"Charlie unternimmt überhaupt nichts gegen ihn, huh? Will er wirklich, dass ich crashe?!" Mit diesen Worten versuchte Sergio Perez beim Formel-1-Rennen in Singapur den vor ihm fahrenden Sergey Sirotkin von den Stewards aus dem Weg räumen zu lassen. In Silverstone verlangte Fernando Alonso im Kampf gegen Kevin Magnussen ein Einschreiten der FIA. Ein Verhalten, das mittlerweile Gang und Gäbe ist. Rennleiter Charlie Whiting hat es da nicht leicht.

Perez verzweifelte in Singapur hinter Sirotkin. Obwohl er nie in der Position für einen Angriff war, klagte er im Boxenfunk , dass der Russe sich mit seiner Meinung nach gefährlichen Manövern verteidigt. "Das sahen wir nicht so", erklärte Whiting nach dem Rennen in seinem Media-Briefing, an dem auch Motorsport-Magazin.com teilnahm.

Whiting, seines Zeichens seit 1997 Renndirektor und Sicherheitsbeauftragter der Formel 1, bekommt während des Rennens allerhand Informationen von den Teams zugespielt. Die Klagen von Perez spielte ihm Force India zu. "Ich sagte ihnen, dass er erst eine ganze Ecke näher an ihn herankommen müsste, damit wir anfangen uns anzuschauen, was er [Sirotkin] auf der Bremse macht, denn für uns war das wirklich kein Thema", so der Brite.

Whiting: Teams nehmen manche Beschwerden ihrer Fahrer nicht ernst

Der Fall Perez vs. Sirotkin erledigte sich später mit der Kollision zwischen den beiden Kontrahenten, ausgelöst durch den Mexikaner. Whiting und die vier Stewards sprachen eine Strafe gegen Perez aus, womit dieser Fall erledigt war. Kurz darauf bekamen die Offiziellen den nach blauen Flaggen schreienden Valtteri Bottas zu hören, dem es nicht gelang, nah genug an den zur Überrundung anstehenden Nico Hülkenberg aufzuschließen.

Auch in diesem Fall konnte die Rennleitung nichts tun. Bottas kam nicht auf unter 1,2 Sekunden an den Renault-Piloten heran, und die waren die Mindestvorgabe für das Verhängen der blauen Flagge. In diesen Fällen wandte sich das Team an Whiting, doch die Kommandostände von Mercedes & Co. kommen längst nicht jedem Ruf nach dem Rennleiter nach.

"Wenn ein Team uns bittet, schauen wir es uns an", erklärt Whiting und fügt mit einem Schmunzeln an. "Aber wenn ein Fahrer sein Team anweist mir etwas mitzuteilen, machen sie das nicht immer. Zum Glück." Meistens wissen die Teams mit einem kühlen Kopf besser als ihre Fahrer, welche Erfolgschancen das Einschalten des Rennleiters hat: "Die Teams filtern es."

Charlie Whiting hält am Rennsonntag regelmäßig ein informatives Media Briefing, Foto: FIA
Charlie Whiting hält am Rennsonntag regelmäßig ein informatives Media Briefing, Foto: FIA

Formel-1-Rennleitung hört Boxenfunk mit: Manche Untersuchungen sind Zufall

"Der Fahrer sagt: Los, sagt Charlie dieses, sagt Charlie jenes! Aber sie denken sich, es macht keinen Sinn, denn sie wissen, was ich sagen werde: nein", so der 66-Jährige, der über die Teams auch einige Vorfälle mitbekommt, die dem TV-Zuschauer ohne jemals im Bild gewesen zu sein verborgen bleiben. Manchmal bekommen die Stewards von einem Vorfall auch ohne Mitteilung der Teams Wind.

Während des Rennens haben Whiting und seine Kollegen uneingeschränkten Zugriff auf sämtliche Funkverkehre der 20 Piloten. "Wenn wir es hören, schauen wir es uns vielleicht mal an", erklärt er. Alle Fahrer permanent zu überwachen ist mit der zur Verfügung stehenden Manpower allerdings nicht möglich. "Wir hören uns natürlich nicht die ganze Zeit alle Fahrer an. Es sind nur vier Leute, also ist es normalerweise eher Zufall."

Die Rennleitung versucht das gesamte Geschehen auf der Strecke so gut es geht zu verfolgen, weshalb manches einfach eine Mitteilung der Teams bedarf. "Vielleicht hören wir uns gerade auch einen anderen Fahrer an", so Whiting. "Wenn du dir das ganze Rennen immer nur einen Fahrer anhörst, kann das auch ganz schön langweilig werden."