Das größte Überrundungsdrama beim Singapur GP 2018 hat sich im Formel-1-Rennen rund um den späteren Sieger Lewis Hamilton, Max Verstappen, Romain Grosjean und Sergey Sirotkin zugetragen. Doch gab es noch einen zweiten Brandherd, etwas abseits der großen, weil fast das ganze Rennen auf den Kopf stellenden Szene.

Valtteri Bottas geriet ebenfalls in Schwierigkeiten. Allerdings war der Fall des Finnen völlig anders gelagert als der seines Teamkollegen. Während bei Hamilton Grosjean kurz nach Rennmitte blaue Flaggen vehement ignorierte, sich dafür Strafe und Tadel von F1-Rennleiter Charlie Whiting einhandelte, bekam der von Bottas gegen Rennende zu überrundende Nico Hülkenberg die blauen Flaggen erst gar nicht gezeigt.

Bottas schimpft: Niemand bekommt blaue Flaggen!

"Das ist nicht akzeptabel. Niemand bekommt die blauen Flaggen", beschwerte sich der Finne am Boxenfunk lautstark. Sein Problem: Bottas verlor so Zeit, von hinten flog Landmann Kimi Räikkönen im Ferrari rasend schnell heran an den Mercedes. "Ich hing hinter Nico Hülkenberg fest und konnte die blaue Flagge nicht auslösen", schildert Bottas später. "Es war ziemlich schlecht. Auf dieser Strecke ist es so schwierig, nah genug heranzukommen. Ich weiß nicht, ob es 1,2 oder 1,3 Sekunden sind, die du dran sein musst, um die blauen Flaggen auszulösen. Aber ich kam da einfach nicht hin und habe jede Runde eine Sekunde verloren. Das war knifflig", sagt Bottas.

An Hülkenberg kam Bottas nicht nah genug heran, um blaue Flaggen auszulösen, Foto: LAT Images
An Hülkenberg kam Bottas nicht nah genug heran, um blaue Flaggen auszulösen, Foto: LAT Images

Am Ende rettete er sich vor Räikkönen, war dennoch alles andere als zufrieden mit dem Ergebnis. "Immerhin hat es mich keine Position gekostet, aber ich wäre näher an den Top-3 dran gewesen", so Bottas. Räikkönen unterdessen roch kurzzeitig tatsächlich Lunte - trotz der auf dem Marina Bay Street Circuit großen Überholproblematik. "Für mich war es mit den Überrundungne nicht so schlecht, aber natürlich war Bottas vor mir und ich denke, er hatte da mehr mit zu kämpfen. Ich kam an ihnen aber nicht so schlecht vorbei", sagt der Ferrari-Pilot.

Räikkönen riecht Lunte: Bottas-Fehler aber nicht groß genug

Eine echte Chance habe sich allerdings nie geboten. "Er hat sich ein paar Mal verbremst, einige Male, ein paar Fehler gemacht. Aber gerade nur genug, damit ich nah ran kam, aber nicht wirklich genug. Da hätte ich etwas größeres gebraucht hier. Ich konnte sehen, wie er mit seinem rechten Vorderreifen zu kämpfen hatte, aber sobald ich ihm näher kam, habe ich sofort jede Menge Abtrieb verloren", erklärt der Iceman. "Und Traktion aus der Kurve heraus auch, sodass er wieder wegziehen konnte."

Genau dieses Phänomen war es auch, was Bottas die Probleme bereitete. Selbst bei Überrundungen war es für den Finnen zu viel, trotz des eigentlich extremen Pace-Unterschieds von Mercedes zu Renault. "Er war verärgert, weil er nicht auf Hülkenberg aufschließen konnte. Das war schade, denn Kimi hatte damit weniger zu kämpfen", gesteht Toto Wolff offen die offenbar weiterhin größere Anfälligkeit des Silberpfeils im Verkehr.

Mercedes: 1,2 Sekunden als Flaggen-Trigger in Singapur zu wenig

Hamilton stimmt zu: "Zum Ende hin wurde es auf jeden Fall nochmal interessant mit den Überrundungen. Das war unglaublich schwierig. Du konntest bereits die Verwirbelungen der Autos spüren als du noch fünf, sechs Sekunden dahinter warst. Da rutschte das Auto schon mehr."

Wolff weiter: "Deshalb ist das wieder etwas, das wir ansehen müssen." Mercedes? Nein. Wolff meint etwas anderes. Die Vorgabe der FIA, wann blaue Flaggen gezeigt werden, sprich das Zeitdelta. In Singapur betrug dieses 1,2 Sekunden, war damit bereits um zwei Zehntel gegenüber dem Vorjahr erweitert worden. Wolff stellt nun in den Raum, auch das noch einmal überdenken zu müssen. "Vieleicht muss dieser Abstand auf Straßenkursen angepasst werden. Aber es ist eben eien Regel und wir müssen es jetzt akzeptieren. Für die Zukunft müssen wir es aber ansehen."

FIA: Keine Ausnahme für Bottas, alle anderen haben es geschafft

Genau in diesem Punkt widerspricht jedoch die FIA. "Vergangenes Jahr war es eine Sekunde, jetzt haben wir schon auf 1,2 erhöht. Ich denke nicht, dass es mehr sein sollte. Denn dann muss ein Farher sehr früh vom Gas und verliert sehr, sehr viel Zeit mehr als er sollte, um das andere Auto durchzulassen wenn er es so früh macht wie möglich", sagt Charlie Whiting im seit 2018 üblichen Media Briefing nach Rennen, bei dem auch Motorsport-Magazin.com gant genau hinhörte. "Das wollen wir nicht, das ist nicht gerecht."

Charlie Whiting spricht beim Media Briefing Klartext, Foto: FIA
Charlie Whiting spricht beim Media Briefing Klartext, Foto: FIA

Bottas sein ein Einzelfall gewesen, deshalb müsse man keine Rücksicht nehmen, so der Rennleiter der Formel 1. "Es ist vertretbar anzunehmen, dass man innerhalb von 1,2 Sekunden kommen kann. Jeder hat es geschafft - bis auf Valtteri. Ich weiß nicht warum, vielleicht war sein Auto nicht ganz so wie er es wollte. Aber das ist nicht unser Problem. Wir konnten für ihn keine Ausnahme machen."