Was für ein Comeback der Formel 1 nach der Sommerpause. Das Qualifying zum Belgien GP 2018 hatte alles zu bieten. Absolute Rundenrekorde um die legendäre Ardennenachterbahn in Spa, Dramen an beiden Enden der Startaufstellung und mit Force India auch noch eine riesige Überraschung.

Bei Ferrari hat man den Samstag in Spa weniger genossen. In allen drei Trainingssitzungen fuhr ein rotes Auto die Bestzeit. Und dabei hatten die Italiener doch noch ihren Qualifikations-Modus in der Tasche. Und am Ende steht nun wieder Lewis Hamilton auf Pole Position. Zum 78. Mal in seiner Formel-1-Karriere, zum sechsten Mal in der Saison 2018.

Wie schon in Ungarn machte der Wettergott Ferrari einen Strich durch die Rechnung. Ausgerechnet im finalen Qualifikationsabschnitt begann es zu regnen. Doch es gab einen entscheidenden Unterschied: In Budapest war Mercedes im Regen unschlagbar. In Spa hat sich Ferrari selbst geschlagen.

Der erste große Fehler machte aus dem Dreikampf vom Freitag einen Zweikampf für den Rennsonntag. Ferrari splittete die Strategie zwischen Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen. Vettel musste länger in der Box bleiben, um betankt zu werden. Räikkönen durfte nach dem Reifenwechsel direkt auf die Strecke, hatte aber nur Sprit für wenige Runden an Bord.

Der Hintergedanke war klar: Wenn sich die Bedingungen verschlechtern würden, wäre Räikkönen zum perfekten Zeitpunkt mit leichtem Auto unterwegs. Doch die Bedingungen verbesserten sich und Räikkönen musste, als die Strecke am besten war, zusehen, weil nicht mehr genug Zeit war, das Auto zu betanken und nochmal auf Zeitenjagd zu gehen.

Hamilton vs. Vettel: Zweikampf statt Sechskampf

Von Startplatz sechs wird es für Räikkönen unter normalen Umständen relativ schnell nach vorne auf Rang drei gehen, weil mit zwei Force Indias und einem Haas Gegner vor ihm sind, deren Gegenwehr sich in Grenzen halten wird. Trotzdem wird es wohl ein paar Runden dauern - Runden, in denen Räikkönen seine Reifen härter ran nimmt und Zeit auf die Spitze verlieren wird.

Mit dem Sieg wird es ohne Safety-Car oder anderen speziellen Umstände schwer. Das ist besonders bitter, weil der Iceman an diesem Wochenende auf seiner Paradestrecke mit dem neuen Motor auf Pace war.

Weil Valtteri Bottas wegen eines neuen Motors von Platz 19 starten wird, war der Vierkampf ohnehin nur ein Dreikampf. Denn Red Bull ist in Spa chancenlos. Langsam muss sich Dr. Helmut Marko sogar überlegen, ob er seine Regentänze noch aufführen soll. Wie in Budapest spielte der Regen auch in Spa gegen Red Bull.

Diesmal stimmte zwar die Pace, nicht aber die Strategie. Beide Red Bulls hatten nicht aufgetankt und starten deshalb nur von den Positionen sieben und acht. Davon, um das Podium oder gar den Sieg mitzufahren, vermag Red Bull nicht einmal zu träumen.

Und so wird es am Sonntag - wie immer mit dem Zusatz 'unter normalen Umständen' ein Zweikampf. Allerdings der Zweikampf, den sich die Formel 1 wünsch: Lewis Hamilton gegen Sebastian Vettel. Der WM-Leader gegen WM-Zweiten.

Den Schlagabtausch im Qualifying entschied Hamilton mit sieben Zehntel deutlich für sich. Dabei hatte selbst im Regen Vettel die besseren Vorzeichen. Der Regen war nicht stark genug, um Ferrari chancenlos zu machen. Hamilton war sogar im klaren Nachteil, weil er seine letzte Runde zum schlechtesten Zeitpunkt fuhr. Er kam so über die Linie, dass eine weitere Runde gerade so nicht mehr möglich war. Bei abtrocknender Strecke eigentlich der K.O.

Ferrari im Qualifying mit Fehlern

War es aber nicht, weil Ferrari den Matchball nicht verwandelte. Vettel geriet in Verkehr, lief am Ende auf Esteban Ocon im Force India auf. Dazu hatte es Ferrari versäumt, die Batterie für den letzten Versuch zu laden. Vettel verbrauchte die Energie schon in den Runden zuvor. "Ich habe meine Batterie selbst gemanagt und so sichergestellt, dass ich genug Leistung hatte", drückte Hamilton Vettel noch in der Pressekonferenz rein.

Und trotzdem ist Vettel am Sonntag der Favorit. Zum einen des Wetters wegen: Während des Rennens soll es trocken bleiben. Im Trockenen wäre die Ferrari-Pole wohl eher Formsache gewesen. "Wir werden es nie erfahren", spielt Vettel herunter. Doch die Formel-1-Experten sind sich einig, dass der Ferrari auf eine Runde das schnellere Auto gewesen wäre.

Hamilton stört sich an Vettels Favoritenrolle aber nicht. "Sie waren heute Favorit und sie werden auch morgen Favorit sein. Das heißt aber nicht unbedingt, dass sie auch gewinnen werden. Sie waren nun schon bei einigen Rennen die Favoriten und wir haben es irgendwie geschafft, es umzudrehen und vorne zu landen."

Der inzwischen so gefürchtete Qualifying-Modus wird Vettel im Rennen nicht so viel bringen. Selbst wenn kurzfristig im Rennen auch Extra-Leistung des Ferrari-Aggregates zur Verfügung steht, im Rennen muss Ferrari auf die Distanz mehr auf den Verbrauch achten als Mercedes. Zumindest war es bislang so, Erfahrungswerte mit den neuen Motoren gibt es noch nicht - Mercedes und Ferrari brachten in Spa beide ihre letzten Ausbaustufen.

Ferrari & Mercedes mit unterschiedlichen Abstimmungen

Doch trotzdem hat Vettel noch einen Joker in der Hinterhand: Die Abstimmung. Selten waren die Stärken und Schwächen der Autos so sichtbar wie an diesem Wochenende. Ferrari gewinnt im ersten und letzten Sektor, Mercedes im Mittelsektor. In Sektor eins und drei sind Power und geringer Luftwiderstand gefragt, im Mittelsektor in den vielen schnellen Kurven vor allem Abtrieb.

Beste Sektorzeiten Qualifying Belgien GP 2018

Sektor 1Sektor 2Sektor 3
1Vettel29,872Hamilton43,115Vettel28,12
2Räikkönen29,957Räikkönen43,426Räikkönen28,135
3Perez29,963Vettel43,496Hamilton28,221
4Ocon30,154Bottas43,521Verstappen28,224
5Hamilton30,217Verstappen43,909Ocon28,327

Während Mercedes Motorsportchef Toto Wolff nicht raus wollte mit der Sprache, ob die Sektorzeiten auf Motorleistung oder aerodynamische Abstimmung zurückzuführen sind, ist man sich bei Ferrari sicher, dass Mercedes mehr auf die Karte Abtrieb als Höchstgeschwindigkeit gesetzt hat. Auch die Tatsache, dass Force India im ersten Sektor schneller fährt als Mercedes deutet darauf hin.

Mercedes versuchte im Qualifying deshalb schon eine spezielle Taktik. Eigentlich hätte Bottas im Q1 nur eine ordentliche Zeit setzen müssen, um sich zu qualifizieren. Jede weitere Runde war ob der Strafe unnötig. Eigentlich. Uneigentlich sollte Bottas ins Q3 kommen, um Hamilton dann Windschatten zu geben. Der Regen machte das hinfällig. So weit ist es bei Mercedes schon gekommen.

Im Rennen könnte diese Karte Trumpf sein. Zwischen La Source und Les Combes befindet sich die zweitlängste Vollgas-Passage des Formel-1-Kalenders. Selbst im Windschatten sollte Eau Rouge vollgas gehen. Ein geringerer Luftwiderstand hilft beim Überholen immens. Passiert in Kurve eins nichts Unvorhergesehenes, ist Hamilton extrem verwundbar. Ferraris Motor im Startmodus zusammen mit Windschatten und der aerodynamischen Abstimmung sind wohl Mercedes' größte Gefahr.

Belgien GP 2018: Einstopp Pflicht

Bei der Strategie wird es wenig Variation geben. Abgesehen von Bottas qualifizierten sich die Top-10 auf Supersoft. Laut Pirelli ist eine Einstopp-Strategie die einzig sinnvolle Variante. Ein zweiter Stopp würde 15 Sekunden Rennzeit kosten. Ohne Saftey-Car macht das niemand freiwillig.

Wenn das Wetter so kühl bleibt, wird von Supersoft auf Soft gewechselt und damit bis zum Rennende durchgefahren. Nur für den Fall, dass es deutlich wärmer sein sollte - was nicht vorhergesagt ist - könnte der Medium eine Option für den zweiten Stint sein.

Der Undercut ist natürlich möglich. Die längste Runde des Jahres hilft dabei. Aber auch nur, wenn der schnellere Mann hinten liegt. Also auch eher ein Faktor, der für Vettel und Ferrari sprechen könnte.

Genauso wie die Longruns. Aus den Zeiten gab es zwar am Freitag wenig Sinnvolles herauszulesen, weil die Piloten ständig Verkehr hatten, die Mercedes-Analysen machen Hamilton aber Sorgen: "Sebastians Longrun gestern hat alle getoppt, deshalb bin ich mir nicht sicher, ob ich einen Vorsprung herausfahren kann."

Motorsport-Magazin.com-Prognose: Vettel ist trotz Startplatz zwei Favorit. Der Ferrari scheint im Trockenen schlicht das schnellere Auto zu sein, auch ohne Power-Modus. Klar ist die Angelegenheit aber nicht: Kommt Vettel nicht gleich vorbei, werden die Reifen in der verwirbelten Luft zum Problem.