McLaren-Pilot Stoffel Vandoorne ist im Transferkarussell für die Formel-1-Saison 2019 derzeit der wohl größte Wackelkandidat. Der Belgier ist auch in seinem zweiten Jahr in der Königsklasse gegen Teamkollege Fernando Alonso chancenlos. Vor allem in den letzten Rennen machten ihm unerklärliche Handlingprobleme das Leben schwer. Das Team steht weiter hinter dem 26-Jährigen, doch um sich für die Zukunft zu empfehlen wollen seine Chefs mehr von ihm sehen.

"Ich will nicht sagen, dass wir von Stoffel enttäuscht sind", so McLaren CEO Zak Brown in Budapest. "Wir würden nur gerne sehen, dass er seinen Teamkollegen häufiger schlägt als es bisher der Fall war." Häufiger als bisher heißt in der momentanen Situation: Ein Mal. Denn an zwölf Rennwochenenden unterlag Vandoorne Alonso bisher in jedem Qualifying und jedem Rennen, dass beide beendeten.

"Du möchtest gerne sehen, dass deine Fahrer sich an jedem Wochenende alles abverlangen und sich gegenseitig schlagen", wünscht sich Brown ein etwas ausgeglicheneres Kräfteverhältnis. "Aber er war bisher nicht in der Lage, das regelmäßig umzusetzen." Andererseits relativiert die Leistung Alonsos die Niederlagen Vandoornes in seinen Augen bis zu einem gewissen Grad.

Brown relativiert Vandoorne-Niederlagen: Gegen Alonso verliert jeder Fahrer

"Er unterliegt Fernando, aber jeder Pilot der jemals gegen Fernando angetreten ist, unterlag ihm. Von Fernando geschlagen zu werden ist nichts, wofür man sich schämen müsste, denn das wurde jeder schon einmal", so Brown. Die rapide abnehmende Formkurve an den Wochenenden beim Triple Header alarmierte das Team. "In den letzten Rennen war der Rückstand größer als normalerweise, und da wir nicht wussten ob etwas mit dem Chassis nicht stimmt, haben wir es gewechselt."

An den Wochenenden in Silverstone und Hockenheim hatte das gesamte Team inklusive Alonso bestätigt, dass Vandoornes MCL32 offenbar weniger Downforce generiert als das Schwesterauto. Den Fehler konnten die Ingenieure zwar bis zuletzt nicht ausfindig machen, doch das neue Chassis sollte Vandoorne laut Brown in erster Linie das Selbstvertrauen zurückgeben und ein Zeichen der Unterstützung von McLaren sein.

"Ich denke, technisch haben wir ihm tonnenweise Unterstützung gegeben. Wir wechselten das Chassis auf seinen Wunsch", so der CEO. Nach der Sommerpause bleiben Vandoorne noch neun Rennen, um sich in der Formel 1 zu beweisen. 2017 legte er ebenfalls eine eher schwache erste Saisonhälfte hin und löste erst in der zweiten Halbzeit die Handbremse. So gelangen ihm im Qualifying zumindest drei Erfolge gegen Alonso.

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McLaren gibt zu: Haben Vandoorne kein gutes Auto hingestellt

Dass ein deutlicher Aufwärtstrend im zweiten Jahr bisher ausblieb, schreibt sich McLaren aber auch auf die eigene Kappe. "Ich kann nicht sagen dass wir von ihm enttäuscht sind, denn wir wissen, dass wir ihn letztes Jahr in eine sehr schwierige Situation gesteckt haben. Und auch dieses Jahr haben wir ihm kein sonderlich gutes Auto hingestellt. Fernando kann sich mit seinem Talent und seiner Erfahrung schneller an schwierige Situationen anpassen", erhält Vandoorne von Brown noch etwas Welpenschutz.

Die Fahrerfrage für 2019 ist jedoch unausweichlich und angesichts dessen, dass weder bei Alonso noch bei Vandoorne klar ist wie es weitergeht, ist die Fahrerakquise im Paddock zu diesem Zeitpunkt des Jahres für Brown ein legitimer Vorgang: "Die Realität ist, dass wir zwei Cockpits zu besetzen haben und es ist unser Job, die bestmögliche Fahrerpaarung zu haben. Das erfordert Gespräche an allen Enden der Boxengasse."

McLaren schaut nach Alternativen, de Ferran soll Vandoorne helfen

"Du versuchst das natürlich diskret zu handhaben. Aber letztendlich ist das die Natur des Sports. Die Formel 1 ist eine Welt in der enormer Druck herrscht, jeder Rennfahrer weiß, dass er auf dem höchsten Level performen muss, denn die Teams schauen immer nach der bestmöglichen Lösung für sich selbst", so Brown weiter. Er hofft, dass möglicherweise der neue Sportdirektor Gil de Ferran mit seiner Erfahrung als Rennfahrer dem angeschlagenen Vandoorne beim Turnaround helfen kann.

"Es ist einer der Gründe weshalb wir Gil geholt haben, auch um uns mit der Fahrersituation zu helfen", so Brown. Champ- und IndyCar-Legende de Ferran coachte 2017 auch Alonso bei seinem Indy-500-Abenteuer. "Ich bin zuversichtlich, dass wir Stoffel all die Unterstützung geben können, die er in der Silly Season braucht, auch wenn wir uns umschauen welche Möglichkeiten es sonst noch gibt", fügt Brown an.