Eigentlich sollte der Triple-Header in der Formel-1-Saison 2018 die große Stunde von Mercedes werden. Endlich wollte man entscheidende Punkte im WM-Stand gutmachen, nachdem zuvor in Monaco erwartet, in Kanada wider Erwarten und damit - zu umso größerem Frust - nur Schadensbegrenzung gelang. Eigentlich.

Doch das Resümee fällt mit Blick auf die Zahlen, die nackte Wahrheit, ganz anders aus. Nur 43 von 75 möglichen Punkten erzielte Lewis Hamilton, Valtteri Bottas kam auf noch einmal dramatisch weniger. Nur 18 von 75 potentiellen WM-Zählern für den Finnen. Heißt für Mercedes als Team: 61 WM-Punkte in den drei Rennen. Das ist weniger als die Hälfte des Möglichen (129) oder entspricht theoretisch einem Sieg und zwei zweiten Plätzen für den einen Fahrer - während der andere gar nicht erst mitgefahren ist oder nur Nuller anschrieb.

Start größere Mercedes-Sorge als Strategie, Defekte & Unfälle

Der große Konkurrent Ferrari dagegen räumte ab. 98 WM-Punkte für die Scuderia, 50 davon für Sebastian Vettel. Sowohl in Fahrer- als auch Konstrukteurswertung liegen die Roten damit vorne. Und das vor zwei Rennen - Hockenheim und Ungarn - bei denen sich Mercedes vor Ferrari eigentlich mehr fürchtet als zuletzt. Doch damit nicht genug der silbernen Sorgen.

Strategien, Defekte und aggressive Ferrari-Manöver am Start zählen dazu. Doch sind die inzwischen nicht mehr der Gipfel. Am meisten plagt sich Mercedes mit etwas anderem: den schlechten Starts. Besser aus der Box kam in den vergangenen drei Rennen nie der Mercedes, immer der Ferrari.

Toto Wolffs böse Silverstone-Vorahnung wird wahr

Ein Phänomen, das sich allerdings schon früher in der Saison gezeigt hatte (vgl. unten verlinkte Bilderserie für alle Details), jetzt aber umso deutlicher vor Augen geführt wird. Schon vor dem Start in Silverstone machte Teamchef Toto Wolff eine Andeutung, die sich fatalerweise als sehr berechtigt erweisen sollte. "Lewis ist in Silverstone eine Macht. Aber wenn du am Start überholt werden solltest, macht es das natürlich kniffliger", warnte Wolff nach dem Qualifying.

Schon da war das Problem in Brackley, Stuttgart und Co. dem Personal also bewusst - und offenbar schon angegangen worden. "Wir haben unsere Starts angeschaut, denn das ist ein Bereich, in dem wir nicht so gut performt haben", berichtete Wolff. "Oder: Eigentlich waren unsere Starts okay, aber Ferraris Starts waren herausragend. Insofern ist das für uns momentan immer ein Risiko."

Reifen-Nachteil in Silverstone keine Ausrede mehr

Doch in Silverstone dasselbe Bild. Wieder ging der Start daneben. Lewis Hamilton verlor eine Position an Sebastian Vettel. Und zwar deutlich, noch dazu dieses Mal mit der gleichen Reifenmischung. Zuvor in Österreich und Frankreich ließen sich die besseren Ferrari-Starts zumindest noch mit den weicheren Pirelli erklären, die schlicht mehr Grip liefern.

Auch Valtteri Bottas schlüpfte in England gegen Hamilton durch. Zumindest beim zweiten Mercedes als ein kleiner Lichtblick, hatte der Finne damit auch seinen Landsmann - Kimi Räikkönen, also einen Ferrari - am Start stehen gelassen. Was jedoch hängen bleibt, ist der schlechte Start Hamiltons.

Mercedes arbeitet an Starts: Müssen Pole auch nutzen können

Deshalb müsse Mercedes jetzt nur noch mehr an Lösungen arbeiten. Immerhin führe ein schlechter Start dann auch erst zu Situationen wie jener mit Kimi Räikkönen in Kurve drei von Silverstone. "Das ist etwas, das wir ändern können", so Wolff mit Blick auf den Mercedes-Anteil bzw. die Mercedes-Möglichkeiten, Ärger aus dem Weg zu gehen.

Vordergründig geht es jedoch schlicht darum, gute Ausgangslagen nach dem Qualifying (immerhin alle drei Poles schnappte sich Mercedes beim Triple-Header) nicht wieder direkt wegzuschmeißen. Deshalb werden diese Woche in der Fabrik hart an besseren Starts gearbeitet, so der Rennstall.

"Wir erledigen diese Woche jede Menge Arbeit, um zu versuchen, das zu verstehen. Denn wir wissen sehr gut, dass wir genauso gut von der Linie kommen müssen wie die Ferrari wenn wir uns schon auf Pole qualifiziert haben. Das werden wir in Hockenheim versuchen", sagt der leitende Ingenieur an der Rennstrecke des Weltmeister-Teams, Andrew Shovlin.

Mercedes die Sorgenkinder der ersten Runde

Zumindest die Ursache des extrem langsamen Starts Hamiltons in Silverstone sei bereits klar. "Die einfache Antwort ist da, dass er etwas durchdrehende Räder hatte und es etwas weniger Grip auf dem Grid gab als wir erwartet hatten. Wir konnten dort ja einige Übungsstarts machen, aber aus irgendeinem Grund, haben wir am Sonntag nicht das vorgefunden, was wir erwartet hatten. Wenn du dann erst einmal durchdrehende Räder hast, verlierst du Traktion, sodass er so schnell die Plätze verloren hat", erklärt Shovlin.

Insgesamt sagt die Saisonstatistik nichts Gutes aus. In Runde eins verlor kein Pilot im ganzen Feld über die bisherige Saison hinweg mehr Positionen als Lewis Hamilton (17 in 10 Rennen, 1,7 im Schnitt). Vorletzter Platz: wieder Mercedes. Valtteri Bottas mit 14 Verlusten, 1,4 pro erster Rennrunde. Die Ferrari liegen besser platziert, aber alles andere als viel besser. P15 für Kimi Räikkönen (7 Plätze insgesamt verloren, 0,7 im Schnitt), Sebastian Vettel gleichauf mit Bottas (14, 1,4).

Formel 1 2018: Positionsgewinne von Mercedes, Ferrari und Red Bull in Runde 1*

FahrerPositionsgewinn Lap 1 (absolut)Positionsgewinn Lap 1 (Schnitt)
Lewis Hamilton-17-1,7
Valtteri Bottas-14-1,4
Sebastian Vettel-14-1,4
Kimi Räikkönen-7-0,7
Daniel Ricciardo50,5
Max Verstappen121,2

*Stand: 10/21 Rennen

Nur Red Bull glänzt hier im Verhältnis unter den Top-Teams. Max Verstappen ist Dritter dieser Wertung, gewann im Schnitt 1,2 Plätze, also zwölf absolut, Daniel Ricciardo zumindest fünf, also im Schnitt eine halbe Position. Große Aussagekraft kommt diesem Ranking allerdings nicht wirklich bei verzerren Kollisionen wie Bottas/Vettel in Frankreich oder Räikönen/Hamilton in Silverstone das Bild massiv.

Obendrein lässt sich bei Starts aus den ersten zwei Reihen ohnehin weitaus wahrscheinlich etwas verlieren als von weiter hinten. Deshalb dominieren diese Statistik in der Regel auch Fahrer und Teams aus dem Mittelfeld.

Noch dazu wird einzig der Stand nach Runde eins protokolliert, nicht der Startvorgang selbst. Bis zum Ende des ersten Umlaufs kann also noch viel geschehen. On top fehlt eine entscheidende Information: Der Reifensatz am Start - nicht immer starten alle auf gleich weichen Pirelli. Motorsport-Magazin.com hat deshalb alle Starts einzeln angeschaut, um die Duelle Ferrari vs. Mercedes besser zu protokollieren:

RennenLaunch aus Startbox/FolgemanöverReifenmischungDuell FER VS. MB
AUSRAI leicht besser als HAM, kein Angriffgleich1:0
BAHBOT leicht besser als RAI (Windschatten VET), BOT überholt RAIgleich1:1
CHNBOT überholt RAI (der von VET blockiert)gleich1:2
ASEVET verteidigt Pole leicht, RAI besser als RBRAI weicher als alle2:2
ESPVET überholt BOT (Windschatten!)gleich3:2
MONVET leicht besser als RIC, RAI als HAM, keine Angriff, zu enggleich4:2
CANVET verteidigt Pole leicht, BOT bleibt knappt vor VERMB/FER gleich, RB weicher5:2
FRAVET klar besserer Start als beide MB (Unfall)FER weicher6:2
AUTRAI klar besserer Start als beide MB, überholt BOTFER weicher7:2
GBRHAM schlechter Start, VET vorbei, BOT überholt RAIgleich8:3

Fazit: Vor allem der Trend scheint auf den ersten Blick gegen Mercedes zu sprechen. In Frankreich und Österreich war ein Teil jedoch noch mit einem Gripnachteil durch härtere Reifen zu erklären, in Großbritannien nicht mehr. Doch schaut man genauer hin, lief es auch zuvor eigentlich nie für Mercedes. In Kanada und Aserbaidschan verteidigte Vettel seine Poles spielerisch, steht Mercedes wie zuletzt selbst auf Pole, kommen sie immer in Schwierigkeiten. Doch ist das eben nicht neu.

Schon in Australien war der Räikkönen-Start neben Hamilton zumindest leicht besser. In Bahrain und China fand zwar Bottas jeweils den Weg vorbei am Ferrari, doch ist das allerdings auch auf die Umstände zurückzuführen (s. Tabelle). Genauso jedoch auch andersherum: Wäre Monaco nicht so eng, hätte Hamilton am Start wohl gegen Räikkönen einen Platz verloren. Ferrari erhielt dagegen nur einmal Hilfe - bei Vettels Überholmanöver gegen Bottas in Spanien (Windschatten).