McLaren hat nach der erneuten Pleitensaison im Jahr 2018 die Zeichen der Zeit erkannt. Gil de Ferran hat seit Silverstone in der Rolle des Sporting Directors das Kommando von Eric Boullier übernommen. Die Champ- und IndyCar-Legende soll das Team rund um die Piloten Fernando Alonso und Stoffel Vandoorne aus der Krise führen. Eine Mammutaufgabe, an der sein Vorgänger über vier Jahre lang scheiterte. Wie genau will de Ferran es also besser machen?

"Ich denke, der einfachste Weg darauf zu antworten ist, etwas über mich zu erzählen und wie ich das Leben generell handhabe", holt der 50-Jährige aus, als Motorsport-Magazin.com seinen Plan für die Wiederbelebung McLarens hören will. Vorstellen kann man sich unter seiner Position als Sportdirektor vieles, und überhaupt ist De Ferran in der Formel 1 ein relativ unbeschriebenes Blatt.

Von 2005 bis 2007 fungierte der in Paris geborene Brasilianer bereits als Sportdirektor von BAR beziehungsweise Honda. Bis auf den Sieg von Jenson Button im chaotischen Ungarn GP 2006 war seine Zeit dort nicht wirklich von großem Erfolg gekrönt. Deutlich erfolgreicher war er dafür in den USA. Zuerst als Fahrer und später auch als Teamchef.

Gil de Ferran: Vom CART- und Indy-Champion zum Formel-1-Teamchef

Nach dem Gewinn der britischen Formel 3 in der Saison 1992 und dem dritten Platz in der Formel 3000 Europameisterschaft 1994 zog es de Ferran über den Atlantik in die CART-Serie. In Diensten von Penske gewann er in den Jahren 2000 und 2001 jeweils den Titel, woraufhin er in die konkurrierende IndyCar-Serie wechselte. Dort gewann er 2003 auf seinem Weg zur Vizemeisterschaft das Indy 500 und beendete seine aktive Karriere zunächst.

Es folgten sein Exkurs zu BAR in die Formel 1 und 2008 die Gründung seines eigenen Rennteams de Ferran Motorsports in der American Le Mans Series. Nach sofortigen Erfolgen mit Acura in der LMP2 und LMP1, zu denen er auch als Pilot beitrug, expandierte er 2010 mit seinem Team in die IndyCar-Serie. Der Zusammenschluss mit Dragon Racing (heute in der Formel E aktiv) floppte jedoch, sodass de Ferran Dragon Racing sich nach nur einer Saison aufgrund von Budgetmangel auflöste.

Den Weg zurück in eine Managementposition in der Königsklasse hat de Ferran aber in erster Linie dem CEO des McLaren-Teams, Zak Brown, zu verdanken. Durch seine Zeit in den USA kennen sich Brown und de Ferran bereits seit 20 Jahren. Nicht ohne Grund fungierte er 2017 bei McLarens Indy-Projekt als Fernando Alonsos Mentor und Coach. Alonsos Indy-500-Abenteuer wäre um ein Haar geglückt. Und de Ferran ist zuversichtlich, mit seinem Background auch das Formel-1-Team wieder zurück in die Spur bringen zu können.

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2007 mit Honda gescheitert: de Ferran fühlt sich 2018 besser vorbereitet

"Ich denke, was mich zu einem guten Rennfahrer gemacht hat... oder anders: all der Erfolg den ich hinter dem Lenkrad und als Geschäftsmann hatte, kamen daher, dass ich wirklich versucht habe zu verstehen, wo meine Schwächen liegen", so de Ferran, der zu seiner Zeit als Pilot stets als Analytiker und harter Arbeiter galt. "Ich hatte nie Angst davor, in den Spiegel zu schauen und mir einzugestehen, dass ich etwas hätte besser machen können."

"Die zweite Sache ist, dass ich früh im Leben erkannt habe, dass man nie alleine Erfolg hat. Es gibt nur sehr wenige Menschen, denen das gelingt. Die meisten sind Teil eines Teams. Es geht darum, als Team zusammen zu arbeiten, fokussiert zu sein, sich zu motivieren und am Ball zu bleiben. Die besten Ideen kommen mitten in der Nacht, wenn man sich Gedanken über den nächsten Tag macht. So arbeite ich und diese Philosophie bringe ich mit, seit ich als Berater für Zak gearbeitet habe. Das werde ich hier so beibehalten, nur mit mehr Verantwortung."

Bei seinem ersten Versuch in der Formel 1 scheiterte er mit BAR und Honda daran, ein Team an die Weltspitze zu führen. Warum es zwölf Jahre später anders laufen sollte? "Ich bin älter und weiser", erklärt de Ferran. "Ich fühle mich persönlich besser darauf vorbereitet und habe mehr Erfahrung. Ich habe in den vergangenen zehn Jahren alle möglichen Dinge gemacht, inklusive der Leitung meines eigenen Teams. Ich fühle mich bereit für die Herausforderung."

Gil de Ferran "nicht hier, um irgendwelche Vorhersagen zu treffen"

Der offiziell freiwillige Rücktritt von Boullier als Racing Director war ohne Frage die Konsequenz der anhaltenden Erfolglosigkeit und eines Zerwürfnisses innerhalb des Teams, das in den Wochen vor dem Rennen in Silverstone in Woking für Ärger sorgte. Das kuriose Freddo-Gate war dabei wohl nur die an die Öffentlichkeit gelangte Spitze des Eisbergs. De Ferran setzt nach den Querelen auf mehr Miteinander.

"Überall wo ich hinschaue, arbeiten clevere Köpfe. Manche sind schon lange hier, andere sind noch jünger. Aber sie haben alle großartige Fähigkeiten. Der Schlüssel ist Kommunikation und Transparenz, gerade was gewisse Belange angeht. Ich denke, das wird helfen voranzukommen", so de Ferran. Wie genau er das anstellen will, verriet er allerdings nicht. Nur wunder solle niemand erwarten.

"Ich denke nicht, dass ich hier bin um schon irgendwelche Vorhersagen zu treffen", stellt er klar, dass er aus dem MCL33 kaum von heute auf morgen ein Top-Auto machen kann. "Das Team versucht die Dinge zu verstehen und sich zu verbessern, und ich kann euch sagen: Was ich bemerkt habe, ist, das dass jeder an der Strecke und in der Fabrik viele Stunden dafür arbeitet."

Gil de Ferran: McLaren kann nur eigene Performance beeinflussen

In der Konstrukteurs-WM kämpft McLaren als Siebter zur Saisonhalbzeit immer noch um den vierten Platz. Etwas, dass das Team vor allem der Punkteausbeute Alonsos zu verdanken hat. Der Spanier fuhr bei allen sieben Rennen die er beendete in die Top-10. 40 der insgesamt 48 Zähler von McLaren gehen auf sein Konto. Auf den Vierten in der WM, Renault, fehlen 22 Punkte.

Zuletzt waren die Punkteresultate McLarens aber vor allem durch Ausfälle begünstigt. De Ferran weiß, dass das Team sein Tempo anziehen muss, wenn man sich gegen Renault, Haas und Force India behaupten will. "Die einzige Sache, die wir beeinflussen können, ist unsere eigene Performance. Wir müssen einfach weitermachen, aber ich kann was das angeht nicht spekulieren."