Viermaliger Weltmeister und Pole-Position-Rekordhalter: Lewis Hamilton hat sich in den Ruhmeshallen der Formel 1 längst verewigt. Die gebührende Anerkennung dafür wird ihm trotzdem von nicht wenigen Fans verweigert. Der dominante Mercedes habe all die Arbeit erledigt, für einen Hamilton der ohnehin keine Gegner hatte.

Dass Hamilton beim WM-Finale 2016 in Abu Dhabi ein ganzes Rennen lang mit Nico Rosberg und dem Rest des Feldes spielte, als hätte er die Konkurrenz auf der Playstation auf 'Amateur' gestellt, reichte vielen längst nicht als Beweis für die fahrerische Klasse des Briten. Doch seit Ferrari auf den Plan getreten ist, offenbart sich diese mit jedem Rennen mehr.

Spätestens seit 2018 kann sich Hamilton auf keiner der Mercedes-Qualitäten aus den vergangenen Jahren mehr ausruhen. Der unbesiegbare Power-Mode im Qualifying ist Geschichte und im Rennen war Ferrari schon 2017 auf einigen Rennstrecken klar schneller. Trotzdem führt er in der WM nach 14 Rennen mit 30 Punkten Vorsprung auf Vettel.

Wie Mercedes Ferrari austrickste - Italien GP 2018 (Analyse) (21:32 Min.)

Das Rennen in Monza offenbarte, wieso. Es zeigte den kompromisslosen Racer Lewis Hamilton in all seinen Facetten. Die Attacke auf Vettel in der Startrunde war dabei nur der Vorbote für eine Darbietung, die vor einer völlig entfesselten Gier nach Racing nur so strotzte. Seinen WM-Rivalen mit einem eiskalten Manöver abzukochen war erstmal nichts, was Hamilton nicht schon vorher gemacht hätte.

Fight mit Räikkönen entfesselt den Racer in Hamilton

Im Kampf gegen Kimi Räikkönen kam es zu einer in dieser Form lange nicht mehr notwendig gewesenen Demonstration des Vollblut-Rennfahrers Hamilton. Obwohl der Finne im WM-Kampf längst keine Rolle mehr spielt und obendrein im klar überlegenen Auto saß, verbiss sich Hamilton regelrecht im Ferrari mit der Startnummer 7.

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Von der ersten Attacke nach dem Restart bis in die 45. Runde, als er das entscheidende Manöver setzte, machte Hamilton unaufhaltsam Jagd auf seine Beute - in jeder einzelnen Kurve und jeder einzelnen Runde. Dabei hätte er gerade nach Vettels Dreher ruhigen Gewissens auf die sieben Punkte mehr für den ersten Platz verzichten und jeglichem Risiko einer Attacke aus dem Weg gehen können.

Dem Finnen den Sieg kampflos zu überlassen kam für ihn dennoch nicht in Frage. Hamilton hatte Blut geleckt. Er machte das, was ein von Leidenschaft und unbändigem Willen getriebener Champion macht: Er genoss den Wettbewerb und die Herausforderung, einen an diesem Tag scheinbar unbesiegbaren Rivalen entgegen aller Widerstände weiter unermüdlich zu bearbeiten.

Hamilton war auf der Jagd nach Räikkönen unersättlich, Foto: Sutton
Hamilton war auf der Jagd nach Räikkönen unersättlich, Foto: Sutton

Tausendstel um Tausendstel kam er seinem Ziel näher, um dann kurz vor Schluss bei der ersten sich bietenden Gelegenheit gnadenlos zu vollstrecken. Hamilton zeigte mit diesem Rennen Qualitäten, die aufgrund der Mercedes-Dominanz über viele Jahre verborgen geblieben waren. Und genau diese Qualitäten sind es, die ihn zu einem viermaligen Weltmeister machten.

Die Aufholjagd von Silverstone, der Sieg im Regenchaos von Hockenheim und die Regen-Poles von Budapest und Spa sowie der Triumph in Monza bewegen sich allesamt zwischen weltmeisterlich und legendär. Hamilton zählt zu den größten F1-Piloten der Geschichte, weil er wie einer von ihnen fährt - und nicht nur, weil er in den Statistiken weit oben steht.

Wer nie gesehen hat wie Hamilton 2006 beim GP2-Rennen in Silverstone zwei Gegner gleichzeitig in Copse außenherum kaltstellte, konnte den Hamilton vom Italien GP 2018 vielleicht auch gar nicht kennen. Der vergangene Sonntag sollte gereicht haben, um dem einen oder anderen den amtierenden Weltmeister etwas näher zu bringen.