Der Freitag in Monza war bemerkenswert. Auf dem Weg an die Strecke glaubte kaum jemand, dass zum Auftakt des Italien GP 2018 überhaupt gefahren wird. Es schüttete wie aus Eimern, im Fahrerlager bildeten sich regelrechte Seen. Dass die moderne Formel 1 so ihre Probleme mit Regen hat, ist allgemein bekannt.

Doch im 1. Freien Training gab es überraschend viel Betrieb - trotz heftigen Regens. Dabei schienen die Bedingungen ähnlich wie im Vorjahr, als das Qualifying immer weiter verschoben werden musste. Allerdings wurden an der Strecke Modifikationen vorgenommen. Der Asphalt wurde mit einem speziellen Verfahren behandelt, bei dem Wasser mit Hochdruck in die letzten Poren geschossen wird. Mit Erfolg offenbar.

Im 2. Freien Training war das Asphaltband sogar komplett trocken. Entsprechend gibt es tatsächlich etwas zu analysieren. Allerdings dennoch etwas weniger als erhofft, weil Marcus Ericsson mit seinem spektakulären Unfall für eine 20-minütige Unterbrechung sorgte. Die Teams konnten nicht ihre vollen Programme abspulen, die Longruns litten darunter. Doch dazu später mehr.

Immerhin gab es am Ende ein erstes aussagekräftiges Klassement. Sebastian Vettel vor dem Rest. Knapp drei Zehntelsekunden hatte der Ferrari-Pilot am Ende Vorsprung auf seinen Teamkollegen. In Monza eine kleine Welt. Kimi Räikkönen war quasi zeitgleich mit Lewis Hamilton im Mercedes, der einmal mehr in der Rückrunde seinen Teamkollegen abhängte. Und Red Bull war mit mehr als einer Sekunde schon im Jenseits.

Auch neuer Renault-Motor rettet Red Bull in Monza nicht

Dass Red Bull schon im Training so weit weg ist, ist erschreckend. Der große Nachteil der stärkeren Motormodi von Ferrari und Mercedes kommt erst im Qualifying. Noch dazu hatte Daniel Ricciardo schon eine neue Motorenspezifikation eingebaut, die tatsächlich mehr Leistung bringt.

Dafür nimmt Red Bull sogar Zuverlässigkeitsbedenken in Kauf. Das Werksteam will das Risiko nicht eingehen. Renault kämpft noch um Rang vier, während es für Red Bull in der Konstrukteurswertung um nichts mehr geht. Und trotzdem ist Red Bull meilenweit weg.

Doch wie sieht es ganz vorne im WM-Duell aus? Nach dem Spa-Wochenende sehen viel Ferrari auch auf der Power-Strecke in Monza als klaren Favoriten, Vettels Zeit scheint den Verdacht zu bestätigen.

"Wir konnten sehen, dass wir wie zuletzt in Spa sowohl auf den kürzeren als auch den längeren Runs einen kleinen Abstand zu Ferrari hatten", meint auch Lewis Hamilton. "Meine Runden fühlten sich ziemlich gut an, aber Ferrari war heute ein bisschen schneller."

Nachdem der Freitag fast die gesamte Saison über fest in Mercedes-Hand lag, scheinen Ferrari-Bestzeiten nun fast die Normalität zu werden. Mercedes liegt normalerweise die Mischung aus wenigen Informationen und grünem Asphalt. Ferrari entwickelt sich über das Wochenende hin meist stärker.

Ferrari vs. Mercedes: Wer ist Favorit in Monza? - Formel 1 2018: (04:57 Min.)

Das hätte Mercedes in Monza eigentlich ganz besonders entgegenkommen sollen. Durch die heftigen Regenschauer begann der Grip-Aufbau von null. Das 2. Freie Training war sozusagen wie ein erstes Training. Und trotzdem war Ferrari schneller.

Vettel-Fehler vertuscht Ferrari-Dominanz

Das Endresultat schmeichelte Mercedes sogar noch. Denn Vettel hatte einige Probleme im Training. In der Parabolica übertrieb der Ferrari-Pilot es einige Male. Mehrmals ohne größere Konsequenzen, am Ende mit einem leichten Einschlag.

Beste Sektorzeiten 2. Training

FahrerSektor 1Sektor 2Sektor 3Mögl. BestzeitRückstand
Vettel27,08327,18326,6461:20,912
Räikkönen27,24927,21626,8661:21,3310,419
Hamilton27,18827,32826,8631:21,3790,467
Bottas27,27827,42527,0851:21,7880,876
Verstappen27,37227,54227,2111:22,1251,213
Ricciardo27,41527,68527,1961:22,2961,384

Blickt man auf die schnellsten Sektorzeiten, ergibt sich bei Vettel eine theoretische Bestzeit von 1:20,912 Minuten. Also noch einmal zwei Zehntelsekunden schneller. Bei Hamilton ergibt sich hier nur eine Verbesserung um wenige Tausendstel. In der Theorie war Vettel also knapp eine halbe Sekunde schneller.

Vettel stapelt trotzdem noch tief: "Das Auto hat heute gut funktioniert, aber ich denke, dass wir uns noch verbessern können. Ich war heute nicht ganz zufrieden. Die Balance war okay, geht aber noch ein bisschen besser. Wenn man nur eine Session am Tag hat, ist es schwer, alles in das eine Training zu bringen. Wir müssen uns aber steigern."

Mercedes führt den Großteil des aktuellen Rückstands auf den Motor zurück. Ferrari selbst will kein einzelnes Erfolgsgeheimnis erkennen. "Die Power Unit alleine oder ein Heckflügel alleine fährt nicht - es ist immer das gesamte Auto", meint Technik-Chef Mattia Binotto. Bei Ferrari spricht man aber vor allem von aerodynamischer Effizienz. Das Auto generiert viel Abtrieb ohne dabei viel Luftwiderstand zu erzeugen. Gleichzeitig wurde die Stärke, die langsamen Kurven, beibehalten.

Ferrari splittet Longruns wegen Vettel-Crash

Bei den Longruns ist das Bild nicht ganz klar. Durch Vettels Abflug musste Ferrari bei der Strategie umkrempeln. Beide Piloten fuhren jeweils nur einen Reifen. Vettel Supersoft, Räikkönen Soft. Das verzerrt das Bild, weil die Longruns zu unterschiedlichen Zeiten gefahren wurden.

Italien GP 2018 Monza: Longruns auf Supersoft

FahrerReifen-AlterStint-LängeGefahrenDurchschnittliche Zeit
Vettel1761:24,924
Hamilton187Früh1:25,150
Ricciardo113Spät1:25,230
Bottas198Früh1:25,348
Verstappen136Früh1:25,881

Trotzdem führt auch in dieser Wertung Vettel. Auf den Supersoft-Reifen war er im Schnitt rund zwei Zehntel schneller als Hamilton. Dass Daniel Ricciardo hier einigermaßen mithalten kann, hat zwei Gründe. Im Renntrimm war Red Bull auch in Spa deutlich schneller und konnte teilweise mit der Spitze mithalten. Bei Ricciardos Longrun im Training lag das aber vor allem daran, dass er am Ende mit leichtem Auto auf Supersoft fuhr. Max Verstappen, bei ähnlich Bedingungen unterwegs, hatte fast eine Sekunde Rückstand auf Vettel.

Italien GP 2018 Monza: Longruns auf Soft

FahrerReifen-AlterStint-LängeGefahrenDurchschnittliche Zeit
Hamilton132Spät1:24,598
Bottas164Spät1:24,692
Räikkönen2191:24,694
Verstappen153Spät1:25,005
Ricciardo176Früh1:25,748

Bei den Soft-Longruns sieht das Bild vorne an der Spitze etwas anders aus. Dort führt Lewis Hamilton vor Valtteri Bottas und Kimi Räikkönen. Allerdings befinden sich alle drei innerhalb einer Zehntelsekunde. Berücksichtigt man, dass Räikkönen auf eine Runde deutlich langsamer war als Vettel, lässt sich aber auch hier das wahre Potential des Ferrari erahnen. Der härteste zur Auswahl stehende Pirelli-Gummi, in Monza der Medium, spielt einmal mehr überhaupt keine Rolle, wird allenfalls für ganz exotische Strategien am Ende des Feldes herhalten.

Reifenabbau gibt es aber ohnehin kaum. Monza ist ein klassisches Einstopp-Rennen. Traktion, Bremsen, Geradeaus - besonders viel haben die Reifen nicht zu tun. Da ein Stopp mit 23 Sekunden auch noch besonders viel Zeit kostet, wird niemand auch nur über ein Zweistopp-Strategie nachdenken.

Motorsport-Magazin.com-Prognose: Ferrari - vor allem Sebastian Vettel - ist tatsächlich noch stärker, als es auf den ersten Blick scheint. Doch Vorsicht: Regenschauer machen die Strecke erneut grün, dazu könnte es auch im Qualifying regnen. Unter normalen Umständen sollte es aber schwer werden für die Silberpfeile.