Mercedes musste sich nach dem Doppelsieg in Russland einige Fragen gefallen lassen. Von euphorischer Siegesstimmung war wenig zu spüren. Sebastian Vettel war auf dem Podium noch der glücklichste Pilot. Lewis Hamilton konnte sich über den geschenkten Sieg nicht freuen, Valtteri Bottas noch weniger.

Zugegeben, das Bild, das die Formel 1 nach dem Überqueren der Ziellinie abgegeben hat, war dem Sport nicht besonders zuträglich. Es war ein wenig beschämend. Dabei war der Positionswechsel in Runde 25 erst einmal kein großer Aufreger.

Das Problem war eher, dass Hamilton nicht wegfahren konnte. Dadurch wäre ein Zurücktauschen eigentlich die logische Konsequenz gewesen. Konnte man das von Mercedes wie im vergangenen Jahr in Ungarn erwarten?

Nein. Im Dezember, wenn Lewis Hamilton aller Voraussicht nach zum fünften Mal den WM-Pokal bei der FIA-Gala in die Höhe strecken wird, wird sich niemand daran erinnern. Das Ergebnis, der Titel zählt, nicht der Weg dorthin.

Mit der Teamstrategie hat Mercedes Ferrari eine doppelte Lektion erteilt. Mercedes hatte schon vor dem Rennen alles durchgetaktet. Bottas gab nach dem Start Hamilton Windschatten, nicht Vettel. Bottas hielt Vettel auf, als es mit Hamilton nach dem Boxenstopp eng wurde. Bottas machte Hamilton Platz, als der Probleme bekam.

Das mag für den Zuschauer nicht schön sein, aber es ist notwendig. Mercedes fährt wie jedes andere Team für das beste Teamergebnis. Auch wenn es für einen Fahrer nicht schön ist, das Team besteht aus hunderten Mitgliedern, der Konzern, den Hamilton und Bottas repräsentieren, hat fast 300.000 Mitarbeiter.

Ferrari stärkt Vettel nicht den Rücken

Genau so hätte auch Ferrari in Monza agieren müssen. Dann wäre es höchstwahrscheinlich nicht zum Zusammenstoß zwischen Vettel und Hamilton gekommen. Dann wäre es wohl nicht zum Hamilton-Sieg gekommen. Dann würde die WM jetzt ein wenig anders aussehen.

Neben dem Punktestand würde es womöglich auch im Team anders aussehen. Hamilton und Vettel fordern diesen Status von ihren Teams. Die Ergebnisse geben ihnen recht, sie können diesen Status auch einfordern.

Mercedes hat mit der Team-Taktik nicht nur einen Schritt in Richtung Fahrer-WM gemacht, sondern hat damit gleichzeitig auch den unumstrittenen Nummer-eins-Fahrer den Hintern gepudert. Rennfahrer sind sensible Maschinen, sie verlangen eher nach dem Feinwerkmechaniker als nach dem Mechaniker für Großmaschinenbau.

Ferrari hat Vettel 2018 genau diese Hilfe versagt. Das Ergebnis lässt sich nun regelmäßig an den Funksprüchen von Vettel ablesen. Was will Ferrari? Die WM gewinnen oder den Nummer-zwei-Fahrer glücklich machen? Mercedes hat diese Entscheidung getroffen. Ob schön oder nicht: Erfolgreich ist sie.