Fernando Alonso hat in 17 Jahren Formel 1 einige unfreiwillige Flugstunden genommen. Der Startcrash in Spa-Francorchamps war eine erneute Erinnerung daran, welche Gefahren auch trotz der hohen Sicherheitsstandards in der Königsklasse noch lauern. Alonsos Zukunft könnte jedoch noch riskanter aussehen, wie der schwere Unfall von Robert Wickens in der IndyCar zeigte. Letzteren nahm Felipe Massa zum Anlass, heftige Kritik an der US-amerikanischen Formelserie zu üben.

"Ich bin mir all der Risiken bewusst", so Alonso über die Gefahren in der IndyCar, denen er sich 2017 bereits selbst stellte. Mit seiner Teilnahme am Indy 500 wagte er etwas, das manch anderer Übersiedler aus der Formel 1 bei einem Engagement in der IndyCar tunlichst vermied - den Start bei einem Ovalrennen. Die für den US-amerikanischen Motorsport wohl charakteristischste Form des Rennfahrens schreckt einige Piloten ab.

Mike Conway startete in der Saison 2014 nur noch auf Street- und Road Courses, nachdem er 2010 und 2012 bei den Indy 500 zwei schwere Unfälle hatte und sich danach gegen weitere Teilnahmen an Ovalrennen entschied. Für Felipe Massa war die IndyCar nach dem Ende seiner F1-Karriere von vornherein ein rotes Tuch, schließlich habe er einen Sohn und eine Familie. Alonso wiederum schrecken die Gefahren der Ovalrennen nicht ab.

Alonso bekennt sich zu Ovalrennen: Indy 500 schon das größte Risiko

"Ich denke, das größte Risiko ist das Indy 500. Es gibt kein schnelleres Rennen auf der Welt", so der 37-Jährige, der auch daran erinnerte, dass es selbst in der Formel 1 manchmal schnell gehen kann. "Im Motorsport kann alles passieren, das gilt nicht nur für die IndyCar-Serie. Es ist in der F1 so, im Rallyesport und in jeder anderen Art von Motorsport."

"Je höher die Geschwindigkeiten, desto höher die Risiken", hält er fest. Wenn er also in die IndyCar wechselt, werden ihn auch Unfälle wie der von Wickens in Pocono nicht davon abhalten am gesamten Rennkalender teilzunehmen. "Wenn du dich zur gesamten Saison verpflichtest, gibt es über das Indy 500 hinaus kein extra Risiko. Außerdem gibt es nur fünf Ovale."

IndyCar: Video zum Horror-Unfall von Robert Wickens in Pocono (01:48 Min.)

Massa legt sich mit IndyCar an: Macht nicht viel für die Sicherheit

Massa wiederum nahm die Unfälle von Wickens und die Startkollision in Spa zum Anlass, die Sicherheit in der IndyCar in Frage zu stellen. "Wenn du dir all die Unfälle in der F1 und der IndyCar in den letzten Jahren anschaust, können wir sagen, dass die F1 immer versucht sich zu verbessern (mit Halo, Streckenänderungen, VSC), aber die IndyCar macht nicht viel", kritisierte er auf Twitter.

"Es ist unglaublich einen Kurs wie Pocono zu sehen, mit Durchschnittgeschwindigkeiten von 360 km/h und die Mauern sind so niedrig, zusammen mit den Zäunen. Das ist so gefährlich für die Sicherheit!!! Sorry, wenn ich das so sage, aber sie müssen sich um die Sicherheit ihrer Fahrer kümmern." Ein Kommentar, der bei den Kollegen in den USA nicht gut ankam.

IndyCar kontert Massa: Windscreen besser als Halo

Graham Rahal, Sohn von US-Legende Bobby Rahal und seit 2008 selbst als Pilot in der IndyCar aktiv, konterte umgehend. "Es ist etwas einfacher, wenn du ein Budget von hunderten von Millionen hast und jedes Jahr ein neues Chassis selbst entwickelst. Die IndyCar arbeitet hart, der neue Windscreen wird nicht nur funktionieren (auch besser vom Standpunkt der offenen Bereiche), er wird auch viel besser aussehen", so der 29-Jährige.

Die IndyCar arbeitet seit Beginn des Jahres an einer Windschutzscheibe, welche wie der Halo in der Formel 1 den Kopf des Fahrers schützen soll. Ein ähnliches Konzept wurde in der Königsklasse 2017 in Silverstone von Sebastian Vettel getestet, jedoch schon nach Installationsrunden verworfen. Laut Vettel habe es Sichtprobleme gegeben. Bei den IndyCars hingegen wurde der Windscreen bereits im Oval, auf Straßen- sowie Rundkursen und bei unterschiedlichen Lichtbedingungen getestet - ohne jegliche Probleme.

"Für Ovalrennen brauchst du zu 100 Prozent freie Sicht. Halo würde uns das nicht bieten", so Rahal. "Auch die offenen Bereiche würden es immer noch erlauben, dass Wrackteile ins Cockpit eindringen. Beim Windscreen wird das nicht so sein." Auch Indy-Legende und Teamchef Michael Andretti widersprach Massa auf Twitter.

IndyCar-Test mit Windscreen: Onboard aus der Sicht des Fahrers (02:44 Min.)

IndyCar-Konstrukteur tadelt Massa: Einschätzung engstirnig und falsch

"Die IndyCar betreibt in dieser Hinsicht viel Forschungsarbeit. Sie will aber auch sicherstellen, dass es 100-prozentig ist, bevor sie es einführen", so der 55-Jährige. Chris Beatty, der maßgeblich am Design des 2018 eingeführten IndyCar-Chassis beteiligt war, teilte ebenfalls gegen Massa aus. "Bei allem Respekt, aber das ist eine sehr engstirnige und falsche Einschätzung", so der Brite.

"Die IndyCar hat Safer-Barriers, In-Ohr-Sensoren für die Sicherheitsteams, verbesserte Seitenaufprallstruktur, Befestigungsseile an allen wichtigen Teilen und ein Chassis, dass es einem Piloten ermöglicht hat, einen Einschlag wie den in Pocono zu überleben", erklärt Beatty, dass die Räder in der IndyCar nicht stillstehen. Trotz allem wird die IndyCar wohl weiter die schnellen Ovalrennen rechtfertigen müssen. Seit 1999 verunglückten im Oval mit Greg Moore, Tony Renna, Paul Dana, Dan Wheldon und Justin Wilson fünf Piloten tödlich.