In der Woche vor dem Formel-1-Rennen in Monza halten sich weiterhin hartnäckige Gerüchte um einen vorzeitigen Wechsel von Lance Stroll zu Force India. Der zumindest mittelfristig unweigerliche Transfer bringt vor allem Mercedes-Boss Toto Wolff in die Bredouille. Nach Pascal Wehrlein steht das F1-Cockpit eines weiteren Juniors auf der Kippe. Selbst Stroll kann eine gewisse Ungerechtigkeit nicht leugnen.

"Wenn er [Lawrence Stroll] mich zu Force India holt, ist das seine Entscheidung und ich verstehe, dass das für Esteban nicht toll oder fair wäre", so Stroll im Interview mit dem britischen Telegraph. Ein schlechtes Gewissen hat der noch-Williams-Pilot trotzdem nicht. "Ich widerspreche nicht in dem Punkt, dass das System nicht immer fair ist. Aber ich verdiene mehr, als nur das Geld zu erwähnen, das hinter mir steht", rechtfertigt der Kanadier seinen Platz in der Formel 1.

Ocon war in Spa von den TV-Kameras des französischen Senders Canal Plus dabei ertappt worden, wie er gegenüber Vettel äußerte, dass er seinen Platz bei Force India verliert, weil ein Fahrer das Team gekauft habe und das Geld bringt. "Aus Estebans Sicht war das auf mich bezogen, denn mein Vater ist bei Force India involviert. Fahrer mit unterschiedlichen Backgrounds werden ihre Sicht haben, wie die Dinge sein sollten. Fahrer mit finanziellem Background denken da anders", so Stroll.

Hamilton gehört zu denjenigen, die eine andere Sicht der Dinge haben. "Wir sind in der Formel 1 leider an einem Ort, wo manche Teams statt dem aufstrebenden Youngster lieber das Geld nehmen. Das bedeutet, dass in der Struktur des Sports wahrscheinlich etwas falsch läuft, was die Verteilung der Gelder angeht. Du kannst niemand der mehr Geld hat einen besseren Fahrer ersetzen lassen. Das sollte nicht passieren", so der viermalige Weltmeister.

Mercedes-Junior Ocon in der Bredouille: Wolff dachte Zukunft sei klar

Sich Gedanken machen muss jetzt vor allem Toto Wolff. Dem Mercedes-Teamchef droht ein weiteres Talent aus dem eigenen Kader aus der Formel 1 zu rutschen. "Ich habe keinen Zweifel daran, dass Esteban Ocon Rennen gewinnen und um Weltmeisterschaften fahren wird", so der Österreicher. Ocon zeigt in der Saison 2018 eine weiter ansteigende Lernkurve und hat im Qualifying regelmäßig die Nase vor Teamkollege Sergio Perez.

Bis vor wenigen Wochen schien die Zukunft Ocons in der Formel 1 noch sicher. Durch die Übernahme von Lawrence Stroll hat sich das jedoch geändert. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird Sergio Perez das Cockpit neben Strolls Sohn Lance erhalten, da der Mexikaner mit der Initiierung des Insolvenzverfahrens maßgeblich dazu beitrugt, dass Stroll den Zuschlag erhielt. Zudem ist Perez' Leistung nach wie vor unumstritten und er bringt aus Mexiko Sponsorengelder mit.

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"Wir dachten, dass seine Zukunft klar wäre, aber nach Budapest änderte sich alles innerhalb von 48 Stunden", so Wolff über Ocons Situation. Selbst Strolls Wechsel zu Force India schien für Ocon nicht der große Karrierekiller zu sein, denn der Franzose war als heißer Kandidat auf einen Platz bei Renault im Gespräch. "Renault hat mit der Verpflichtung Ricciardos einen tollen Coup für das Team gelandet", kann Wolff den Schachzug der Gelben nachvollziehen.

Wolff versteht Renault: Fahrer vom Kaliber Ricciardo die richtige Wahl

"Es ist ein No-Brainer. Wenn du die Möglichkeit hast einen Fahrer dieses Kalibers unter Vertrag zu nehmen, musst du es machen", so Wolff, der dadurch jetzt die Zukunft seines Juniors in Gefahr sieht: "Wie sich die Dinge entwickelt haben, war für Esteban unglücklich. Wir werden weiter versuchen ihm dabei zu helfen, eine kurzfristig Lösung zu finden, damit er weiterfahren kann."

Diese kurzfristige Lösung könnte McLaren heißen. Gerüchten zufolge soll er noch vor Spa in Woking zur Sitzanpassung gewesen sein. McLarens Sportdirektor Gil de Ferran ruderte um sämtliche Nachfragen herum, betonte, dass sich das Team nicht zu Fahrern äußern wird, die nicht für McLaren fahren. Wolff hingegen bestätigte zumindest, dass Ocon für andere Teams eine Option ist.

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Wolff: Interesse an Ocon groß, Russell in derselben Situation

"Es gibt viel Interesse an ihm, es geht nur darum in den kommenden Tagen den Markt zu scannen und die richtige Option für ihn und das Team zu wählen. Aber ich bin hinsichtlich seiner Zukunft sehr optimistisch", so Wolff. Was einen kurzfristigen Wechsel noch in dieser Saison angeht, war Wolff etwas auskunftsfreudiger als de Ferran. "Es hängt nicht nur von einer Partei ab, die über einen Wechsel entscheidet. Du musst mehrere Schachfiguren an den richtigen Stellen haben, und das ist jetzt noch nicht klar."

Ebenfalls nicht klar ist, was Mercedes mit seinem anderen Juwel George Russell macht. Der Brite ist in der Formel 2 weiter auf Titelkurs, auch wenn McLaren-Youngster Lando Norris in Spa zuletzt wieder auf fünf Punkte an ihn heranrückte. "Es ist in etwa dieselbe Diskussion wie bei Esteban," sagt Wolff. Er ist klar jemand, der einen Platz in der Formel 1 verdient." Russell gehört seit Anfang 2017 zum Mercedes-Kader und hat seitdem nicht enttäuscht.

"Seit er bei uns ist hat er alle Ziele erreicht, die wir ihm gesteckt haben, was der Gewinn der GP3 Serie war. Und jetzt ist er in einer guten Position für den F2-Titel. Das ist natürlich noch nicht durch, aber er ist in einer guten Lage. Es geht nun darum den Fahrermarkt und die Möglichkeiten zu verstehen. Aber es gibt nicht so viele Möglichkeiten. Zu diesem Zeitpunkt kann ich also keinen Ausgang absehen", so Wolff weiter.