutliches Blistering.

Auch Max Verstappen konnte bei den Longruns nicht mithalten. Der Niederländer war allerdings am Freitag generell nicht besonders zufrieden. Im Qualifying fühlte er sich deutlich wohler im Auto, konnte so auch Kimi Räikkönen verdrängen und startet deshalb von Platz drei.

Formel 1 Japan 2018, Longruns Supersoft

FahrerGefahren gegenReifen-AlterStint-LängeDurchschntl. Zeit
HamiltonAnfang1591:34,394
BottasAnfang1681:34,978
VettelAnfang15111:35,144
RicciardoAnfang1371:35,181
VerstappenAnfang1661:35,201

"Ich war zufriedener mit dem Gefühl und der Performance", bestätigt Verstappen. "Die harte Arbeit der Jungs über Nacht hat sich ausgezahlt." Freitag splittete Red Bull die Setups noch zwischen Verstappen und Teamkollege Daniel Ricciardo.

Kann Red Bull Mercedes in Japan unter Druck setzen?

Der Australier - im Qualifying wegen eines Motorproblems im Q2 ausgeschieden - fuhr mit mehr Abtrieb. Am Samstag fuhr auch Verstappen mit mehr Flügel. Er bezahlte mit Topspeed für Balance. Seine Longruns sollten also besser werden.

Aber ob es für Mercedes reicht? Im Rennen ist Red Bull normalerweise deutlich näher dran als auf eine Runde. "Ich glaube, Mercedes wird zu schnell für uns sein", schränkt Verstappen selbst ein. "Aber wer weiß schon, was mit einem guten Start passiert?"

Tatsächlich scheint der Start die einzige Möglichkeit zu sein. Mercedes qualifizierte sich im Q2 als einziges Top-Team auf Soft-Reifen. Red Bull und Ferrari starten auf Supersoft. Am Start könnte das für Mercedes zu einem Problem werden.

Formel 1 Japan 2018: Mögliche Strategien

Schnellste Strategie:

  • Einstopp: 25 Runden Soft, Medium bis Rennende
  • Einstopp: 28 Runden Medium, Soft bis Rennende

Fast gleichschnell:

  • Einstopp: 20 Runden Supersoft, Medium bis Rennende

Langsamer:

  • Zweistopp: 14 Runden Supersoft, 19 Runden Soft, 20 Runden Soft

Selbst für diesen Fall hat Mercedes aber noch einen Joker in der Hand. Überholen ist in Suzuka schwierig, dazu wird es wohl trotz der Supersoft-Reifen nur einen Boxenstopp geben. "Wir glauben, dass der Soft-Reifen der beste Reifen für das Rennen ist", verrät Mercedes Teamchef Toto Wolff. "Er gibt uns viele Optionen: Damit kann man uncercutten und overcutten. Es gibt dadurch mehr Möglichkeiten."

Selbst wenn jemand vor einen Mercedes kommen sollte, mit den Soft-Reifen können Bottas und Hamilton länger draußen bleiben und anschließend in freier Fahrt wieder die überlegene Pace des Silberpfeils nutzen. Es sieht gut aus für Mercedes.

Bottas für Hamilton kein Konkurrent in Suzuka

Und was ist mit dem Feind im eigenen Team? In Sotschi sorgte Bottas' Stärke für den Eklat. Dürfte Bottas gewinnen? Zunächst einmal: Suzuka ist nicht Sotschi. Dort war Bottas das gesamte Wochenende näher dran an Hamilton. In Japan dominiert der WM-Leader wieder. Und selbst wenn, Mercedes schließt unter gewissen Bedingungen auch in Suzuka eine Stallorder nicht aus. Kurzum: Eigentlich kann und darf Lewis Hamilton niemand gefährlich werden.

Vettel in Japan vor kleiner Aufholjagd

Doch was kann Sebastian Vettel nach dem verpatzten Qualifying noch anrichten? Erst verspekulierte sich Ferrari bei der Reifenwahl, dann machte Vettel auch noch einen kostspieligen Fehler. Durch die Strafversetzung von Esteban Ocon gewinnt er immerhin noch eine Position und startet deshalb von Platz acht.

Suzuka ist nicht unbedingt die Strecke, auf der man weiter hinten stehen will. Auf der einen Seite gibt es mangels Alternativen nur eine DRS-Zone, auf der anderen Seiten gibt es kaum eine Strecke, auf der es so viele schnelle Kurven gibt wie hier. Die verwirbelte Luft wird ein Riesen-Problem.

Trotzdem sollte Vettel im Normalfall leichtes Spiel haben. Pierre Gasly und Brendon Hartley dürfte in ihren Toro Rossos eher das eigene Rennen am Herzen liegen. Ihre Gegenwehr wird sich in Grenzen halten, verlieren sie doch nur selbst Zeit dabei.

Romain Grosjean könnte schon etwas interessanter werden, denn er fährt auf den Soft-Reifen los. In Abhängigkeit davon, wie schnell Vettel auf den Haas-Piloten trifft, ist der Geschwindigkeitsüberschuss kleiner oder größer.

Kann Räikkönen Vettel helfen?

Und danach hängt alles davon ab, was Kimi Räikkönen und Max Verstappen bis zu diesem Zeitpunkt gemacht haben. Räikkönen könnte im Rennen Vettel helfen, indem er Max Verstappen aufhält. Dafür muss er aber erst an ihm vorbei.

Fährt Verstappen sein eigenes Rennen, wird es schwer für Vettel. Vettel war zwar am Freitag auf eine Runde und im Longrun schneller, doch der Pace-Überschuss war nicht ausreichend groß, um überholen zu können. Dazu fühlt sich Verstappen mit dem neuen Setup nun deutlich wohler.

Vettel beansprucht selbiges aber für Ferrari: "Wir haben von Freitag auf Samstag einen Schritt gemacht. Schade, dass wir das nicht bestätigen konnten." Im 3. Training sah der Ferrari tatsächlich besser aus. Somit gibt es zumindest eine große Unbekannt. Rennstart ist 07:10 Uhr, wie immer live bei RTL und im Motorsport-Magazin.com-Liveticker.